Hinhaltetaktik durch „Sabotage-Diplomatie“?

 Über den Inhalt des Schreibens von US-Präsident Donald Trump an das iranische Staatsoberhaupt Ayatollah Ali Khamenei gibt es bisher keine Informationen. Es wird vermutet, in der vom japanischen Ministerpräsidenten mitgebrachten Botschaft Trumps an Revolutionsführer Khamenei hätten die USA versprochen, keinen Regime Change im Sinn zu haben. Dem Iran soll sogar eine gewisse Führungsrolle in der Region zugestanden worden sein. Den USA ginge es ausschließlich um die Verhinderung der Bewaffnung des Iran mit Atombomben und die Sicherheit Israels. Den Hinweis von Abe, dass die Vereinigten Staaten zu ehrlichen Verhandlungen mit dem Iran bereit seien, überging Khamenei mit deutlichen Äußerungen: „Wir glauben das nicht, weil ehrliche Verhandlungen von einer Person wie Trump überhaupt nicht geführt werden könnten. Unsere Probleme mit den Vereinigten Staaten werden nicht durch Verhandlungen gelöst.“ Trump lüge, wenn er behaupte, keinen Regime Change im Iran zu wollen. Er lüge, weil er genau das umsetzen würde, wenn er könnte. Trump sei einer Antwort nicht würdig. Die Erfahrungen früherer Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten bezeichnete Khamenei als „bitter“. Solche Gespräche dürften überhaupt nicht wiederholt werden. Unter Druck und Sanktionen verhandele er nicht.
Warten auf ein Wunder?
Nachdem die Vermittlungsversuche des deutschen Außenministers Heiko Maas und des Japaners Shinzo Abe zu keinen Ergebnissen geführt haben, bleibt die Frage nach der Alternative. Diese wird Shinzo Abe auch Ayatollah Khamenei gestellt haben. Eine Antwort hat er aber bestimmt nicht bekommen, höchstens vielleicht ein „das werden wir sehen“.
Aber das, was gesehen werden soll, wird sicher nicht bald gesehen werden. Den Mehrfronten-Kleinkrieg gegen die Interessen der regionalen Ölexporteure werden der „Revolutionsführer“ und seine Revolutionswächterarmee fortführen, ohne eine bestimmte Grenze zu überschreiten. Im Verhältnis zu den USA soll Zeit gewonnen werden. Der Iran verfügte zu Beginn des Jahres 2019 über eine Devisenreserve von etwa 90 Milliarden Dollar. Ein Teil davon wird wohl für die Versorgung der von zerstörerischen Überschwemmungen heimgesuchten Bevölkerung verbraucht worden sein. Für dringende Staatsaufgaben werden 15 bis 20 Mrd. Dollar benötigt. 16  bis 18 Milliarden braucht man für Importe von Lebensmitteln, Halbfertigwaren, Medikamenten und sonstigen medizinischen Erzeugnissen. Durch Manipulation der Devisenwerte konnte dieser Bedarf auf 14 Mrd. Dollar herabstuft werden.

Bundesaußenminister Heiko Maas und sein iranischer Amtskollege M. Javad Zarif beantworten die Fragen der Journalisten in Teheran - Foto: irdiplomacy.ir
Bundesaußenminister Heiko Maas und sein iranischer Amtskollege M. Javad Zarif beantworten die Fragen der Journalisten in Teheran – Foto: irdiplomacy.ir

 
Als Einkommensquelle könnte das Land täglich etwa 200.000 Barrel Öl über seine nicht von Radaren erfassbaren „Geistertanker“, die von Hafen zu Hafen mit passenden Papieren versehen werden, verkaufen. Das wird aber seinen Bedarf an Importen nicht decken. Dazu müssten 700.000 bis 800.000 Barrel Öl täglich verkauft werden, was angesichts der US-Sanktionen nicht möglich sein wird. Die Hoffnung, dass Russland und China sich dem Instex (Instrument in Support of Trade Exchanges), einem EU-Finanzkonstrukt für die Umgehung der US-Embargos im Handel mit dem Iran, anschließen und so den Wert des iranisches Öls mit Waren begleichen könnten, wird von der Fachwelt als illusorisch bezeichnet. Bleibt der Rest der genannten Devisenreserven, die das Land zusammen mit „illegalen“ Exporten noch eineinhalb Jahre mit dem Nötigsten versorgen könnten.
Ayatollah Khamenei spielt daher auf Zeit. Seine mögliche Strategie: die USA und ihre Verbündeten mit kleinkriegerischen Auseinandersetzungen unterhalb der Schwelle eines Großkrieges zu beschäftigen. Dann kommen die Vorwahlen zur US-Präsidentschaft. In dieser Situation könnte die iranische Führung unter wesentlich günstigeren Bedingungen mit den USA verhandeln, denn Trump wird für seine Wiederwahl Erfolge vorweisen müssen und wird sie nicht durch einen regulären – wenn auch begrenzten – Krieg gegen den Iran schmälern wollen.
Offen bleibt die Frage, ob die iranische Bevölkerung die zu erwartende Verschärfung der desolaten Wirtschaftslage, der Inflation, der Arbeitslosigkeit und der Korruption hinnehmen und nicht den Aufstand proben wird. Präsident Rouhani hatte nach dem Erfolg der Atomverhandlungen der Bevölkerung zugerufen: „Wir werden für die Lösung unserer Probleme mit der Welt und im eigenen Land noch grundlegendere Verträge innerhalb und außerhalb des Landes benötigen.“ Den „Vertrag“ mit den eigenen Bürger*innen haben die Hardliner des Landes nie dulden wollen. Nun verbietet der Revolutionsführer Verhandlungen und Verträge mit dem Erzfeind USA, auch die EU-Länder werden als unsichere Kandidaten eingestuft, die ihren vertraglichen Verpflichtungen nicht nachkommen und den USA in die Hände spielen.
Am Ende bleibt noch zu hoffen, dass die iranischen Bevölkerung selbst einen demokratischen und auf Friedenssicherung gerichteten Ausweg aus dieser verfahrenen Situation findet und der ideologischen, konfrontativ definierten Außen- und Innenpolitik der Herrschenden Grenzen setzt.♦
Zur Person: Dr. MEHRAN BARATI  ist einer der exponierten Oppositionellen aus dem Iran. Er ist regelmäßiger unabhängiger Analyst auf BBC und gilt als Experte für internationale Beziehungen.
© Iran Journal

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