Skepsis gegenüber neuem Arbeitsgesetz

Fünf Jahre lang hat die iranische Regierung an dem Entwurf eines neuen Arbeitsgesetzes gearbeitet.  Nun soll er von den Parlamentariern verhandelt werden. Mit den vorgesehenen Gesetzesänderungen sind weder Arbeitnehmer noch  Arbeitgeber einverstanden.


 
Am Anfang ein Rückblick: Mit dem Sieg der Islamischen Revolution im Jahr 1979 wurden auch Forderungen der Arbeiter nach besseren Arbeits- und Lebensbedingungen laut. Das war ein wesentlicher Faktor für die Einführung eines neuen Arbeitsgesetzes im Iran. Elf Jahre nach der Revolution und nach vielen politischen, sozialen und parlamentarischen Auseinandersetzungen wurde im November 1990 das Arbeitsgesetz von 1958 durch ein neues ersetzt. Auch dieses Gesetz wird unterdessen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern kritisiert – natürlich von unterschiedlichen Standpunkten aus.

Kritik der Arbeitgeber
Die Arbeitgeberseite ist der Meinung, dass das gültige Arbeitsgesetz den Beschäftigten ein hohes Maß an Schutz vor Kündigung sowie feste, leistungsunabhängige Gehälter biete. Das schränke die Flexibilität der Firmen bei der Personalpolitik ein. Außerdem führe das Gesetz zur Abnahme der Leistungsbereitschaft bei den Beschäftigten, weil sie sich um ihre Arbeitsplätze, Löhne und Zulagen keine Sorge machen müssten. Arbeitgeber halten das Gesetz deshalb für investitions- und produktionshemmend für einheimische und ausländische Firmen.
Der Neuentwurf, den das Arbeitsministerium nun nach fünfjähriger Überarbeitung vorlegt, kommt den Arbeitgebern in zwei Punkten entgegen: Kündigungen von Arbeitskräften sollen künftig sowohl bei Produktionsrückgang, Umstrukturierung oder technologischer Aufrüstung wie auch bei Abnahme der Leistungsfähigkeit des betreffenden Arbeiters, wenn diese zu einem Produktionsrückgang führt, möglich sein.
In diesen Fällen kann ein Arbeitsvertrag durch den Arbeitgeber ohne die Zustimmung des Islamischen Arbeitsrats der Firma gekündigt werden, die bisher immer eingeholt werden muss.
Unabhängige Arbeitervereine in Sicht?

Demonstrationen in Teheran: Arbeiter tragen symbolisch das Arbeitsgesetz zu Grabe.
Demonstrationen in Teheran: Arbeiter tragen symbolisch das Arbeitsgesetz zu Grabe.

Der Islamische Arbeitsrat und der Islamische Arbeitsverein sind derzeit die einzigen legalen Arbeiterorganisationen im Iran. Nach Protesten der iranischen Arbeiter und der Internationalen Arbeitsorganisation der Vereinten Nationen (ILO) hat die Regierung dieses Monopol im neuen Entwurf des Arbeitsgesetzes immerhin teilweise aufgehoben. Dem bisherigen Gesetz zufolge darf pro Betrieb bislang entweder „nur einen Islamischen Arbeitsrat oder einen Verein oder eine Islamische Arbeitervertretung gründen“ (§ 113 Abs. 4). Mit dem neuen Entwurf kann es in jedem Betrieb gleichzeitig alle drei genannten Arbeitervertretungen geben. Arbeiteraktvisten, die in den vergangenen Jahren in Bereichen wie städtischen Verkehrsbetrieben und Zuckerfabriken versucht haben, unabhängige Vereine zu gründen – und von denen einige deshalb in Haft sitzen – , bewerten diese Änderung positiv. Dennoch bleibt Skepsis, ob die Regierung solche Vereine künftig wirklich dulden wird.
Unzufriedenheit bei Mindestlohnberechnung
Der neue Entwurf sieht auch die Verbesserung der Rechte von befristet Beschäftigten vor. Trotzdem haben iranische Arbeiter vor dem Parlament gegen die Gesetzesänderungen protestiert. Ihre Kritik entzündet sich nicht nur an der vorgesehenen Schwächung des Kündigungsschutzes, sondern auch an der neuen Regelung zur Berechnung des Mindestlohns. Sie berücksichtigt außer der Inflationsrate und den Grundbedürfnissen einer Familie auch die Wirtschaftssituation des Landes als weiteren Faktor. Arbeitsrechtler und Arbeiteraktivisten halten dies für inakzeptabel. Arbeitgeber und Regierung könnten diesen schwer interpretierbaren Begriff missbrauchen, um Erhöhungen des Mindestlohns abzulehnen, fürchten sie.
In den nächsten Tagen soll der neue Entwurf des Arbeitsgesetzes im Parlament beraten und beschlossen werden. Da auch die Abgeordneten in ihrer Haltung gespalten sind, könnte es aber auch erneut zu Änderungen des Änderungsentwurfs kommen.