Im Jammertal der Verlierer: Khameneis verlorenes Atomspiel

Ahmadinedschad sagte, seiner Ansicht nach sei Irans Nuklearfrage geklärt, die Akte seines Landes werde vom UN-Sicherheitsrat an die Internationale Atomagentur in Wien zurückverwiesen. Das iranische Nuklearproblem sei als beendet anzusehen. Das alles sagte er wohl wissend, dass zwei Monate zuvor der UN-Sicherheitsrat seine erste Resolution gegen das iranische Atomprogramm verabschiedet hatte, der drei Monate später eine weitere Resolution folgte, die die erste Serie von Sanktionen gegen den Iran beinhaltete.

Die Iraner wollen aber ihre militärische Verteidigungspolitik nicht als Verhandlungsgegenstand der Atomgespräche sehen
Die Sanktionen gegen das Raketenprogramm des Iran sind immer noch in Kraft und verh

Mit dieser Rede vor der Vollversammlung der UN hatte Ahmadinedschad den eigentlichen Verhandlungsführer in Atomsachen, Ali Larijani, einfach ausgetrickst. Es war nach vielen Gesprächen über das Paketangebot der USA und EU vorgesehen, dass Larijani in New York eine endgültige Einigung mit den Außenministern der Gruppe 5+1 (bestehend aus den fünf ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats und Deutschland) vereinbart und diese vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen verkündet.
Dass die Reise Larijanis nach New York ausgesetzt und an seiner Stelle Ahmadinedschad die iranische Position vor den Vereinten Nationen zur Sprache brachte, kann nur mit Zustimmung Khameneis stattgefunden haben. Der „Revolutionsführer“ hielt schon immer alle Angebote des Westen für einen Trick, um die Entwicklung einer eigenen unabhängigen iranischen Atomindustrie mit allen Folgeindustrien zu verhindern. Der klügere konservative Larijani wurde anschließend aus dem Amt vertrieben, um den willigen Said Jalili an seine Stelle zu setzen. Dieser folgte widerspruchslos Khamenei und Ahmadinedschad.

Die Wirtschaft ruiniert

Nun kann Khamenei noch tausend Mal über die aufgebürdeten hohen Kosten der jetzigen Einigung jammern und sein Volk um Geduld bitten: In Wien hat er alles geben müssen, um fast nichts zu bekommen. Hätte er wenige Jahre zuvor die prekäre Lage Georg Bushs richtig eingeschätzt und sein großzügiges Angebot angenommen, wären dem Land und seiner Wirtschaft nicht nur die bis heute über 700 Milliarden Dollar Verluste erspart geblieben.
Die iranische Wirtschaft liegt zehn Jahre nach Khameneis Einigungsverweigerung am Boden. Der Wert der iranischen Währung sinkt, die Häfen sind veraltet und können die Kapazität der Aus- und Einfuhren nicht bewältigen. Über 120.000 Produkte sind nicht standardisiert, die entsprechenden Industrien können nicht miteinander kommunizieren, der Staat kann sein Budget nicht aus dem selbst Erwirtschafteten decken, sondern leiht sich ständig Geld bei der Zentralbank und Privatbanken, um Gehälter, Subventionen und die dringendsten Ausgaben zu finanzieren. Die meisten Industriebereiche liegen wegen des embargobedingten Mangels an Produktionsbestandteilen immer noch lahm. Das inländische Kapital wandert in den spekulativen Boden- und Baubereich. Die industriellen Investitionen gehen dagegen ständig zurück. 19 Prozent aller Fabriken haben ihren Betrieb komplett eingestellt, der Rest arbeitet mit einer Kapazität von 30 bis 45 Prozent. Ihnen fehlt es an Bargeld. Die Bankzinsen sind so hoch, dass die Produzenten sie auf dem Markt nicht durch Preise abfangen können. Die in iranischen Häfen gelöschten Waren, immerhin für ein Volk von 80 Millionen, betragen weniger als ein Viertel dessen, was in kleinen arabischen Emiraten mit nicht einmal zwei Millionen Bevölkerung ins Land geht. In dieser Lage ging das iranische Erdöleinkommen um 60 Prozent zurück.
Hätte Khamenei sich mit Präsident Bush in seiner irakischen Notlage geeinigt, ginge es den IranerInnen heute besser denn je. Doch Khamenei konnte es nicht lassen. Er muss seine politischen und militärischen Ambitionen in Syrien, Jemen, Irak und so fort befriedigen. Nun fehlt ihm dafür jedoch das Geld. Hoffen wir auf seine Einsicht im Jammertal der Tränen.

  MEHRAN BARATI*

Dr. Mehran Barati ist einer der exponierten Oppositionellen aus dem Iran. Er ist regelmäßiger unabhängiger Analyst auf BBC Persian und VOA (Voice of America) Persian und gilt als Experte für internationale Beziehungen.
 
 
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