Irans Regierung in Bedrängnis

Wegen des sinkenden Ölpreises und der neuen Sanktionsvorhaben seitens des amerikanischen Kongresses steht die iranische Regierung mit dem Rücken zur Wand. Präsident Rouhani möchte den Haushalt von den Öleinnahmen abkoppeln. Experten sind skeptisch.

 „Das Volk sollte nicht daran zweifeln, dass die Regierung trotz der sinkenden Öleinnahmen im Stande sein wird, die Geschicke des Iran zu leiten. Der niedrige Ölpreis wird für uns eine Motivation sein, zukünftig Haushaltsbudgets festzusetzen, die unabhängig von der Höhe der Öleinnahmen kostendeckend sind“, sagte jüngst Irans Präsident Hassan Rouhani nach einer Sitzung der Regierung. „Angesichts der natürlichen Ressourcen des Landes, der Arbeitskraft der Bevölkerung, der aufopferungsvoll arbeitenden Offiziellen und der Führung unseres geistlichen Oberhaupts müsste es uns möglich sein, eine Wirtschaft aufzubauen, die nicht so empfindlich auf Ölpreisschwankungen reagiert. All unsere Bemühungen müssen darin bestehen, unsere Abhängigkeit vom Öl auf ein Mindestmaß zu reduzieren“, so der Staatschef weiter.

Um seinen Haushalt halbwegs finanzieren zu können, muss der Iran jedes Fass Öl für mindestens 110 Dollar verkaufen!
Um seinen Haushalt halbwegs finanzieren zu können, muss der Iran jedes Fass Öl für mindestens 110 Dollar verkaufen!

Dass das Geschäft mit dem Öl für den Gottesstaat überaus wichtig ist, steht außer Zweifel. Wie sehr der Iran aber tatsächlich von dem fossilen Brennstoff abhängig ist, ist nicht klar: Laut offiziellen Angaben ist Irans Wirtschaft zu etwa 35 Prozent auf die Einnahmen aus dem Ölgeschäft angewiesen. Experten gehen jedoch von einem weit höheren Anteil aus. Einige sind der Meinung, dass der Iran sogar bis zu 70 Prozent seiner Deviseneinnahmen mit dem Ölgeschäft erzielt.
Der tiefe Ölpreissturz der vergangenen sechs Monate hat Irans ohnehin kränkelnde Ökonomie, die noch mit den Wirtschaftssanktionen des Westens zu kämpfen hat, einen neuerlichen Schlag verpasst. Seit 2011 haben sich die Erdölexporte des Iran, aufgrund der verschärften Sanktionen gegen den Gottesstaat, von 2,5 Millionen Barrel pro Tag auf nur noch 1,2 Millionen Barrel verringert. Den finanziellen Schaden konnte das Land allerdings aufgrund der hohen Ölpreise teilweise abfedern. Durch die jetzt niedrigen Preise ist der Iran derzeit aber nicht mehr im Stande, die Lieferausfälle auszugleichen. Verschärfend kommt noch hinzu, dass das Land auf einen beträchtlichen Teil der Gewinne aus dem Ölgeschäft – wegen der Sanktionen  – keinen Zugriff hat.
Regierung revidiert Haushalt
Der enorme Rückgang des Ölpreises von 120 Dollar pro Barrel im Juni auf unter 50 Dollar seither hat die Regierung Rouhani dazu bewogen, ihren Haushaltsplan für das kommende iranische Kalenderjahr 1394 (Beginn am 20.03.2015) zu überarbeiten. Sie rechnet nun mit einer durchschnittlichen Einnahme von 72 Dollar pro Barrel. Ursprünglich war Irans Ölminister Bijan Zanganeh von einem Durchschnittspreis von 100 Dollar pro Barrel ausgegangen. Dass eine Abkoppelung des Haushalts von den Öleinnahmen in naher Zukunft, so wie ihn Rouhani in seiner jüngsten Äußerung vorsieht, möglich ist, bezweifeln Experten. Man versuche seit einem halben Jahrhundert, die Abhängigkeit der iranischen Wirtschaft und des Haushalts von den Öleinnahmen zu reduzieren, jedoch ohne Erfolg, so der iranische Wirtschaftsexperte Ahmad Alavi jüngst im Gespräch mit der Deutschen Welle. Weder im Haushaltsplan noch in der Binnenwirtschaft und oder im Außenhandel gebe es Posten, die nicht auf Einnahmen aus dem Ölgeschäft zurückzuführen seien, so Alavi weiter.
Alternative Geldquellen

Dir Regierung möchte wohlhabende staatliche Institutionen wie die mächtige Revolutionsgarde besteuern
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Wenn die iranische Regierung tatsächlich in ihren künftigen Budgets mit weniger Öleinnahmen rechnen möchte, ist sie gezwungen, Einnahmen aus anderen Quellen zu erschließen. So wird aktuell über ein Gesetz nachgedacht, das wohlhabende islamische Stiftungen und Institutionen besteuern soll, die der alleinigen Kontrolle des religiösen Führers Ayatollah Ali Chamenei unterliegen. Bislang waren diese von der Steuerzahlung befreit. So rechnet die Regierung mit 22 Prozent mehr Steuereinnahmen und 27 Prozent mehr Einnahmen aus Privatisierungen und finanziellen Transaktionen. Doch ob die Kalkulation der Regierung aufgeht, bleibt abzuwarten. Experten haben Zweifel: „Höhere Steuereinnahmen gibt es nur, wenn das Bruttoinlandsprodukt (BIP) steigt. Mit viel Glück wird es für das Jahr 2015/2016 eine geringe Steigerung des BIP geben. Auch wird es nicht so einfach sein, private Unternehmen davon zu überzeugen, Staatsbetriebe zu übernehmen, wenn die Wirtschaft sich gerade in einer Rezession befindet“, so etwa der Iran-Experte der Universität Birmingham, Scott Lucas, gegenüber TFI.
Regierung in der Defensive
Und es gibt noch mehr schlechte Nachrichten für die Regierung des moderaten Hassan Rouhani: Der seit den letzten Wahlen republikanisch dominierte US-Kongress erwägt neue Sanktionen, die die Krise der iranischen Wirtschaft weiter verschärfen würden, um das Land zu Zugeständnissen bei den kommenden multilateralen Atomverhandlungen in Genf zu bewegen. Sollten neue Sanktionen beschlossen werde, könnte Rouhani von seinen konservativen Widersachern massiv unter Druck gesetzt werden, bei den Atomgesprächen einen kompromissloseren Kurs einzuschlagen als bisher. Die Konservativen könnten mehr Mitsprache verlangen, mit ihren Forderungen die Atomverhandlungen torpedieren und einen  Atom-Deal zwischen den Konfliktparteien erschweren, glauben Experten. Irans konservativer Parlamentspräsident Ali Laridschani warnte bereits am Donnerstag, einige Abgeordnete würden einen Vorstoß zur unbegrenzten Urananreicherung erwägen, sollten die USA während der laufenden Atomverhandlungen neue Sanktionen gegen Teheran verhängen.
  JASHAR ERFANIAN