Im Schatten der Globalisierung

Die internationalen Sanktionen gegen die Islamische Republik, ihre äußerst antiisraelische Politik und der Vorwurf der Terror-Unterstützung führten zu einem Einschnitt in den Beziehungen zwischen dem Iran und Deutschland. Ambitionierte Pläne wie der Bau des Teheraner U-Bahnnetzes durch deutsche Firmen, eine enge Zusammenarbeit im Bereich der Nuklearindustrie und der Bau des ersten Atomkraftwerkes im Süden des Iran durch die Kraftwerk-Union Berlin wurden nicht mehr realisiert. Dieses Projekts wurde nach der Revolution den Russen überlassen und ist noch heute nicht vollends fertig gestellt.
Doch die Bundesregierung unternahm auch Versuche, die Islamische Republik aus der Isolation herauszuholen. 1984 reiste der damalige Außenminister Hans Dietrich Genscher als erster westlicher Diplomat nach der Revolution nach Teheran. Aber das islamische Regime scherte sich damals wenig um gute Beziehungen zum Westen und die folgenden Ereignisse ließen kaum Raum für den Ausbau der Beziehungen: die Fatwa Ayatollah Khomeinis gegen den britischen Schriftsteller Salman Rushdie wegen seines Buches „Die Satanischen Verse“ im Februar 1984, der Terroranschlag des iranischen Geheimdienstes auf iranische Oppositionelle im Berliner Restaurant „Mykonos“ 1992 und das iranische Atomprogramm, um nur die wichtigsten zu nennen.
Dennoch wurde der Handel zwischen der Islamischen Republik und der Bundesrepublik fortgeführt. Er erreichte zwar nicht den Stand der vorrevolutionären Zeit,doch gehörte Deutschland weiter zu den wichtigsten Handelspartnern des Iran. Erst in den vergangenen Jahren löste China Deutschland als ersten Handelspartner des Iran ab.
Deutsche Exporte in den Iran und Importe aus dem Iran in Mrd. Euro

Jahr 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011
Exp. 4,429 4,110 3,604 3,924 4,714 4,590 3,450
Imp. 0,462 0,410 0,583 0,593 0,538 0,347 0,415
Jahr 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018*
Exp. 2,845 2,301 2,700 2,400 2,900 3,400 2,400
Imp. 0,356 0,336 —— —— —— —— ——

* 10 Monaten (Januar-Oktober 2018)
 
Atomabkommen und Hoffnungen
Schon vor dem Atomdeal im Jahr 2015 waren zahlreiche deutsche Firmen im Iran tätig. Der Katalog von 2010 listet deutsche Großbetriebe wie Bosch, Carl Zeiss, Deutz, Degussa, KraussMaffei, Linde, Merck und Miele auf. Aber auch kleinere Unternehmen wie die Aker Wirth GmbH aus Erkelenz, die für ihre Tunnelbohrer „mit besonderer Berücksichtigung von Anwendungen bei hartem Gestein“ wirbt, oder die Firma Atlas Terex aus Delmenhorst, die unter dem Motto „Für jeden Einsatz die passende Ausrüstung“ Kranfahrzeuge anbietet – Geräte also, die das iranische Regime auch für öffentliche Hinrichtungen braucht (Welt 27.11.2011). Laut der deutschen Botschaft in Teheran hat die Deutsch-Iranische Handelskammer, die 1976 gegründet wurde, derzeit über 2.000 Mitglieder.

Ex-Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel demonstrierte seinen Respekt vor der iranischen Kultur durch einen Besuch des Bazars von Isfahan - Foto: seratnews.com
Ex-Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel demonstrierte seinen Respekt vor der iranischen Kultur durch einen Besuch des Bazars von Isfahan 

 
Der Abschluss des Atomabkommens zwischen dem Iran und den vier ständigen Mitgliedern des Uno-Sicherheitsrates und Deutschland im Juli 2015, der mit der Aufhebung der Wirtschaftssanktionen gegen den Iran verbunden war, führte zu dem Optimismus, wieder im Iran investieren zu können. Viele Vertreter ausländischer Unternehmen reisten damals in den Iran, um Investitionsmöglichkeiten auszuloten. Auch deutsche Unternehmen waren voller Hoffnung, „im größten Markt des Nahen Ostens“ investieren zu können.
So fand am 3. Mai 2016 das Deutsch-Iranische Wirtschaftsforum in Teheran statt. Vom 2. bis 4. Oktober 2016 reiste der damalige Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel in den Iran, wo er gemeinsam mit dem iranischen Wirtschafts- und Finanzminister Ali Tayebnia die 5. Sitzung der Deutsch-Iranischen Wirtschaftskommission leitete. Diese Kommission identifizierte Projekte, die für die weitere Modernisierung des Iran wichtig sind und in denen die deutsche Wirtschaft stark ist. Neben dem Maschinen- und Anlagenbau galt dies auch für die Branchen Automobilindustrie, Infrastruktur, Medizintechnik, Gesundheitswesen, Petrochemie, Energie- und Landwirtschaft.
Glaubt man iranischen Quellen, haben sich die ausländischen Investitionen im Iran seit dem Atomabkommen vervielfacht. Die Wirtschaftszeitung Donyaye Eqtesad schrieb im Oktober 2017, dass ausländische Investoren seit Juli 2015 14 Milliarden US-Dollar im Iran investiert und Verträge über Investitionen in Höhe von weiteren 86 Milliarden US-Dollar unterschrieben hätten.
Als besonders interessant für ausländische Investoren haben sich die Bereiche Chemie und Petrochemie, Stahl, Kraftfahrzeuge, Bergbau, Kunststoff- und Medizinprodukte gezeigt. Nach der Aufhebung der Wirtschafts- und Finanzsanktionen seitens der EU im Januar 2016 waren die deutschen Wirtschaftsverbände optimistisch, dass der bilaterale Handel bald weiter an Fahrt gewinnen werde. Für deutsche Unternehmen sind Exportkreditgarantien von Hermes seit Juni 2016 wieder in Kraft gesetzt.
Doch große Investitionen setzen bestimmte politische, gesetzliche und ökonomische Rahmenbedingungen voraus, die aufgrund der politischen Machtverhältnisse im Iran nicht vorhanden sind. So blieb das Interesse der Großinvestoren aus dem Ausland verhalten. Und die wenigen ausländischen Investoren, die trotz aller Unannehmlichkeiten an ihren Investitionsvorhaben im Iran festhielten, zogen sich zurück, als die USA im Sommer dieses Jahres das Atomabkommen aufkündigten und Firmen Strafen androhten, die an ihren Geschäften mit dem Iran festhalten. Trotzdem gibt es nach Aussage des geschäftsführenden Vorstandsmitglieds der Deutsch-Iranischen Handelskammer in Hamburg, Michael Tockuss, bis zu 7.000 deutsche Unternehmen, die regelmäßig mit dem Iran Handel treiben.
Revolutionsanspruch versus Wirtschaftsbeziehungen
Fortsetzung auf Seite 3