Rouhani und die Revolutionsgarde

Keine andere Organisation im Iran verfügt über so viel Macht und Einfluss wie die Revolutionsgarde. Daran konnte auch Präsident Rouhani bisher nicht viel ändern. Denn die Garde genießt das Wohlwollen der obersten Autorität im Gottesstaat. Eine Bestandsaufnahme.
„Die Revolutionsgarde ist eine der bedeutendsten und populärsten Organisationen unseres Landes. Es ist sehr wichtig, dass sie besonders in der Wirtschaft eine aktive und tragende Rolle spielt.“ Mit diesen Worten versuchte Hassan Rouhani in einer Rede schon kurz nach seinem Amtsantritt im vergangenen September die mächtige Revolutionsgarde zu besänftigen, die nach der Wahl des moderaten Präsidenten um ihren Einfluss fürchtete.
Doch die Versicherung des Präsidenten, zumindest die weitreichende ökonomische Macht des Giganten unangetastet zu lassen, reicht dem Oberkommandierenden der Revolutionsgarde, Mohammad Ali Jafari, nicht aus. Rouhani weigere sich, die Unterstützung der Garde in wirtschaftlichen Fragen anzunehmen, klagte er jüngst vor Garde-Mitgliedern.
Die Antwort von Rouhanis Regierung folgte prompt: „Wir sind für jede Unterstützung dankbar, sofern sie mit unserer Politik vereinbar ist“, zitiert die staatliche Nachrichtenagentur IRNA Eshagh Jahangiri, den Vizepräsidenten des Iran. Dass die Ziele der Garde mit denen der Regierung übereinstimmten, dürfe jedoch „stark angezweifelt werden“, sagt Scott Lucas, Dozent an der Universität von Birmingham und Leiter des Nahostportals EA WorldView, gegenüber TFI. Die Rouhani-Regierung begegne der Revolutionsgarde „angesichts ihrer Macht und ihrer politischen Nähe zum konservativen Spektrum, die sie zu einem politischen Gegenspieler werden lässt, mit großem Misstrauen“, so Lucas.
Die unheimliche Macht der Garde

Ihre größte politische und wirtschaftliche Macht erlangte die Revolutionsgarde in der Präsidentschaft des Ex-Gardisten Mahmoud Ahmadinedschad (2. v. re.)
Ihre größte politische und wirtschaftliche Macht erlangte die Revolutionsgarde in der Präsidentschaft des Ex-Gardisten Mahmoud Ahmadinedschad (2. v. re.)

Dieses Misstrauen gegenüber der Organisation, die 1979 mit dem Ziel gegründet wurde, die Werte der Revolution und das islamische Staatssystem zu verteidigen, ist nicht neu. Schon Ende der 1990er Jahre kritisierte Ex-Staatspräsident Ali Akbar Hashemi Rafsandschani die immer weiter an politischem und wirtschaftlichem Einfluss gewinnende Garde – obwohl er selbst in seiner Amtszeit nach dem Iran-Irak-Krieg maßgeblich zu deren Aufstieg beigetragen hatte.
Ihre größte politische und wirtschaftliche Macht erlangte die Revolutionsgarde jedoch mit der Präsidentschaft des konservativen Ex-Gardisten Mahmoud Ahmadinedschad. Ab 2005 erhielten zahlreiche ihrer Angehörigen Regierungsposten, zeitgleich gingen lukrative Wirtschaftsaufträge in den Branchen Bau, Erdöl und Gas an Firmen, die zur Unternehmensgruppe der Revolutionsgarde, Khatam-Ol-Anbia, gehören.
Doch die große Macht der Revolutionsgarde wurde bereits damals nicht nur Reformern, sondern auch einigen Konservativen unheimlich. Die Generäle sollten sich aus der Wirtschaft zurückziehen und sich auf ihre eigentlichen Aufgaben besinnen, forderten viele iranische PolitikerInnen in den letzten Jahren der Ahmadinedschad-Ära. „Es darf nicht sein, dass die Wirtschaft des Landes in der Hand einiger weniger Männer liegt“, hatte auch Hassan Rouhani vor seiner Wahl im vergangenen Sommer gesagt.
Rückendeckung Khameneis
Die Revolutionsgarde genießt das Wohlwollen des Staatsoberhauptes Ali Khamenei
Die Revolutionsgarde genießt das Wohlwollen des Staatsoberhauptes Ali Khamenei

Angesichts dieser Worte Rouhanis erwarteten viele BeobachterInnen, dass der moderate Präsident nach seiner Wahl gegen den Einfluss der Paramilitärs vorgehen werde – was jedoch nicht im erhofften Maß geschah. Die Kommandeure der Revolutionsgarde wurden zwar auf den Willen des verstorbenen Revolutionsführers Ayatollah Ruhollah Khomeini hingewiesen, sich aus dem politischen Tagesgeschehen herauszuhalten. Die Wirtschaftsmacht der Garde blieb jedoch weitgehend unangetastet.
Iran-Experte Lucas sieht den Grund für die Zurückhaltung Rouhanis in der Rückendeckung, die die Revolutionsgarde – als Garant für den Machterhalt des Systems – beim obersten geistlichen Führer des Iran, Ayatollah Ali Khamenei, genießt. „Solange sich Regierung und Revolutionsgarde nur mit Worten bekämpfen, ist davon auszugehen, dass Khamenei Rouhanis Politik des Dialogs mit dem Westen in der Frage des iranischen Atomprogramms mitträgt“, so Lucas im Gespräch mit TFI. „Sollte die Regierung jedoch konkrete Schritte unternehmen, die Macht der Garde einzudämmen, könnte Khamenei dies als einen Frontalangriff gegen seine Herrschaft interpretieren.“ Das könne bedeuten, dass Khamenei seine Unterstützung für Rouhanis außenpolitischen Kurs zurückziehen und der Garde grünes Licht geben werde, sich wieder verstärkt in die Politik einzumischen, so Lucas.
JASHAR ERFANIAN