Buhlen um die Exilanten
Eine kleine, aber besondere Community also, und das war immer so, im Guten wie im Schlechten. Schon die 68er-Generation in Deutschland hat die iranischen Exilierten in besonderer Erinnerung. Es gab damals kaum eine Demonstration oder Aktion, bei der die politisch sehr aktiven und gut organisierten iranischen StudentInnen nicht dabei waren. Sogar ein makabres Datum der deutschen Geschichte hat mit der Verbundenheit zwischen deutschen und iranischen Kommilitonen zu tun: der 2. Juni – jener verhängnisvoller Tag im Jahre 1967, an dem deutsche und iranische StudentInnen gemeinsam gegen den Schah-Besuch in Berlin demonstrierten und dabei der deutsche Student Benno Ohnesorg von Kriminalobermeister Karl Heinz Kurras erschossen wurde. Die deutsche Terrororganisation 2. Juni versuchte später, diesen Tag auf eigene Art zu verewigen. Manche Historiker meinen, ohne den 2. Juni hätte es keinen deutschen Terrorismus gegeben. Nach der Islamischen Revolution wurde eine Straße in Teheran nach Benno Ohnesorg benannt.
Es gibt viel zu tun
Die AuslandsiranerInnen mögen, wie Präsident Rouhani sagt, „ihr Land“ mehr lieben als die Daheimgebliebenen. Doch ihr Verhältnis zu den Machthabern dort bleibt ambivalent. Der Drang, sich von der islamischen Republik zu distanzieren, prägt das Verhalten vieler von ihnen. Dennoch gibt es viele einflussreiche EmigrantInnen, die sich im Iran engagieren möchten – ob aus Eigeninteresse oder aus Liebe zur „Heimat“, sei dahingestellt. Und Initiativen oder Projekte gibt es in fast jedem Bereich: etwa bei der Rettung der Binnenseen, die einer nach dem anderen austrocknen, im wissenschaftlichen Austausch mit iranischen Hochschulen, die vieles nachzuholen haben, oder bei der Sanierung des Gesundheitswesens im Iran.
Teheraner Großprojekt des berühmten Neurochirurgen
Das beste Beispiel liefert der weltbekannte Neurochirurg Professor Majid Samii aus Hannover. Er war dabei, als unmittelbar nach dem Atomdeal der deutsche Vizekanzler und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) den Iran besuchte. Gabriel wollte mit seiner großen Delegation der erste Spitzenpolitiker sein, der die Türen für die Wirtschaft in Teheran öffnet. Doch der Star der Reise sei nicht der deutsche Wirtschaftsminister gewesen, sondern Majid Samii, schrieben damals mitgereiste JournalistInnen.
Der 78-Jährige Arzt, in Teheran geboren und aufgewachsen, gilt als einer der besten NeurochirurgInnen der Welt und operiert trotz seines fortgeschrittenen Alters immer noch. Er ist Präsident und Gründer des Hannoveraner International Neuroscience Institute (INI). Die weltbekannte Klinik beschäftigt sich mit der Behandlung von Erkrankungen und der Erforschung des menschlichen Nervensystems.
Nun hat Samii in Teheran eine exakte Kopie des Hannoverschen Modells errichtet – allerdings in erheblich größeren Dimensionen – genauer gesagt: viermal so groß wie in Hannover. Die 300 Millionen Euro teuren Bauten, die mithilfe einer Stiftung und privater Sponsoren finanziert wurden, erstrecken sich über eine Fläche von rund 90.000 Quadratmetern. Mehr als 10.000 PatientInnen sollen in der Klinik jährlich behandelt werden. Zweifellos ein Vorzeigeprojekt eines Auslandsiraners. Ob es aber eine Ausnahme bleibt oder ähnliche Projekte folgen werden, ist ungewiss. Die Hürden sind noch hoch, die Unsicherheiten groß und das Ausland noch skeptisch.
ALI SADRZADEH
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