Unterernährte Kinder, üppige Ramadanessen
Während des Ramadan geben staatliche Institutionen im Iran allabendlich viel Geld für Festessen zum Fastenbrechen aus. Das stößt selbst bei regimetreuen Medien auf Kritik. Denn 25 Prozent der iranischen Kinder unter sechs Jahren leiden an Mangelernährung.
Essen an Arme auszuteilen gehörte immer schon zu den Ritualen des Fastenmonats Ramadan. Diese Tradition wird im Iran auch heute noch eingehalten. Neu sind aber die prunkvollen Feiern in Luxushotels, bei denen fürstlich aufgetischt werde, wie den Konservativen nahestehende iranische Medien berichten. Zu den kostspieligen Feierlichkeiten würden Gäste aus Politik, Wirtschaft und Militär eingeladen – und von Kellnern mit weißen Handschuhen bedient.
Dass Kulturminister Ali Janati seinen MitarbeiterInnen im vergangenen Jahr solche Feierlichkeiten per amtlicher Anordnung untersagte, zeugt von dem enormen Ausmaß der Feste, die nicht immer mit Geldern staatlicher Institutionen finanziert werden. Gesponsert würden sie auch von Geschäftsleuten, die sich dadurch Nähe zu Parlamentariern und Bankdirektoren erhofften, so der Vorwurf der Kritiker.
Bekannte Fernsehmoderatoren, Sänger und Musikgruppen sollen dabei für das geistige Wohl der Gäste sorgen, wie das Nachrichtenportal Fanous herausfand, Stand-Up-Komödianten sorgten für gute Laune. 2014 hätten an manchen Festen bis zu 1.500 Gäste teilgenommen, so die konservative Nachrichtenseite Alef. Kosten pro Person in diesem Jahr: bis zu einer Million Tuman, umgerechnet 250 Euro. Doppelt soviel wie das monatliche Gehalt mancher ArbeiterInnen.
Armut und geistige Entwicklung
Das Nachrichtenportal Asre Iran kritisiert die teuren Ramadanfeste mit der Begründung, in der Islamischen Republik Iran litten etwa 800.000 Kinder unter sechs Jahren an Mangelernährung.
Schon 2012 hatte „Voice of America“ von der enormen Zahl unterernährter Kinder im Iran berichtet. Doch die Nachricht wurde von der iranischen Regierung als „westliche Propaganda“ bezeichnet und dementiert.
Die meisten der unterernährten Kinder stammten aus ärmeren Schichten der Gesellschaft und kinderreichen Familien, schreibt Asre Iran. Sozialexperten sähen dringenden Handlungsbedarf der verantwortlichen Ämter, jenen sowohl bei der Familienplanung als auch in Erziehungs- und Ernährungsfragen Hilfe zu leisten. „Statt der unnötigen teuren Partys im Ramadan sollten die Gelder für Kinder ausgegeben werden, deren geistige Entwicklung durch Unterernährung gestoppt wird“, schreibt das Nachrichtenportal, und weist dabei auf Studien hin, die einen Zusammenhang zwischen Ernährung und geistiger Entwicklung nachweisen.
Tatsächlich haben Wissenschaftler der Washington University School of Medicin 2013 herausgefunden, dass das Gehirn eines in Armut aufwachsenden Kindes tendenziell kleiner ist als das wohlhabender AltersgenossInnen. Gehirne armer Kinder haben weniger weiße und graue Substanz und bereichsweise ein geringeres Volumen als die reicher Kinder.
Laut Asre Iran hat die Zahl der unterernährten Kinder im Iran die Vereinten Nationen veranlasst, die Islamische Republik im Jahr 2012 auf die Liste der Länder mit einer überproportional großen Anzahl unterernährter Kinder zu setzen. Deshalb hätten vergangenes Jahr 85.000 Kinder unter sechs Jahren staatliche Hilfe bekommen.
Dafür hatte die Stiftung „Imam“ (Komite emdade Imam Khomeini) stellvertretend für den Staat codierte Karten an die Eltern der Kinder verteilt, mit denen sie monatlich für umgerechnet 20 Euro Lebensmittel erhielten. Diese Hilfe werde allerdings nicht mehr gezahlt, da die Stiftung finanzielle Probleme habe, berichtete die Zeitung Shargh Mitte Juni.
SEPEHR LORESTANI
Übertragen aus dem Persischen und überarbeitet von Omid Shadiwar