Rouhani – besiegt von der Arbeitslosigkeit?

Die iranische Konjunktur ist unter Präsident Hassan Rouhani angeblich von minus 6,8 Prozent in der Ära seines Vorgängers Ahmadinedschad auf 4,4 Prozent gewachsen. Dennoch steigt die Arbeitslosigkeit. Grundlage des Wirtschaftswachstums ist der Export von Erdöl, der nach dem Atomdeal Aufwind erlebt. Andere Branchen kämpfen um ihr Überleben. Eine Bestandsaufnahme.

Das sechste „Fünfjahresplan für wirtschaftliche, kulturelle und gesellschaftliche Entwicklung“ der Islamischen Republik Iran, der im März verabschiedet wurde, sieht vor, dass die Arbeitslosigkeit binnen der nächsten vier Jahre auf sieben Prozent zurückgehen soll. Um das zu erreichen, müsste die iranische Wirtschaft ein gewaltiges Wachstum von jährlich acht Prozent erreichen.

Dem iranischen Amt für Statistik zufolge betrug die Arbeitslosenquote im Jahr 2016 12,4 Prozent, im Jahr davor 11 und 2014 10,6 Prozent. Als Präsident Rouhani 2013 sein Amt antrat, lag sie bei 12,2 Prozent. Die Arbeitslosigkeit bei den unter 29-Jährigen ist jedoch deutlich höher: Sie beträgt 26 Prozent. Im Iran zählt allerdings jeder, der nur eine Stunde in der Woche arbeitet, zu den Erwerbstätigen.

Die Quote würde auf etwa 22 Prozent steigen, wenn diese Gruppe auch als arbeitslos betrachtet würde, heißt es vom Amt für Statistik.

Rezession des Arbeitsmarkts

Zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit wären Investitionen in Bereichen außerhalb der Ölindustrie nötig. Die Regierung Rouhani konnte diese jedoch nicht realisieren, weil die iranische Konjunktur im vergangenen Jahr hauptsächlich in den Bereichen Öl, Petrochemie und Stahl gewachsen ist, die verhältnismäßig wenig Arbeitsplätze anbieten. Laut der iranischen Zentralbank macht die Zunahme des Ölexportes 65,4 Prozent des Wirtschaftswachstums des Jahres 2017 aus. Industrie und Bergbau hinken mit einem mageren Wachstum von 0,3 Prozent pro Jahr hinterher.

Die Baubranche als traditionell wichtiger Wachstumsfaktor der iranischen Wirtschaft schrumpft derzeit um 17,1 Prozent. Die Stahl-, Zement-, Keramik- und Glasindustrien befinden sich deshalb auch im Stillstand. Die Baubranche erholt sich kaum, obwohl die Regierung versucht hat, den Wohnungsmarkt mit verhältnismäßig günstigen Baufinanzierungen zu stimulieren. Laut Hadi Sadati, Vorstandsmitglied des Dachverbands der Arbeitervereine, sind 60 Prozent der Arbeiter der Baubranche erwerbslos.

Arbeitssuchende in Teheran
                    Im Iran kommen jährlich 1,2 Millionen neue Arbeitssuchende auf den Markt

Der Bergbau schrumpft nach Angaben der iranischen Zentralbank derzeit um 0,2 Prozent. Dies ist allerdings eine erhebliche Verbesserung gegenüber 2015: Damals erlebte die Branche einen Rückgang um 10,5 Prozent. Auch die Konjunktur in den Bereichen Industrie und Landwirtschaft ist 2016 im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen.

Tsunami der Arbeitslosigkeit

Eine Untersuchung des iranischen Parlaments prognostiziert eine Arbeitslosenquote von 15,9 Prozent im Jahr 2021. Diese würde noch deutlich höher ausfallen, falls die iranische Wirtschaft ein optimistisch geschätztes Wachstum von jährlich 5 Prozent nicht erreicht, so die Untersuchung.

Die von der iranischen Politik geförderte hohe Geburtenrate der 1980er Jahre trägt zur aktuellen Lage des Arbeitsmarkts bei. Während des Irak-Iran-Kriegs wurde für mehr Kinder geworben, ohne die Konsequenzen in den folgenden Jahrzehnten zu bedenken. Die iranische Wirtschaft müsste jährlich 650.000 Arbeitsplätze schaffen, um die damals Geborenen heute in den Arbeitsmarkt integrieren zu können. Rouhani kritisierte kürzlich, dass, statt neue Arbeitsplätze zu schaffen, die Zahl der Studienplätze erhöht wurde: „Derzeit machen sich jährlich rund 800.000 neue Akademiker auf Arbeitssuche“, stellte der Präsident fest. Der iranische Arbeitsmarkt ist auf diese gewaltige Nachfrage nicht vorbereitet. „Die Entwicklung des Landes konnte sich in den vergangenen Jahren der Anzahl der Absolventen nicht anpassen. Die Zahl der Akademiker hätte sich im Vergleich zur Einwohnerzahl nicht so drastisch erhöhen dürfen“, sagt Masoud Nili, der Wirtschaftsberater des Präsidenten. Laut Regierung Rouhani ist die Anzahl der erwerbslosen Akademiker in beiden Amtszeiten von Präsident Mahmud Ahmadinedschad von 2,64 auf 6,47 Millionen gestiegen – ein Wachstum von 230 Prozent.

Und jährlich kämen 1,2 Millionen Arbeitsuchende – mit und ohne akademische Ausbildung – hinzu, so Vizepräsident Eshagh Jahangiri und Arbeitsminister Ali Rabiee. Falls die Regierung wie versprochen jährlich 700.000 neue Arbeitsplätze schaffen würde, blieben damit immer noch eine halbe Million pro Jahr ohne Job. Das Arbeitsministerium gab im Frühling 2014 bekannt, dass bei 40 Prozent der jugendlichen Arbeitsuchenden durchschnittlich 19 Monate vergehen, bis sie eine Arbeitsstelle finden. Je größer der Abstand zwischen Abschluss und Job, desto höher die Kosten für die Volkswirtschaft.

Frauen und der Arbeitsmarkt

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