Armut trotz Ansehen – die Not der LehrerInnen

Fast eine Million Menschen im Iran sind im Schulwesen tätig. Doch trotz der gesellschaftlichen Würdigung ihrer Arbeit fristen viele LehrerInnen ein Leben am Rande der Armut. Die Hilfen vom Staat sind unzureichend. 

Der Lehrerberuf ist im Iran ein hoch angesehener. Aus diesem Grund werden iranische LehrerInnen immer wieder von der Politik für ihre Verdienste um die Gesellschaft gewürdigt. Hinter jedem prominenten iranischen Wissenschaftler stünden zahlreiche fähige LehrerInnen, die jedoch unglücklicherweise keiner kenne, sagte Anfang Mai der Staatspräsident Hassan Rouhani. Doch immer mehr Lehrkräfte sind angesichts ihrer wirtschaftlichen Not der Überzeugung, dass die Würdigung, die ihnen zuteil wird, nicht ernst gemeint ist.
Niedrige Löhne
„Die 230 Euro, die ich monatlich für meine Lehrtätigkeit erhalte, reichen vorne und hinten nicht, um ein würdiges Leben führen zu können. Die Hälfte des Geldes muss ich dafür aufwenden, Rechnungen und meine Studiengebühren zu zahlen“, sagt etwa die Lehrerin Shahla Moradi, die neben ihrem Beruf noch ein Studium aufgenommen hat, um sich weiterzubilden. So ist die 40-jährige ist auf die Unterstützung ihrer Eltern angewiesen.

"Danke, Lehrer" - Würdigung am nationalen "Tag der LehrerInnen" (2. Mai)
„Danke, Lehrer“ – Menschenformation zur Würdigung am nationalen „Tag der LehrerInnen“ (2. Mai)

„Das Lehrergehalt ist einfach zu gering, um den Lebensunterhalt zu decken“, sagt auch Baharak Sarmadi. Einen großen Teil ihres Monatslohns müsse sie dafür aufwenden, alte Kredite abzubezahlen. Um ihre Familie ausreichend versorgen zu können, müsste sie eigentlich zwei weitere Jobs annehmen, sagt die 48-Jährige.
So wie Rahmat Hamidi: Um Armut von seiner Familie abzuwenden, arbeitet der Familienvater morgens im Sekretariat einer Grundschule, bevor er ab Mittag in einer anderen Schule unterrichtet. „Ab dem späten Nachmittag arbeite ich zudem als Aufseher in einem Schwimmbad und komme oft erst kurz vor Mitternacht heim. Anders kann ich meine Familie leider nicht ernähren“, sagt Rahmati. Etwa 600 Euro benötigt eine vierköpfige Teheraner Familie, um über dem Existenzminimum leben zu können, errechneten iranische Ökonomen.
„Moderne Sklaven“
Noch größer ist die Not der Lehrkräfte ohne Festanstellung. Diese haben längere Arbeitszeiten als Festangestellte, bekommen jedoch weniger Lohn. „Lediglich 185 Euro erhalte ich pro Monat und muss dafür wöchentlich 44 Stunden arbeiten“, sagt Nasrin Ghalamzan, die in Teheran eine sechste Klasse unterrichtet. Seit elf Jahren arbeite sie schon als
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Vertretungslehrerin ohne Festanstellung, mit der ständigen Angst, von heute auf morgen ohne Job dazustehen, sagt Ghalamzan, die sich und andere Vertretungskräfte als „moderne Sklaven“ bezeichnet. „Die Verantwortlichen erwarten von uns, dass wir uns ständig weiterbilden, um Kinder und Heranwachsende auf die Herausforderungen des Lebens vorzubereiten. Dabei fehlt uns die Zeit, uns um unsere eigenen Kinder zu kümmern“, klagt Ghalamzan.
Die Haltung des Bildungsministeriums kritisiert auch der Bildungsexperte Ahmad Razavi: „Den Lehrkräften in diesem Land werden einfach keine vernünftigen Voraussetzungen geboten, um gut arbeiten zu können. Wenn man so sehr unter Druck steht, kann man keine Leistung bringen.“ Darunter leide auch die Bildung der SchülerInnen, so Razavi.
Dürftige Unterstützung
Um wenigstens die finanzielle Not iranischer Lehrkräfte etwas abzumildern, hat das Bildungsministerium zwei Kreditsysteme für die landesweit knapp eine Million Menschen entwickelt, die im Schulwesen arbeiten. So können LehrerInnen einen Kredit in Höhe von umgerechnet 600 Euro aufnehmen, der innerhalb von 20 Monaten abbezahlt werden muss. Zudem ist es ihnen möglich, mit der so genannten Sadra-Kreditkarte in ausgewählten Geschäften vergünstigt einzukaufen. Allerdings müssen dann hohe Zinsen gezahlt werden, sodass die Sadra-Karte nur begrenzt als finanzielle Hilfe angesehen werden kann.
Auch die bei iranischen LehrerInnen zunächst sehr beliebte Sozialkasse „Goldene Krankenversicherung“, die vor vier Jahren gegründet wurde, erweist sich nicht als die erhoffte finanzielle Entlastung. Das Bildungsministerium habe seit mehr als einem Jahr keine Zahlungen an die Kasse mehr geleistet, berichtete jüngst die iranische Nachrichtenagentur MEHR NEWS. Dem Bericht zufolge zahlen monatlich 900.000 MitarbeiterInnen des Schulwesens in die Kasse ein. Vereinbarungsgemäß sollte das Bildungsministerium bis zu vier Prozent der anfallenden Beiträge übernehmen. MEHR NEWS zufolge fehlen der Sozialkasse nun rund eine Milliarde Euro.
  POOYA AZADI
Aus dem Persischen: JASHAR ERFANIAN