Verwirrung in einem brisanten Todesfall
Ahmad Rezaei, der Sohn des Politikers und früheren Kommandanten der Revolutionsgarde Mohsen Rezaei , wurde heute in Teheran beerdigt. Er starb vor einer Woche in einem Hotel in Dubai. Während die dortige Polizei Selbstmord als Todesursache angibt, gehen iranische Medien von einem Mord aus. Es wird sogar ein Zusammenhang mit den Explosionen in einem Waffendepot der Revolutionsgarde Ende vergangener Woche vermutet.
Am letzten Sonntag fanden die Mitarbeiter des luxuriösen Hotels Gloria in Dubai die Leiche eines jungen Mannes in seinem Zimmer im 18. Stock. Die Polizei identifizierte ihn als „US-amerikanischen Geschäftsmann“ namens Tom Anderson. Iranische Medien berichteten kurz darauf jedoch, dass es sich beim toten Mann um den 30-jährigen Ahmad Rezaei, den ältesten Sohn des ehemaligen Kommandanten der iranischen Revolutionsgarde und jetzigen Mitglieds des Schlichtungsrats, Mohsen Rezaei, handele. Ahmad war 1998 in die USA emigriert und hatte in Interviews mit westlichen Medien wiederholt starke Kritik am iranischen Regime geübt. So hatte er etwa Ajatollah Chamenei, dem Führer der Islamischen Republik, vorgeworfen, für die so genannten „Kettenmorde“, die in den 90her Jahren an Politikern und Intellektuellen verübt wurden, verantwortlich zu sein.
2005 war Ahmad Rezaei allerdings in den Iran zurückgekehrt, ohne dort verfolgt zu werden. Sein Vater rechtfertigte die Äußerungen seines Sohns, indem er ihn als „krank“ bezeichnete und behauptete, dass sein Sohn durch Amerikaner „verführt“ worden sei.
Kurz nach den umstrittenen Präsidentschaftswahlen von 2009, bei denen Mohsen Rezaei als Gegenkandidat von Präsident Mahmud Ahmadinedschad angetreten war, verließ Ahmad den Iran und ging ein weiteres Mal in die USA. Laut der Dubaier Polizei soll er sich jedoch in den vergangenen vier Monaten in Dubai und seit zwei Monaten im Hotel Gloria aufgehalten haben, wo seine Leiche am Samstag gefunden wurde.
Mord oder Selbstmord?
Während die dortigen Ermittler bisher jeden Verdacht auf einen Mord ablehnen, bezeichnen iranische Medien den Tod von Ahmad Rezaei als „verdächtig“ und stellen diverse Thesen darüber auf. Der erste Zweifel an der Selbstmordtheorie kam von der Nachrichtenwebseite „Tabnak“, die dem Vater des Toten nahesteht. Sie schrieb am Sonntag: „Gleichzeitig mit dem Märtyrertod einiger Kampfkameraden von Mohsen Rezaei ist sein Sohn auf verdächtige Art und Weise gestorben.“ Damit stellt Tabnak einen Zusammenhang zwischen dem Tod von Ahmad Rezaei und den Explosionen her, die am vergangenen Samstag eine Militärbasis der Revolutionsgarde nahe von Teheran erschütterten. Von der iranischen Regierung als „Unfall“ bezeichnet, wurden sie von einigen westlichen Medien dem israelischen Geheimdienst Mossad zugeschrieben. Dass Mohsen Rezaei von Interpol und der argentinischen Justiz als möglicher Drahtzieher eines Bombenanschlags auf das jüdische Kulturzentrum AMIA in Buenos Aires im Jahr 1994 gesucht wird, soll bei der Aufstellung der These von Tabnak eine Rolle gespielt haben.
„Parallelen zum Tod vom Hamas-Funktionär“
Die Tabnak-These bot Futter für weitere Verschwörungstheorien. So berichtete die halbstaatliche iranische Nachrichtenagentur Mehr später, dass Ahmad Rezaei durch einen „starken Elektroschock“ gestorben sei. Diese Vermutung stellt eine Verbindung zu dem Mord an dem Hamas-Funktionär Mahmud al-Mabhuh her, der im Januar 2010 in seinem Hotelzimmer in Dubai durch Mossad-Agenten ermordet worden sein soll. Mabhuh war erst durch Elektroschocks betäubt und dann erstickt worden. Eine andere iranische Nachrichtenseite, Ammariun, macht ganz direkt „Mossad-Elemente“ für den „Mord“ an Ahmad Rezaei verantwortlich.
Dschahan-News, eine Nachrichtenseite iranischer Konservativer, stellt eine andere These auf. Sie behauptet, der Sohn von Mohsen Rezaei habe als „Informant“ für gewisse „Institutionen innerhalb des Iran“ gearbeitet und sie mit Informationen über die Gegner der Islamischen Republik beliefert. Daher sei er „höchstwahrscheinlich“ von der Opposition ermordet worden, so Dschahan-News.
Einstimmig heißt es in iranischen Medien, dass die Leiche Ahmad Rezaeis drei Tage lang in dem Hotelzimmer gelegen habe. Dass die Reinigungskräfte sie bei ihrer täglichen Arbeit nicht entdeckt hätten, dient als weiterer Beweis dafür, dass es sich um eine Verschwörung handele. Internationale und lokale Nachrichtenagenturen widersprechen dieser Behauptung der Iraner jedoch. Unter Berufung auf die Dubaier Polizei heißt es bei ihnen, dass Hotelmitarbeiter die Leiche des jungen Mannes bereits zwölf Stunden nach seinem Tod gefunden hätten.
„Aussagen der Dubaier Polizei widersprüchlich“
Die örtliche Polizei ging bisher von einem Selbstmord aus. Aktuell heißt es, dass Ahmad Rezaei an einer Überdosis eines Anti-Depressions- und Schizophrenie-Medikaments gestorben sei. Dies liefert iranischen Medien Grund für einen zusätzlichen Verdacht. Abolfasl Hasanbeiki, den iranische Medien als „nahen Verwandten“ von Rezaeis Familie zitieren, bezeichnete in einem Interview mit der iranischen Nachrichtenseite Mashregh die Aussagen der Dubaier Beamten als „widersprüchlich“. Er sagt: „Ahmad Rezaei ist das Opfer einer Verschwörung ausländischer Geheimdienste geworden.“ Hasanbeiki weist dabei auf „drei Schnitte“ an einem Handgelenk von Ahmad Rezaei hin. Da kein Blut im Hotelzimmer gefunden worden sei, sei davon auszugehen, dass das Herz des Toten vor dem Durchschneiden der Pulsader am Handgelenk zum Stillstand gekommen sei: „Wahrscheinlich durch einen Elektroschock“, so Hasanbeikis Vermutung. Es gebe zudem Nähte auf Ahmads Handflächen, die von der Dubaier Gerichtsmedizin stammten. Sie zeugten davon, dass der totbringende Schock an den Händen durchgeführt worden sei. Die Schnitte an Handgelenk des Toten seien post mortem verursacht worden, um die Ermittler „in die Irre zu führen“, resümiert Hasanbeiki.
Am Freitag traf Ahmad Rezaeis Leiche in Teheran ein, und iranische Gerichtsmediziner konnten sich selbst direkte Eindrücke verschaffen. Doch bis zu seinem Begräbnis am Samstag wurden keine weiteren Details über den Tod des 35Jährigen bekannt gegeben. Und auch die iranische Regierung hat sich bislang nicht offiziell zu dem Vorfall geäußert.