Ein „irreparabler“ Schlag gegen iranische Startups

Apple entfernt iranische Apps aus dem App Store. Grund seien US-Sanktionen gegen „bestimmte Länder“, sagt Konzernchef Tim Cook. Iranische Startups und App-Entwickler sind fassungslos. Einige wollen rechtliche Schritte gegen den US-Konzern unternehmen.

Seit dem 25. August entfernt Apple iranische Apps aus dem App-Store. Ob sie im Iran produziert und im Store feilgeboten werden oder durch ausländische Firmen in anderen Teile der Welt, spielt anscheinend keine Rolle. Es geht um Apps, deren Zielpublikum innerhalb der iranischen Grenzen lebt.

Es ist nicht das erste Mal, dass Apple zu dieser Maßnahme greift. Bereits im Winter hatte der Mammutkonzern eine ähnliche Aktion gestartet. Doch damals hatte Apple die App-Anbieter zuvor aufgefordert, wegen der US-Sanktionen gegen den Iran die Möglichkeiten zur Online-Bezahlung aus ihren jeweiligen Apps zu entfernen. Aufgrund dessen wurden in vielen populären Apps wie etwa der des Fahrdienstanbieters Snapp andere Zahlungsmöglichkeiten installiert. Die modifizierten Apps wurden wieder in den App Store aufgenommen.

Diesmal gibt es keine Bedingungen – es wird rigoros gehandelt. Und das nicht nur bei den iranischen Apps: Die Chinesen haben mit dem gleichen Phänomen zu kämpfen. Die Entfernung der Applikationen bedeutet, dass neue Nutzer keine Möglichkeit haben, diese herunterzuladen. Alte Nutzer können zwar die Version, die sie auf ihrem Handy oder Tablet haben, weiter nutzen, sie jedoch nicht mehr updaten.

Dies würde der Entwicklung iranischer Startups, die in den vergangenen Jahren viel Aufsehen erregt haben, große Schwierigkeiten bereiten.

Wer ist betroffen?

Laut einer im Internet veröffentlichten Liste sollen bislang 19 iranische Apps aus dem App Store entfernt worden sein. Darunter befinden sich Apps namenhafter Startups wie DigiKala, die Onlineshopping ermöglicht, sowie der Fahrdienstanbieter Snapp. Laut Alexa steht DigiKala auf Platz 4 der Rangliste der meistbesuchten Seiten im Iran.

Doch diese 19 Apps seien nur die bekanntesten, sagt Milad Nouri, App-Entwickler im Iran und Geschäftsführer von Tukantec: „Viele der betroffenen Apps hatten nur ein paar Tausend Nutzer und haben deshalb nicht publik gemacht, dass sie auch betroffen sind. Sie sind entweder keine gewerblichen Apps oder in den sozialen Netzwerken unbekannt“, so Nouri im Gespräch mit der persischsprachigen Redaktion der Deutschen Welle (DW).

Dabei ist Apple im Iran offiziell gar nicht vertreten, denn Apple-Produkte dürfen dort aufgrund der von der US-Regierung verhängten Handelsbeschränkungen nicht verkauft werden. Deshalb gibt es in der Islamischen Republik weder Apple Stores noch einen eigenen App Store. Die dennoch millionenfach vorhandenen iPhones und iPads werden aus Hongkong oder Dubai ins Land geschmuggelt. Und Apps können IranerInnen mit einem Virtual Private Network (VPN), das eine Internetverbindung über einen Server im Ausland herstellt, kaufen.

Elf Prozent der iranischen Handy-Nutzer besitzen iOS-Geräte - Foto: click.ir
Elf Prozent der iranischen Handy-Nutzer besitzen iOS-Geräte – Foto: click.ir

Reaktionen aus dem Iran

Die erste Reaktion iranischer Nutzer, App-Entwickler und Geschäftsleute, die onlinebasiert arbeiten, auf die Einschränkung war eine Kampagne gegen Apple. Mit der Aktion #StopRemovingIranianApps auf Twitter will man die Beendigung der Maßnahme erreichen. Azari Jahromi, iranischer Minister für Kommunikation und Informationstechnologie, hat sich der Kampagne angeschlossen und auf Twitter angekündigt, sein Ministerium werde sich in Zusammenarbeit mit dem Außenministerium für die Lösung des Problems einsetzen.

Zahlreiche Startupper hätten Apple-Geschäftsführer Tim Cook schriftlich gebeten, die Benachteiligung der IranerInnen im App Store zu beenden, sagt ein Teheraner App-Entwickler dem Iran Journal. Apple soll in seinem Antwortschreiben betont haben, das Konzern könne nicht gegen die US-Sanktionen verstoßen.

Auch eine Online-Petition soll Cook dazu bewegen, sich die Maßnahme noch einmal zu überlegen. Laut der DW erwägen einige Startups, deren Apps entfernt worden sind, sogar rechtliche Schritte gegen den IT-Giganten.

Die Apple-Maßnahme sei für viele im Iran ein „irreparabler Schlag“, sagt der App-Fachmann Nouri. Er treffe die iranischen App-Entwickler hart: „Besonders die Programmierer, die sich auf das Apple-Betriebssystem iOS spezialisiert haben.“ Doch den größten Schaden trügen die onlinebasierten Geschäfte davon.

Umsteigen auf Alternativen

Im Moment sind sechs bis sieben Millionen iOS-Geräte im Iran aktiv. Ein Teil der Nutzer könne auf alternative Betriebssysteme umsteigen, aber die Mehrheit wird erst einmal ohne neue Apps bleiben, so die Meinung vieler Experten.

Nach Angaben des Kommunikationsminister Jahromi besitzen elf Prozent der iranischen Nutzer iOS-Geräte. Die Startups verlieren diese potenzielle Kundschaft.

„Tatsache ist, dass die iOS-Kundschaft für Startups die bessere Kundschaft ist“, sagt Asma Karoubi, Geschäftsführerin der Internet-Firma Tiara der DW: „Sie ist vermögend und kauft gerne Apps.“

Viele App-Entwickler haben angekündigt, ihre Zeit in die Entwicklung androidbasierter Apps zu investieren, statt die iOS-Version zu programmieren. Die größere Sorge ist jedoch eine andere: dass Google bald den Zugang der iranischen Nutzer zum Android-Markt versperrt.

Google hat bisher keine Restriktionen gegen den Iran eingeführt. Android-Apps kann man weiterhin im Google Play Store finden. Da iranische Banken sanktionsbedingt immer noch Schwierigkeiten mit Auslandsgeschäften haben, hat man für Android-Apps einen Umweg gefunden: Zahlungen werden mit dem iranischen System Shaparak durchgeführt, das vom internationalen Finanzmarkt abgeschnitten ist.

Sollte auch Google unter politischen Druck geraten, iranische Apps zu entfernen, hätten iranische Besitzer von Android-Smartphones die Möglichkeit, Apps aus anderen Quellen als dem offiziellen Google Play Store zu installieren.

  SEPEHR LORESTANI

Übertragen aus dem Persischen von Iman Aslani

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