Die deutsche Außenpolitik im Atomkonflikt

Nach der Bundestagswahl 2009 hatte Deutschland eine neue Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP. Frank-Walter Steinmeier wurde im Oktober aus seinem Amt als Bundesaußenminister entlassen. Bis zum Ende seiner Amtszeit fanden weitere Gespräche mit Teheran statt. Am 28. Oktober 2009 wurde Guido Westerwelle (FDP) im zweiten Kabinett von Bundeskanzlerin Angela Merkel als Nachfolger Steinmeiers vereidigt. Am 25.11.2009 erklärte Westerwelle nach einem Treffen mit dem scheidenden Chef der Internationalen Atomenergiebehörde, Mohammad Al Baradei, vor der Presse in Wien: „Eine atomare Bewaffnung des Iran ist keine Option, die wir akzeptieren können.“ Wenn es weiterhin keine Fortschritte durch Verhandlungen und Dialog gebe, könnten weitere Strafmaßnahmen durch den UNO-Sicherheitsrat nicht ausgeschlossen werden. Inzwischen hatten sich die fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats und Deutschland auf eine neue Resolution gegen Teheran geeinigt. Darin sollte der Iran wegen der Verheimlichung seiner zweiten Uran-Anreicherungsanlage verurteilt werden. Westerwelle beschuldigte die Islamische Republik, unter dem Deckmantel der zivilen Nutzung der Kernkraft an der Entwicklung von Atomwaffen zu arbeiten. Man werde mit den Vereinten Nationen die Ausweitung von Sanktionen beschließen.
Iran, der „Atomstaat“
Ahmadinedschad hatte sein Land zuvor nach der ersten Produktion hoch angereicherten Urans zum „Atomstaat“ erklärt. Trotz erweiterter Sanktionen des UN-Sicherheitsrates zeigte die iranische Regierung keine Kompromissbereitschaft. Im Juli 2010 verhängten die EU-Länder die bislang schärfsten Sanktionen gegen den Iran. Außenminister Westerwelle zeigte sich zuversichtlich, dass die Sanktionen diesmal nicht wie in der Vergangenheit verpuffen würden: „Sie werden nicht ohne Wirkung bleiben.“ Die Hoffnung der iranischen Regierung auf eine mäßigende Wirkung Deutschlands erfüllte sich nicht. Westerwelle brachte in seiner Rede auf der 49. Münchner Sicherheitskonferenz am 2. Februar 2013 die Hoffnung zum Ausdruck, dass die von US-Vizepräsident Joe Biden auf der Konferenz bekräftigte Bereitschaft zu substanziellen Verhandlungen über das iranische Nuklearprogramm von der iranischen Führung aufgegriffen werde. Die Ankündigung eines beschleunigten Ausbaus der Urananreicherung wäre in diesem Zusammenhang ein falsches Signal. Im Iran war die Wirkung des Embargos von Öl und Ölprodukten sofort spürbar. Nach mehr als einem Jahr Unterbrechung wurden die Gespräche zwischen den Vetomächten im UN-Sicherheitsrat plus Deutschland und dem Iran wieder aufgenommen. Das Ende der Amtszeit des ideologisch radikalen Präsidenten Ahmadinedschad war von der Hoffnung begleitet, der Wahlsieg seines als moderat geltenden Nachfolgers Hassan Rouhani werde einen Ausweg aus der aussichtslosen Lage ermöglichen. Im August 2013 trat Rouhani sein Amt an. Kaum drei Monate später mündeten im November 2013 neue Verhandlungen in Genf in eine Übergangslösung. Dem Iran wurde vorgeschlagen, sein Atomprogramm zunächst für sechs Monate zu stoppen. Dafür würden erste Sanktionen gelockert werden.

Frank Walter Seinmeier bei seinem Treffen mit dem iranischen Präsidenten Hassan Rouhani in Teheran
Frank Walter Seinmeier bei seinem Treffen mit dem iranischen Präsidenten Hassan Rouhani in Teheran

 
Von Westerwelle wieder zu Steinmeier
Nach den Bundestagswahlen 2013 nahm wieder eine große Koalition von CDU/CSU und SPD die Regierungsgeschäfte auf. Am 17. Dezember 2013 übernahm Frank-Walter Steinmeier zum zweiten Mal die Führung des Auswärtigen Amtes. Am 25. September 2014 traf er sich am Rande der UN-Vollversammlung in New York mit Hassan Rouhani und forderte von ihm eine zügige Lösung des Atomstreits. Die Verhandlungen dürften angesichts der vielen Krisenherde im Nahen Osten nicht mehr scheitern. Die am 14. November 2014 in Wien begonnene neue Gesprächsrunde scheiterte, die Verhandlungen gingen dennoch weiter. Im März 2015 schien eine Lösung näher zu rücken. Die Verhandlungen in Wien über ein endgültiges Abkommen traten im Juni 2015 mit Vermittlung von Steinmeier in die entscheidende Phase. Am 17.07.2015 einigten sich die Vetomächte und Deutschland dann nach 13 Jahren auf ein Atomabkommen mit dem Iran. Mit der Unterzeichnung des so genannten „Gemeinsamen Umfassenden Aktionsplans“ wurde das wohl wichtigste Ereignis in der diplomatischen Karriere von Frank-Walter Steinmeier zu einem erfolgreichen Ende geführt. Am 20.07.2015 billigte der Sicherheitsrat mit der Resolution 2331 den „Gemeinsamen Umfassenden Aktionsplan“ zum Nuklearprogramm des Iran.
Sigmar Gabriel als Wirtschaftsminister
Das Atomabkommen trat im Januar 2016 offiziell in Kraft. Seine Realisierung lief jedoch von Anfang an nicht reibungslos. Die internationalen Banken trauten dem Abkommen nicht und vermieden aus Angst vor den US-Sanktionen weiterhin Geschäftsverbindungen mit dem Iran. Das hinderte jedoch die Wirtschaftsvertreter der EU-Länder nicht daran, in großen Delegationen den Iran zu besuchen, um sich künftige Aufträge zu sichern. Schon zwei Tage nach der Einigung mit dem Iran reiste der deutsche Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) am 19. Juli 2015 in den Iran, begleitet von Wirtschafts- und Wissenschaftsvertretern. Und bereits am 2. April 2016 kam er zum zweiten Mal nach Teheran. Gabriel war sich der Brisanz der deutsch-iranischen Wirtschaftsbeziehungen Israel betreffend durchaus bewusst. „Für Deutschland muss klar sein: Wer immer mit uns nachhaltige Beziehungen hat, der kann nicht das Existenzrecht Israels politisch in Frage stellen“, sagte er in Teheran. Die früher eng mit dem Iran verbundene deutsche Wirtschaft hoffte dennoch auf milliardenschwere Neuaufträge. Am 4. Oktober 2016 unternahm der Wirtschaftsminister eine dritte Reise in den Iran, die jedoch mit einem Eklat endete. Gabriel verärgerte die iranische Regierung mit seinen Aussagen zu Israel, Menschenrechten und dem Krieg in Syrien. Es gab keine Treffen mit Präsident Rouhani und Außenminister Mohammed Javad Zarif. Auch ein geplantes Treffen mit Parlamentspräsident Ali Laridjani wurde abgesagt. Der deutsche Wirtschaftsminister kehrte enttäuscht zurück.
Gabriel als Außenminister und danach
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