Die Regierung als Hauptverantwortliche für den Sturzflug der Landeswährung

Die iranische Regierung macht „äußere Feinde“ für die Währungskrise im Land verantwortlich. Auch die USA behaupten, die internationalen Sanktionen hätten zu der Krise geführt. Iranische Wirtschaftsexperten aber nennen mehre Faktoren, die in den letzten Jahren zur Schwächung der Wirtschaft und dem Zerfall von Rial geführt haben.


Die rasante Talfahrt der iranischen Währung Rial führt zu enormen Preissteigerungen und zu wachsender Unzufriedenheit in der Bevölkerung. Die ersten öffentlichen Protestete gegen die Wirtschaftspolitik des Präsident Mahmoud Ahmadinedschad wurden zwar durch Polizeigewalt beendet, doch damit ist der Ärger der Bevölkerung nicht vorüber.
Die Regierung macht „äußere Feinde“ für die Schwächung der Landeswährung verantwortlich. Am Montag, den 1. Oktober, teilte das US-Außenministerium den Journalisten mit, die internationalen Sanktionen hätten Wirkung gezeigt und zur Schwächung der iranischen Währung geführt.
Die persische Redaktion der Deutsche Welle (DW) hat mit dem in Paris lebenden iranischen Wirtschaftsexperten, Shahin Fatemi, ein Interview über die Ursachen der wirtschaftlichen Misere in der Islamischen Republik geführt.
DW: Die USA behaupten, die internationalen Sanktionen haben zu diesem historischen Währungsverfall geführt. Wie sehen Sie diese Entwicklung?


Dr. Shahin Fatemi. Foto: Iran-emrooz.net.
Dr. Shahin Fatemi. Foto: Iran-emrooz.net.


Shahin Fatemi: Die Finanzsanktionen gegen die iranische Zentralbank waren effektiv, da aus dem Erdöl-Geschäft gewonnen Dollars nicht mehr in den Iran transferiert werden konnten. Dennoch spielen beim Währungsverfall mehrere Faktoren eine Rolle, unter anderem die zunehmende Abhängigkeit der iranischen Industrie von stattlichen Fördermitteln. Eine Finanzpolitik, die die iranische Mittelschicht ruinierte und dadurch miserable Umstände wie in Kuba oder Nordkorea geschaffen hat.
Die Islamische Republik kann kurzfristig nicht den Kursverfall ihrer Währung hindern. Die Regierung hatte bis jetzt die aus dem Ölgeschäft erworbenen Dollars regelrecht verschwendet, aber jetzt muss sie verstärkt aufpassen und auch ein Stück einsparen. Einige meinen, wenn die Regierung den Wechselkurs zu niedrig hält und versucht, ihn zu regulieren, dann wird sich die Lage verbessern. Die Wirtschaftsexperten hingegen erklären, der Anlass für die unruhigen Märkte ist der vom Staat zu niedrig angeordneter Devisenkurs. Nach meinen Recherchen beträgt der staatliche Devisenvorrat des Iran etwa 65 Milliarden US-Dollar, der allerdings nicht komplett zur Verfügung steht. Daher kann die Regierung im Moment nicht wie bis jetzt einfach auf ihren Reserven zurückgreifen und Dollars mit unrealistisch niedrig gehaltenem Kurs anbieten. In der Regel hängt der Devisenkurs in jedem Land von Angebot und Nachfrage ab, nur nichth im Iran.
Da der Iran bedauerlicherweise zum größten Teil nur Erdöl exportiert, dafür aber alles Mögliche einführt, war der gegenwärtige Zustand angesichts der drastischen Senkung der Erdöleinkommen vorauszusehen.
Zurzeit kündigen die Regierung und die Zentralbank keine Maßnahmen zur Bewältigung der Krise an. Woran liegt das?
Die iranische Regierung hat versagt und die Inkompetenz der leitenden Personen bei der Zentralbank führte zu diesem Zustand. Ahmadinedschad hat inzwischen dreimal den Chef der Zentralbank gewechselt, obwohl den iranischen Gesetzen nach die Zentralbank unabhängig von der Regierung seien sollte. Nirgendwo auf der Welt wird die Zentralbank durch die Regierung kontrolliert. Eine sinnvolle Maßnahme, die verhindern sollte, dass die Regierungen sich im Falle von finanziellen Problemen nicht einfach den Mitteln der Zentralbank bedienen beziehungsweise willkürlich Banknoten drucken lassen. In der Regel ist die Zentralbank verpflichtet, auf den Werterhalt der eigenen Landeswährung aufzupassen und nicht den Schatzmeister der Regierung zu spielen.
Die Probleme im Iran sind nicht nur auf die Entwicklungen der letzten zwei, drei Monate zurückzuführen, sondern sie hatten sich bereits viel früher angebahnt. Jetzt hat es aber gekracht und der Führung bleibt nichts anderes übrig, als die Krise zu einer ‚Sicherheitsangelegenheit‘ zu erklären und die Sache der Revolutionsgarde zu übergeben. Aber auch diese militärische Organisation wir die Krise nicht bewältigen können.
Könnte man in dieser Situation zumindest etwas gegen die ständig ansteigenden Preise unternehmen, um so den Markt zu stabilisieren?
Nein. Ein Problem hier ist, dass die Regierung für einen dualen Devisenkurs ist, das heißt einen vom Staat angeordneten und einen vom freien Markt bestimmten Kurs. Das ist aber keine Lösung, sondern begünstigt eher die Korruption. Die Händler, die ihre Ware mit den niedrigeren, vom Staat zur Verfügung gestellten Devisen eingeführt haben, werden ihre Waren nicht billiger verkaufen, als jene, die ihre Devisen auf dem freien Markt, also teurer, beschaffen haben.
Wenn die iranische Regierung aufhören würde, mit seinen Devisenreserven so verschwenderisch umzugehen wie bis jetzt, hätte sie vielleicht noch die Chance, die Preise zu regulieren. Aber in der vergangenen Woche wurde angekündigt, dass der Iran die syrische Regierung mit 10 Milliarden Dollar unterstütz hat.
Ein anderes Problem ist, dass niemand in der iranischen Führung für die gegenwärtige Problematik verantwortlich sein will, und jeder weist dem andern die Schuld zu. Das allein führt bereits zu mehr Instabilität in Politik und Wirtschaft.
In wieweit kann die Errichtung einer Devisenbörse behilflich sein?
Ein Börsengang macht nur dann Sinn, wenn es dafür genug Anbieter beziehungsweise Käufer gibt. Die meisten Privatinvestoren im Iran besitzen keine Dollars, können also auch damit nicht auf der Börse handeln. Und die wenigen, die welche besitzen, bewahren ihre Dollars bei Banken im Ausland auf. Wir dürfen nicht vergessen, dass der Devisenanbieter im Iran der Staat ist und die Bevölkerung der Kunde. Im Börsengeschäft ist aber der normale Bürger sowohl Verkäufer als auch Käufer.
Transparency for Iran

Wird es im Iran ähnliche Zustände geben, wie nach dem zweiten Weltkrieg in Deutschland?
Nein. Der Iran verdient immer noch 60 Prozent seines Staatseinkommens durch Erdölgeschäfte. Zudem könnte der Iran jederzeit, wenn es bei den Atomverhandlungen zum Durchbruch kommen würde, auch wieder mehr Erdöl verkaufen. Von daher steht das Land heute besser da als Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg. Aber in den nächsten Monaten wird der Iran vor allem mit der Inflation stark zu kämpfen haben.
Interview: Mahindokht Mesbah