Iran und USA: Freunde oder nur Partner?
Der iranische Präsident hält eine Freundschaft zwischen dem Iran und den USA für möglich. Gleichzeitig wünscht sich der Kommandeur der iranischen Revolutionsgarde einen Krieg gegen die USA. Eine Bestandsaufnahme einer komplizierten Beziehung.
Manch einer in Teheran und Washington kann sich einen Zustand, in dem der Iran und die USA sich nicht als Feinde gegenüberstehen, gar nicht mehr vorstellen. Viele in beiden Ländern sind mit der Feindschaft der beiden Länder groß geworden. „Tod den USA“ hört man seit 1979 allwöchentlich beim Freitagsgebet in iranischen Städten. Auf der anderen Seite des Atlantik lautet die Forderung mancher Politiker seit Jahrzehnten: „Bomb Iran“.
Doch geht es nach den Worten des iranischen Präsidenten Hassan Rouhani, könnte der Unfriede zwischen beiden Staaten bald Geschichte sein: „Keine Feindschaft dauert für immer, auch keine Freundschaft hält ewig. Also müssen wir Feindseligkeit in Freundschaft umwandeln“, sagte Rouhani vergangene Woche dem Schweizer Fernsehsender RTS. Dabei stellte er sogar die Wiedereröffnung der seit 35 Jahren geschlossenen US-Botschaft in Teheran in Aussicht. Der moderate Geistliche folgt seit seinem Amtsantritt im vergangenen Sommer in der Außenpolitik der Devise „Mäßigung und Vernunft“. Als erster iranischer Präsident führte er ein Telefongespräch mit dem amerikanischen Präsidenten. Und im Rahmen der neuen Außenpolitik des Gottesstaates haben der Iran und der Westen erstmals seit Jahren im Konflikt rund um das umstrittene iranische Atomprogramm Fortschritte erzielen können.
Konservative in Teheran stellen sich quer
Trotz der neuen Charmeoffensive Rouhanis warnen viele Experten vor einer Überbewertung der Worte des Ahmadinedschad-Nachfolgers. „Auch wenn die Außenpolitik des Landes mit Khamenei abgestimmt ist und von diesem mitgetragen wird, ist es zweifelhaft, ob Rouhani über genug Autorität verfügt, um gegenüber den konservativen Hardlinern in Teheran um den obersten geistlichen Führer Ayatollah Ali Khamenei einen solch radikalen Kurswechsel in den Beziehungen zu den USA durchzusetzen“, sagt der Kölner Politologe und Kenner der amerikanischen Außenpolitik, Siebo Janssen, im Gespräch mit Transparency for Iran.
Janssens Teheraner Kollege, der Politologe Sadegh Zibakalam, äußert sich ebenso skeptisch zu der Perspektive einer Freundschaft zwischen den beiden Staaten. Es gebe keinerlei Anzeichen dafür, dass die Hardliner bereit seien, einen solchen Kurs mitzutragen, sagt Zibakalam der iranischen Zeitung Ghanoon.
Zibakalams Skepsis basiert auf realen Fundamenten wie etwa dem Widerstand der übermächtigen Revolutionsgarde, deren Oberbefehlshaber das Staatsoberhaupt Ayatollah Ali Khamenei selbst ist. „Die Amerikaner sollten wissen, dass unsere islamischen Führer uns für einen schicksalhaften Krieg gegen die USA vorbereitet haben“, ließ General Mohammad Ali Dschafari, Kommandeur der iranischen Revolutionsgarde am Samstag wissen. Diese Äußerung sollte als Antwort auf US-Außenminister John Kerry gelten, der auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos betont hatte, sein Land werde alle Optionen für die Lösung des Atomkonfliktes in Betracht ziehen, sollten diplomatische Verhandlungen scheitern. Ultrakonservative iranische Abgeordnete wie Ismail Koussari und Hamid Rassai wiesen ebenfalls darauf hin, dass der Iran auf einen Krieg gegen die USA vorbereitet sei.
Widerstand auch in Washington
Laut dem US-Experten Janssen gibt es auch in den USA hartnäckige Gegner eines iranisch-amerikanischen Annäherungsprozesses: „Die schärfsten Kritiker sind die Republikaner, die der jetzigen israelischen Regierung sehr nahe stehen. Sie wollen natürlich die Sanktionen gegen den Iran verschärft sehen.“ Doch selbst innerhalb der Demokratischen Partei gebe es mitunter extrem unterschiedliche Positionen zu diesem Thema. „Die Fraktion um Ex-Außenministerin Hillary Clinton möchte den Sanktionsdruck auf den Iran weiterhin beibehalten, während Barack Obama und John Kerry bei erfolgreichen Atomverhandlungen dem Iran weiter entgegenkommen wollen“, sagt Janssen.
Mehrheit für Annäherung?
Rückhalt für eine Annäherung zwischen den beiden Staaten gebe es aber innerhalb der Bevölkerungen des Iran und der USA, glaubt der Kölner Dozent: „Hassan Rouhani hat das Mandat für einen solchen Kurs bei den Wahlen 2013 erhalten. Der westliche Lebensstil ist bei weiten Teilen der Bevölkerung anerkannt. Die Mehrheit der Iraner lebt in großen Städten, wo es eine außerordentliche Offenheit gegenüber dem Westen gibt.“ Janssen Einschätzung zufolge stehen weit mehr als die Hälfte der Iraner hinter dem Annäherungskurs der Regierung in Teheran.
„In den USA sieht es etwas anders aus“, sagt Janssen. „In dieser Frage ist das Land tief gespalten. Viele Anhänger der Demokraten und liberale Großstädter hätten kein Problem mit besseren Beziehungen zum Iran. Der republikanischen Anhängerschaft und dem typischen „Fox News“-Zuschauer ist ein neuer Iran-Kurs jedoch nur schwer zu vermitteln.“
Iran wichtig für USA
Trotz aller real existierenden und wahrscheinlichen Widerstände in Teheran und Washington ist Janssen optimistisch, dass sich die Beziehungen zwischen den beiden Staaten normalisieren könnten. Freundschaftliche Beziehungen hält er allerdings für unwahrscheinlicht: „Eher könnte es zu einer Partnerschaft nach einem längeren Prozess der Annäherung kommen.“
Eine solche Partnerschaft würde den USA in vielerlei Hinsicht entgegenkommen. Die USA braucht den Iran zur Lösung des Syrienkonflikts und politischen Stabilisierung im Libanon. „Wichtig ist der Iran für die USA auch im Kampf gegen den Terrorismus. Beide haben ein Interesse daran, dass weder der Irak noch Syrien im Chaos versinken“, so Janssen zu TFI. Doch auch wirtschaftlich könnte der Iran für die USA interessant sein, glaubt der USA-Experte: „Mittelfristig bleiben die Amerikaner abhängig von ausländischem Öl. Möglicherweise hat der Iran schon in Davos mit den US-Energieriesen Exxon Mobil und Chevron Gespräche geführt“, so Janssen.
Jashar Erfanian