Vermächtnis eines Amerikaners sorgt im Iran für Streit

Ginge es nach dem iranischen Außenminister Javad Zarif, würde der letzte Wille Richard Nelson Fryes erfüllt und der bekannte Orientalist und Historiker seinem Wunsch gemäß in der iranischen Stadt Isfahan beigesetzt. Doch auch drei Wochen nach dem Tod des Gelehrten gibt es um dessen Bestattungsort im Iran Streit.
Frye, der am 27. März 2014 im Alter von 94 Jahren in Boston verstarb, galt als einer der besten Kenner der Geschichte des Iran. In seinem Testament hatte er den Wunsch geäußert, in Isfahan neben dem dort beerdigten amerikanischen Iranisten Arthur Upham Pope zur letzten Ruhe gebettet zu werden, der bereits 1969 dort in einem eigens für ihn errichteten Mausoleum beigesetzt wurde. Doch der Bürgermeister von Isfahan zögert mit der Genehmigung. Denn einige Ultrakonservative sind gegen das Vermächtnis des Gelehrten aus. Der einflussreiche Geistliche Mohammad Taghi Rahbar etwa wirft Frye Spionage vor. „Die Einwohner Isfahans werden nicht zulassen, dass hier ein CIA-Spion beerdigt wird“, sagte er in seinem Freitagsgebet in Isfahan. Radikale drohen sogar, im Falle der Beisetzung von Frye im Iran dessen Leichnam auszugraben und auf offener Straße zu verbrennen.
„Verehrter Freund“

Richard Frye (re.) neben dem Ex-Präsidenten Mohammad Khatami
Richard Frye (re.) neben dem Ex-Präsidenten Mohammad Khatami

Der US-amerikanische Wissenschaftler Richard Nelson Frye lehrte von 1948 bis 1990 als Professor für Orientalistik und Iranistik an der Harvard University, wo er das Center for Middle Eastern Studies begründete. Als Gastprofessor lehrte er in den Fünfzigerjahren auch in Frankfurt am Main, in den Sechzigern in Hamburg und an der Pahlawi-Universität in Schiraz. Dort, wo große iranische Dichter wie Hafiz und Saadi bestattet sind, wünschte sich der Iran-Kenner zuerst, beerdigt zu werden. Doch dann entschied er sich für ein Begräbnis in Isfahan, und ihm zu Ehren wurde seinem Wunsch von den Regierungen Khatami und Ahmadinedschad auch zugestimmt. Letzterer widmete dem verdienten Wissenschaftler 2010 sogar eine Residenz in der Altstadt von Isfahan. Der Regierung Ahmadinedschad galt Frye als Iran-Freund. Im Schriftverkehr mit dem iranischen Präsidialamt wurde Frye als „duste gerami“, verehrter Freund, adressiert.
Auch den iranischen Reformern gilt Frye als Iran-Freund, als „größter zeitgenössischer Kenner des Iran“ und „der Letzte aus einer Generation großer Iranforscher“. Seine zahlreichen Publikationen, seine Persischkenntnisse sowie sein weltweiter Einsatz für die iranische Kultur und die Iranistik dienen dafür als Bestätigung. Wie andere Abgeordnete des iranischen Parlaments würdigte der einflussreiche moderate Parlamentarier Ali Motahari die Verdienste Fryes und sprach sich für seine Beisetzung in Isfahan aus. Die regierungsnahe Zeitung IRAN schrieb sogar: „Die Bürger von Isfahan warten sehnsüchtig auf ihren amerikanischen Freund.“
Gegner legen nach
Die Protestler haben damit gedroht, im Falle der Beerdigung von Frye in Isfahan dessen Grab zu schänden und den Leichnam zu verbrennen
Die Protestler haben damit gedroht, im Falle der Beerdigung von Frye in Isfahan dessen Grab zu schänden und den Leichnam zu verbrennen

Doch nach wochenlangem Schweigen der zuständigen Behörden zu Fryes Bestattungswunsch werden Gegenstimmen lauter. Ahmad Salek, Abgeordneter von Isfahan im iranischen Parlament, bat Präsident Hassan Rouhani und den iranischen Innenminister dringend darum, „die Beisetzung von Frye in Isfahan nicht zu genehmigen“. Andere Abgeordnete schlossen sich Salek an.
Die Tageszeitung KAYHAN erinnerte an ein Interview Richard Nelson Fryes 2010 mit dem US-amerikanischen Nachrichtensender CNN: „Gute und schlechte Menschen gibt es überall“, hatte der Iranist dort gesagt, und: „Auch die islamische Republik wird untergehen.“
Seit Tagen versammeln sich sporadisch die Anhänger von Isfahans Freitagsprediger Rahbar zu Protesten am Grabmal des US-amerikanischen Historikers Arthur Upham Pope und seiner Frau in Isfahan. Das Grabmal wurde dabei mit Farbe beschmiert. In ihren Flugblättern drohen sie sogar, im Falle der Beerdigung von Frye in Isfahan dessen Grab zu schänden und den Leichnam des Verstorbenen zu verbrennen.
SEPEHR LORESTANI
Aus dem Persischen: SAID SHABAHANG