Die deutsche Außenpolitik im Atomkonflikt

Mit dem Ende der rot-grünen Koalition im Sommer 2005 und der Wahl der neuen Bundesregierung im November des Jahres wurde Frank-Walter Steinmeier (SPD) Außenminister der großen Koalition von CDU und SPD. Während der Kanzlerschaft Gerhard Schröders (SPD) unter der rot-grünen Regierung war Steinmeier Chef des Kanzleramts. In dieser Funktion koordinierte er die Politik zwischen dem Kanzler und seinem Außenminister. Mit dem Ende der Amtszeit Joschka Fischers war Steinmeier als Außenminister am besten berufen, die Politik seines Vorgängers fortzusetzen. Der Besuch der EU-3 im Oktober 2003 in Teheran hatte zwar dazu geführt, dass der Iran die Anreicherung von Uran und die Wiederaufbereitung von Brennstäben aussetzte, das Zusatzprotokoll zum Atomwaffensperrvertrag unterzeichnete und den Inspekteuren der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA) uneingeschränkten Zugang zu allen Atomanlagen des Landes erlaubte. Am Ende blieben jedoch die Ergebnisse nicht  haltbar. Der Iran nahm seine Anlage zur Uranumwandlung in Isfahan wieder in Betrieb.
Ahmadinedschad und der Atomkonflikt
Inzwischen war Mahmud Ahmadinedschad am 3. August 2005 zum iranischen Staatspräsidenten gewählt worden (er amtierte bis 3. August 2013). Diese Wahl hatte den Atomkonflikt mehr denn je verschärft. Am 6. Juni hatte der Chef-Diplomat der EU, Javier Solana, der iranischen Regierung das gemeinsame Verhandlungsangebot der EU, der USA, Chinas und Russlands übermittelt, um den Iranern den Rückweg zum Verhandlungstisch zu öffnen. Eine Kombination aus Anreizen und Drohungen sollte den Iran zum Stopp seiner Urananreicherung bewegen. In der Bundestagsdebatte über den Etat seines Ministeriums bedauerte Steinmeier, noch keine Antwort des Iran auf das Verhandlungspaket bekommen zu haben. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) brachte erneut ihre Hoffnung zum Ausdruck: „Ich hoffe, dass hier die Vernunft wirklich siegt“, sagte sie.

In der Zeit der Präsidentschaft von Mahmoud Ahmadinedschad (re.) hat sich der Atomkonflikt mehr denn je verschärft!
In der Zeit der Präsidentschaft von Mahmoud Ahmadinedschad (re.) hat sich der Atomkonflikt mehr denn je verschärft!

 
Die Außenexpertin der Grünen, Kerstin Müller, sagte bei dieser Debatte: „Das ist die letzte Chance für den Iran.“ Bis zum 22. August 2006 lag noch keine Antwort Ahmadinedschads vor. Der FDP-Fraktionsvize Werner Hoyer befürwortete die Schritte Steinmeiers, meinte jedoch: „Steinmeier muss in dem Gespräch deutlich machen, dass die Antwort Irans nicht ewig auf sich warten lassen kann. Wenn Teheran das Angebot einfach ausschlagen sollte, muss die Antwort der internationalen Staatengemeinschaft genauso geschlossen erfolgen.“ 2006 nahm die Regierung Ahmadinedschad die Urananreicherung wieder vollständig auf und setzte die Anwendung des Zusatzprotokolls aus. Der UN-Sicherheitsrat verhängt am 31.07.2006 erste Sanktionen gegen Teheran. Am 23.12.2006 folgen weitere Strafmaßnahmen.
Steinmeiers ruhige Gangart und die Unruhe der Amerikaner
Während die US-Regierung zu diesem Zeitpunkt den Versuch unternahm,  Berlin, Paris und London auf Sanktionen gegen den Iran zu verpflichten, orientierten sich diese an einem Katalog von kleineren Strafmaßnahmen, den die westlichen Regierungen im Juli 2006 gemeinsam mit China und Russland aufgestellt hatten. Die Regierung in Deutschland versuchte, Druck herauszunehmen. Aber das Drängen der Amerikaner beunruhigte die Deutschen, die für eine ruhigere Gangart warben. Steinmeier geriet unterdessen auch innerparteilich unter Druck. Präsidiumsmitglied Martin Schulz (SPD) gab seinen Protest offen zu Protokoll: Wegen Chinas und Russlands Ablehnung werde es „die erforderliche Mehrheit im Sicherheitsrat nicht geben“. Am Ende war der Druck der Amerikaner doch wirksam, die EU setzte dem Iran schließlich nur eine kurze Frist, um der Forderung des UN-Sicherheitsrats nach Aussetzung der Uran-Anreicherung nachzukommen.
Der Iran hatte inzwischen die vom UN-Sicherheitsrat gesetzte Frist zur Aussetzung der Urananreicherung auslaufen lassen, ohne der Forderung nachzukommen. Die CDU/CSU setzte weiterhin auf eine Verhandlungslösung. Den Iranern sollte eine Möglichkeit gelassen werden, ihr Gesicht zu wahren, damit sie wieder an den Verhandlungstisch zurückkehren. Die iranische Seite führte immer wieder Gespräche mit den Deutschen und den Franzosen, ohne jedoch auf die Forderungen der EU-Länder einzugehen. In dieser Situation wuchs unter den deutschen Parlamentariern dennoch die Sorge um einen militärischen Angriff der Amerikaner auf bestimmte militärische Positionen und atomare Anlagen des Iran. Am 30. Januar 2007 brachten mehrere Abgeordnete der Fraktion Die Linke mit der Drucksache 16/4202 folgenden Antrag zur Beschlussfassung in den Bundestag ein: „Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf sicherzustellen, dass die Nutzung von US-Militärbasen und anderer militärischer Einrichtungen in der Bundesrepublik Deutschland sowie des deutschen Luftraums für militärische Angriffe auf den Iran nicht erfolgt“. Anfang August 2008 berieten sich die Außenminister der EU-Staaten bei einer Telefonkonferenz über den Atomkonflikt. Dabei wurden beschlossen, dem Iran für seinen Verzicht auf die Urananreicherung politische und wirtschaftliche Anreize mit dem Ziel anzubieten, eine politische Lösung auf dem Verhandlungsweg zu ermöglichen. Die Iraner bekräftigten in ihrer Antwort den Anspruch ihres Landes auf ein ziviles Atomprogramm. Im April 2009 eröffnete der damalige Präsident Ahmadinedschad die erste Nuklearbrennstofffabrik des Landes in Isfahan.
Von Frank Walter Steinmeier zu Guido Westerwelle
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