Trump und Rouhani brauchen einander
Die außenpolitische Strategie des iranischen Präsidenten Hassan Rouhani basiert im wesentlichen auf zwei Einsichten: die Notwendigkeit der Reduzierung der Konflikte und Normalisierung der Beziehungen zum Westen, insbesondere zu den USA, und die Entschärfung der regionalen Konflikte. Das Atomabkommen hätte zwar auf beiden Gebieten eine Perspektive eröffnen können. Doch die optimistischen Flitterwochen nach dem Abschluss des Abkommens sind vorbei. Was nun?
Von Anfang an schien die US-Regierung unter dem neuen Präsidenten Donald Trump eine härtere Linie gegen den Iran zu verfolgen. Auch Kongress und Senat der USA hatten nach dessen Amtsantritt kundgetan, dass sie neue Embargogesetze gegen den Iran beschließen würden. Doch als Mitte März 2017 mehrere Mitglieder des Europäischen Parlaments Teheran besuchten, brachte das von der Friedrich-Ebert-Stiftung und dem Institut für politische und internationale Studien, einer Denkfabrik des iranischen Außenministeriums, organisierte Treffen den Parlamentariern erstaunliche Einsichten. Sie konnten kaum Anzeichen von Besorgnis feststellen.
Weder die wiederholten Drohungen des US-Präsidenten, die Nuklearvereinbarung zu annullieren, noch die Wiederherstellung des US-Saudi-Bündnisses hatten die Politiker in Teheran besonders beeindruckt. Die europäische Delegation traf auf eine bemerkenswert selbstbewusste iranische Führung, die sich ihrer strategischen Stärken bewusst und bereit war, ein langfristiges Spiel zu spielen. Die Teheraner Strategen waren überzeugt, dass sie die geopolitischen Winde in ihren Segeln haben würden. Sie sahen Donald Trump – über ihre offizielle antiamerikanische Rhetorik hinaus – als einen nicht ideologischen „Dealmaker“, der früher oder später mit der Realität in Berührung kommen und die vorherrschende Rolle des Iran am Persischen Golf und im Nahen Osten würde anerkennen müssen.
Es gibt in der Tat auch einige Gründe für die iranischen Politikmacher, selbstbewusst zu sein. Der Irak, der während eines großen Teils des 20. Jahrhunderts als Gegengewicht zum Iran diente, wird nun von einem Teheran-freundlichen schiitisch dominierten Regime beherrscht, das keineswegs als Marionette Teherans anzusehen ist. Der Iran hat im Irak aber einen großen Einfluss auf die kampferprobten Schia-Milizen, die im Falle eines vermehrten amerikanischen Drucks den Kampf gegen die lästig werdenden amerikanischen Truppen wieder aufnehmen könnten. Sobald Mossul vom gemeinsamen Feind IS (Islamischer Staat) vollkommen befreit ist, haben die Iraner in dieser Richtung größere Bewegungsmöglichkeiten.
Iraner und Russen in Syrien
Das Überleben von Bashar Al-Assads Regime in Syrien wird die Anwesenheit einer starken libanesisch-iranischen Hisbollah auf Dauer verfestigen und als potentielle Gefahr für Israels Interessen verankern. Auch die Möglichkeit einer russisch-amerikanischen Verständigung in Syrien scheint die Iraner nicht besonders zu stören. Während die russische Luftwaffe dem Assad-Regime sicher dabei geholfen hat, seine Position zu festigen, sind es die Iraner, die die meisten Kampfkräfte, Hisbollah und Schia-Islamisten aus verschiedenen Ländern, vor Ort haben.
Die Iraner betrachten sich daher in Syrien als Partner der Russen, nicht als ihre Gefolgschaft. Was auch immer die Folgen eines möglichen Rückzugs der USA und Russlands aus Syrien sein werden: Russland weiß, dass es den Iran für eine glaubwürdige Ausstiegsstrategie in Syrien braucht. Die iranische Erwartung, dass Trump diese Realitäten akzeptieren werde, ist rational. Das wäre auch eine logische Konsequenz aus der von Trump selbst gesetzten und oft wiederholten Priorität: die Einschränkung der US-Beteiligung an Weltkonflikten zugunsten einer nationalen Agenda, ausgenommen der Kampf gegen den IS. Die bestehenden Konflikte in Syrien, dem Irak und dem Jemen drastisch zu eskalieren, widerspräche dem Erreichen dieser Ziele. Um den iranischen Einfluss zurückzudrängen, wird Trump andere Wege suchen müssen. In der regionalen Ordnung im Mittleren Osten wird er entweder die Rolle des Iran als erstarkende Machtsäule akzeptieren oder sie in kriegerischen Auseinandersetzungen zu verhindern versuchen müssen.
Die wahrscheinliche US-Strategie
Am 28.März 2017 trug Martin Indyk, Vizepräsident des Brookings Instituts in Washington und ehemaliger außenpolitischer Berater Bill Clintons, vor dem Senatsausschuss für auswärtige Angelegenheiten sechs Bestandteile einer konzeptionellen US-Strategie gegenüber dem Iran vor.
- Das Atomabkommen solle strikt umgesetzt werden. Was auch immer die Mängel dieser Vereinbarung seien: Sie sei dennoch bei der Eröffnung einer 10-jährigen Perspektive erfolgreich. Solange sich der Iran an diese Vereinbarung halte, hätten die Vereinigten Staaten und ihre regionalen Verbündeten Zeit, sich auf andere Strategien zur Eindämmung des iranischen Einflusses vorzubereiten.
- Die Unterstützung der irakischen Regierung und Armee sei zur Bekämpfung des Islamischen Staats unabdingbar. Auch der Iran spiele in diesem Kampf eine Rolle. Angesichts der historischen religiösen Beziehungen zwischen den Schiiten im Iran und im Irak sei die Beseitigung des iranischen Einflusses kein erreichbares Ziel. Es sei aber durchaus möglich, ein wirksames Gegengewicht zum Einfluss des Iran in Bagdad aufzubauen. Die gegenwärtige irakische Regierung würde das begrüßen, während die frühere dafür nicht zu gewinnen war.
- Der Bürgerkrieg in Jemen müsse beendet und eine politische Lösung gefunden werden. Die Regierung Trump unterstütze Saudi-Arabien und die Arabischen Emirate in ihrer Kriegsbeteiligung zwar militärisch. Dies sei aber nur sinnvoll, wenn es mit einer diplomatischen Strategie einherginge und Saudi-Arabien die Priorität einer politischen Lösung anerkennen würde.
- Den iranischen Einfluss in Syrien zu reduzieren oder gar den Iran aus Syrien zu vertreiben sei schwierig und komplex. Die USA müssten verstehen, dass in der aktuellen Situation weder Amerika noch Russland die Bereitschaft und Fähigkeit hätten, dieses Ziel zu erreichen. Der Iran habe eine starke Präsenz in Syrien. Er habe Militärberater und Kampftruppen in die von der Regierung kontrollierten Gebiete entsandt. Diese Kräfte seien wesentlich größer als die der syrische Armee und der russischen Militärs. Assad würde nicht wollen, dass die Iraner Syrien verlassen. Auch Russland verlange so etwas nicht, weil sein Vorteil im Überleben der Assad-Regierung liege. Beide Länder wollten das Überleben des Assad-Regimes, beide konkurrierten um Einfluss in Damaskus. Assad benutze dies, um sie gegeneinander auszuspielen. Darauf müsse Amerikas Strategie fußen, den iranischen Einfluss in Syrien zu reduzieren.
- Die Koordinierung der Stärken und Fähigkeiten der regionalen Verbündeten der USA als Rahmen für regionale Sicherheit könnte zur Stabilisierung langfristiger Sicherheitspolitik führen. Die Vereinigten Staaten hätten das Glück, zur Eindämmung des iranischen Einflusses starke strategische Partner in Israel, der Türkei, Saudi-Arabien und anderen arabischen Ländern zu haben. Obgleich jeder davon seine eigene strategische Vision habe, zeigten sie zusammen mit Ägypten die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit Israel. Es sei nun Zeit, dass die USA und seine regionalen Verbündeten die neuen Bündnisstrukturen für die regionale Sicherheit testeten.
- Das Atomabkommen mit dem Iran habe gezeigt, dass die Kombination von Sanktionen und Diplomatie zu praktikablen Vereinbarungen führen kann. Die Planung von neuen amerikanischen Embargos im Wirkungszusammenhang mit den genannten fünf Strategiesäule zum „Rollback“ des Iran würden jenen bewegen, sich neuen Verhandlungen zu öffnen. Diese sollten sich dann auf die folgenden sicherheitsrelevanten Fragen konzentrieren: den ungebrochenen Versuch des Iran, seine Revolution zu exportieren und sich in die inneren Angelegenheiten arabischer Länder der Region einzumischen, die destabilisierenden Aktivitäten des Iran in der Region, sein Raketenprogramm und nukleare Aktivitäten nach Ablauf der geltenden Nuklearübereinkunft.
Solche Verhandlungen, so Indyk, wären, solange sie entlang den Sanktionen und anderen Rollback-Strategien laufen und mit den regionalen Verbündeten der USA koordiniert sind, kein Zeichen der Schwäche für die USA. Vielmehr wären sie ein Signal an die iranische Führung: Sollte sie ihr Verhalten ändern, würden die USA und ihre Verbündeten nicht nur normale und konstruktive Beziehungen zum Iran wünschen, sondern sogar seine Position als Regionalmacht anerkennen. Wenn sich herausstellte, dass der Iran bereit sei, in ernsthaften Verhandlungen über diese Fragen zu reden, würden die USA ihrerseits bereit sein, alle bilateralen Sanktionen zu annullieren.
Es ist sehr wahrscheinlich, dass die künftige US-Politik gegenüber dem Iran dieser Strategie folgen wird.
Verhindertes Gesetz gegen den Iran
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