Das Ende der deutschen Iran-Euphorie

Vielleicht sollten die Deutschen beim Irangeschäft ähnlich vorgehen wie die Franzosen, sagt der enttäuschte Manager und fügt hinzu: „Schauen Sie sich doch an, wie sich Frankreich auf dem iranischen Automobil- und Ölmarkt bewegt!“
Französische Autobauer beherrschen in der Tat bereits den iranischen Automarkt. Renault etwa hat im Iran im ersten Quartal 2017 einen noch nie dagewesenen Umsatzanstieg von 161,5 Prozent erreicht und in dieser Zeit 38.020 Fahrzeuge verkauft. Und der Autokonzern will weiter wachsen. Nach einem neuen Vertrag will Renault in Teheran eine Fabrik bauen. Dadurch soll die Zahl der verkauften Renaults im Iran auf 350.000 Fahrzeuge pro Jahr steigen.
Noch spektakulärer ist der Einstieg Frankreichs in die iranische Öl- und Gasindustrie. Der französische Ölkonzern Total ist als erster Energiekonzern aus dem Westen in den Iran zurückgekehrt. Anfang Juli vereinbarte Total mit dem Iran einen Großauftrag in Höhe von rund 4,2 Milliarden Euro. Der Energieriese und seine iranischen und chinesischen Projektpartner sollen das riesige South-Pars-Gasfeld weiter erschließen.
Wie machen sie das, wie regeln sie die Finanzierung, fürchten die Franzosen nicht hohe Geldstrafen aus Amerika? Doch auch Frankreich kennt all das nur zu gut. Die französische Großbank PNB Paribas musste 2014 wegen langjähriger Verstöße gegen US-Sanktionen 8,97 Milliarden Dollar zahlen. Doch Frankreichs Handelspolitik lässt sich kaum mit der deutschen vergleichen.
Ex-Kolonialmacht auf zwielichtigen Märkten
Als ehemalige Kolonialmacht besitzt Frankreich genug Erfahrung, um mit den schwierigen Märkten dieser Welt umzugehen. Dafür hat man entsprechende Finanzinstitute, die sich ausschließlich darauf spezialisiert haben – fern von den US-Aufsichtsbehörden. Transaktionen zwischen dem Iran und Frankreich bleiben zwar geheim, doch es tauchen regelmäßig die Namen regionaler Sparkassen oder kleiner Geldinstitute wie etwa der Banque Wormser oder Delub auf. Wormser betont auf ihrer Webseite ihre Unabhängigkeit und rühmt sich, „auf den schwierigen Märkten“ dieser Welt präsent zu sein – eine „Banque familiale et indépendante“.
Eine solche Bankenlandschaft gibt es in Deutschland nicht. Nur Sparkassen bieten derzeit bei Iran-Geschäften vereinzelt Finanzierungen und Zahlungsverkehr an, die genossenschaftliche DZ-Bank wickelt zumindest kleine Zahlungen ab. Aber damit lassen sich keine deutschen Großprojekte im Iran finanzieren. Auch für den Mittelstand ist der Iran ein schwieriger Markt. Schaut sich ein Mittelständler die Ratschläge an, die ihm Rechtsanwälte und Wirtschaftsberater erteilen, wenn er es wagt, ins Irangeschäft einzusteigen, dann schreckt er zurück. Ein Beispiel.

Foto: yjc.ir
Der französische Energiekonzern Total vereinbarte mit dem Iran einen Großauftrag in Höhe von rund 4,2 Milliarden Euro – Foto: yjc.ir

 
Kriminalistische Recherche notwendig
Der deutsche Exporttag empfiehlt jedem deutschen Exporteur, der Geschäfte mit dem Iran in Erwägung zieht, folgende Schritte:
„1. Prüfen Sie den rechtlichen Rahmen, auf dem Ihr Complianceprogramm zur Geldwäschebekämpfung beruht.“ (Mit anderen Worten: Klären Sie vorher, ob Ihr iranischer Geschäftspartner nicht möglicherweise gegen US-Richtlinien zur Geldwäsche verstößt.)
„2. Stellen Sie sicher, dass Ihr AML-Screeningfilter auf dem neuesten Stand ist: Statt eine länderbasierte Screeningmethode anzuwenden, werden Banken einzelne Individuen prüfen müssen.“ (AML steht für Anti Money Laundrening, also Aktionen gegen Geldwäsche.)
„Seien Sie darauf vorbereitet, häufiger Checks durchführen zu müssen: Mit der Änderung des geopolitischen Klimas und neuen Rollen der handelnden Parteien wird es nach wie vor Modifikationen im iranischen Sanktionsprogramm geben.“
So mühsam hatte sich die deutsche Wirtschaft das Iran-Geschäft nicht vorgestellt.
Der Traum war kurz
Doch die anfängliche deutsche Iran-Euphorie war nicht viel mehr als ein sehr kurzer Traum. Man musste sich mit einem bescheidenen Wachstum zufriedengeben. Der deutsche Export stieg um 26 Prozent auf 2,6 Milliarden Euro. Das sind gerade mal 300 Millionen mehr als 2014, auf dem Höhepunkt der Sanktionen. Dabei waren die Deutschen einst auch im Iran Export- und Importmeister und die deutsch-iranischen Wirtschaftsbeziehungen so eng, dass fast die Hälfte der industriellen Infrastruktur des Iran aus deutscher Produktion kam. Doch das ist Geschichte. Und ob sich diese wiederholt, scheint fraglich. Längst bestimmen die Chinesen im Iran den Markt.
Rouhani wird in wenigen Tagen seine zweite Amtszeit beginnen und langsam beginnen auch die deutschen Manager wieder Hoffnung zu schöpfen. In diesen Tagen nähert sich der VW-Konzern mit gemessenem Schritt dem iranischen Markt. Ab August werde der iranische Partner Mammut Khodro die Automodelle Tiguan und Passat importieren, teilte Volkswagen Anfang Juli mit. Acht Händler sollen die Autos zunächst vor allem im Raum Teheran verkaufen. Der Autobauer knüpft damit an eine lange Tradition an: Bereits in den Fünfzigerjahren war die Marke mit dem Käfer im iranischen Straßenbild präsent. Es folgten der Bulli in den Sechzigern und der Golf in den Neunzigerjahren. Im Jahr 2000 zog VW sich dann vollständig aus dem Iran zurück. Nach dem Neustart soll der Markt nun schrittweise erschlossen werden. Der Konzern verweist auf Prognosen der iranischen Regierung, die mittel- bis langfristig drei Millionen Neuzulassungen pro Jahr erwartet.
Doch ob es je so sein wird, ist ungewiss. Präsident Rouhani wünscht sich das jedenfalls sehr. Denn er muss seinen Landsleuten endlich Früchte seiner Annäherung an den Westen vorzeigen können. Bessere Geschäfte mit Deutschland brächten ihm eine Entlastung im Inneren. Denn seine Gegner, an deren Spitze Revolutionsführer Ali Khamenei und die Revolutionsgarden stehen, ziehen Russland und China vor. Auch Deutschland ist ihnen nicht geheuer, wie ausgezeichnet dessen Ruf im Iran auch sein mag.
ALI SADRZADEH
Quellen:
die-bank.de , banquewormser.com , delubac.com , carefusion.de , roedl.de , exportmanager-online.de , hamshahrionline.ir
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