Ex-Polizeichef unter Korruptionsverdacht

„Bonyade Taawone Naja“, der wirtschaftliche Arm der iranischen Polizei, steht seit langem in der Kritik. Der mächtigen Stiftung wird Korruption und Intransparenz vorgeworfen. Derzeit soll gar gegen sie ermittelt werden – und einem Bericht zufolge soll auch der kürzlich entlassene Polizeichef in die Affäre verwickelt sein.
Mitte Juni veröffentlichte das oppositionsnahe Internetportal Kaleme einen Bericht über „eine große Korruptionsaffäre innerhalb der iranischen Polizei“. Demnach wird unter anderem gegen den früheren iranischen Polizeichef Esmail Ahmadi Moghadam ermittelt. Der General soll sogar zwei Tage in Untersuchungshaft gewesen sein. Deshalb habe Ahmadi Moghadam kürzlich vorzeitig von seinen Amt zurücktreten müssen, so Kaleme.
Auch ein Familienmitglied des Ex-Polizeichefs wurde laut dem Bericht festgenommen. Kaleme bringt zudem den ehemaligen Chef von „Bonyade Taawone Naja (BTN)“ und Mitglieder der Revolutionsgarde sowie die plötzliche Entlassung des Vizeoberbürgermeisters von Teheran mit der Affäre in Verbindung.
Die Webseite bezieht sich dabei nach eigenen Angaben auf „politische und parlamentarische Quellen“. Es gehe um die Unterschlagung von mindestens 330 Millionen Euro bei dem wirtschaftlichen Arm der Polizei, BTN. Der gigantische Verlust sei bei Spekulationen auf dem ausländischen Währungsmarkt und Missbrauch öffentlicher Mittel entstanden. Auch sei Geld, das die BTN durch den Verkauf von Erdöl verdient hätte, teilweise nicht in die Staatskasse geflossen.
Die iranische Regierung hat in den vergangenen Jahren versucht, Öl über Scheinfirmen zu verkaufen, um die internationalen Sanktionen gegen den Iran zu umgehen. Der frühere Polizeichef Ahmadi Moghadam berichtete im Oktober 2014, dass in den vergangenen Jahren zwei Öllieferungen im Wert von 240 Millionen Dollar durch Polizeifirmen verkauft worden seien. Einen Teil der Einnahmen – 180 Millionen Euro –, hätte die damalige Regierung zur Kompensierung von Gehaltsdefiziten bei Polizeibeamten vorgesehen, so Ahmadi Moghadam. Das Geld soll jedoch laut Kaleme nie in die Staatskassen geflossen sein.
Kein neues Amt, kein öffentlicher Auftritt

Hassan Rouhani
Präsident  Rouhani warnt vor der gefährlichen Mischung von wirtschaftlicher und militärischer Macht

General Esmail Ahmadi Moghadam war 2005 zum Polizeichef des Landes ernannt worden. Anfang März 2015 wurde er vorzeitig aus dem Dienst entlassen. Das geistliche Oberhaupt des Iran Ayatollah Ali Khamenei, das unter anderem den Polizeichef ernennt, begründete seine Entscheidung nicht und lobte lediglich kurz „die eindrucksvollen und unermüdlichen Bemühungen“ des Entlassenen.
Der General wurde nach seiner Entlassung zu keinem neuen Amt berufen, was für einen Funktionär auf dieser Ebene im Iran ungewöhnlich ist. Ahmadi Moghadam soll selbst um die Entlassung gebeten haben. Er wolle eine Auszeit, um die Ereignisse seiner Karriere in den letzten Jahren zu dokumentieren, sagte er.
Zwischen seiner Entlassung und der Veröffentlichung des Berichtes von Kaleme hatte es noch keine Berichterstattung über mögliche illegale Aktivitäten des Generals gegeben. Auch nahmen regierungsnahe Medien oder offizielle Repräsentanten bislang nicht zu den Vorwürfen Stellung. Allein der Sprecher der iranischen Justiz brach das Schweigen: Alles sei „eine absolute Lüge“, so Gholamhossein Mohseni Ezheie in seiner wöchentlichen Pressekonferenz am 25. Mai.
Ein Abgeordneter bestätigte aber am 26. Mai Ermittlungen gegen die BTN. Die Internetseite Jaarpress zitiert den Parlamentarier Ezatollah Youssefian Molla, ein Mitglied des Antikorruptionsausschusses, mit den Worten: „Niemandem wird etwas vorgeworfen. Die Justiz hat erst mit ihrer Arbeit begonnen.“ Innerhalb der nächsten zwei Wochen werde mehr Licht ins Dunkel kommen, hofft der Parlamentarier.
„Wenn Waffen, wirtschaftliche und politische Macht sowie Medien sich nur an einer Stelle konzentrieren, führt das unweigerlich zu Korruption“
Gefährliche Mischung von Geld und Macht
BTN ist vor allem in der Baubranche aktiv
BTN ist vor allem in der Baubranche aktiv

„Bonyade Taawone Nadja“ besitzt mehrere Großfirmen und finanziert ihre Geschäfte unter anderem über ihre eigene Bank „Banke Qawamin“. Die Stiftung ist praktisch eins der reichsten Kartelle der iranischen Sicherheitskräfte. Sie baute ihren Einfluss in den vergangenen Jahren durch lukrative staatliche Aufträge massiv aus. Die ersten Nachrichten über eine Korruptionsaffäre verbreiteten sich im Frühjahr 2014. Damals wurde dem Vorstandsvorsitzenden der Stiftung fristlos gekündigt. Sein Name taucht auch in dem aktuellen Bericht von Kaleme auf. Damals hatte Polizeichef Ahmadi Moghadam von einem „Missbrauch“ gesprochen und eine mögliche parlamentarische Ermittlung befürwortet – die dann allerdings nicht stattfand.
Dass keine unabhängige Berichterstattung über die wirtschaftlichen Aktivitäten der Sicherheitskräfte im Iran zustande kommt, habe mit der Macht der Generäle zu tun, meinen Kritiker. Auch über die Geschäfte der Revolutionsgarde oder mögliche wirtschaftliche Aktivitäten der Geheimdienste wird nur spekuliert. Selbst Präsident Rouhani hat im vergangenen Dezember vor der Korruption in den Sicherheitsapparaten gewarnt.
Sollten sich die Vorwürfe gegen die iranische Polizei und ihren ehemaligen Chef bewahrheiten, wäre das eine Bestätigung für diejenigen, die an systematische Korruption des iranischen Regimes glauben: an eine Situation, in der sogar die staatlichen Antikorruptionsbehörden selbst von Korruption befallen sind.
  IMAN ASLANI
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