Aktiv außerhalb der Landesgrenzen

Der Einsatzbereich von MenschenrechtsaktivistInnen kenne keine Grenzen, meint die iranische Frauenaktivistin Mansoureh Shojaee. Sie können autoritären Regierungen ein Dorn im Auge sein, ob im eigenen Land oder vom Ausland aus. In ihrem Gastbeitrag für das Iran Journal führt sie ein prägnantes Beispiel vor: die Trägerin des Friedensnobelpreises Shirin Ebadi.

In der 115-jährigen Geschichte des Nobelpreises sind nur 14 Frauen mit dem Preis ausgezeichnet worden. Eine davon ist die iranische Juristin und Frauen- und Kinderrechtlerin Shirin Ebadi. Sie erhielt die renommierte Auszeichnung als erste muslimische Frau 2003. Ebadi vertrat nicht nur viele berühmte Persönlichkeiten aus Medien, Kultur und Politik juristisch. Sie war im Iran auch eine der beliebtesten Unterstützerinnen der Frauenbewegung. Der „Verein zum Schutz der Kinderrechte“ und der „Verband der Menschenrechtsverteidiger“ sind zwei der Menschenrechtsorganisationen, die Ebadi gegründet hat. Letzterer setzte sich jahrelang kostenlos für politische AktivistInnen und Andersdenkende ein.

Der Friedensnobelpreis für Shirin Ebadi öffnete der Frauenbewegung im Iran ein neues Fenster zur Welt. Dass eine Menschenrechtlerin international geehrt wurde, die sich Seite an Seite mit Frauenaktivistinnen für die Veränderung der gesetzlichen Grundlage der Gleichberechtigung von Frauen im Iran einsetzte, motivierte die iranische Frauenbewegung. Ihre AktivistInnen verfolgten danach – bis zum Jahr 2009 – ihre juristischen Ziele, die sie sich seit Ende der 1990er Jahre gesetzt hatten, noch enthusiastischer.

Erhöhter Druck

Nach den umstrittenen Präsidentschaftswahlen von 2009 nahm der Druck auf die iranischen FrauenaktivistInnen jedoch zu. Shirin Ebadi und viele andere mussten das Land verlassen. Doch sie wurden dadurch nicht mundtot gemacht. Ebadi setzt sich seither ohne Unterbrechung für die Menschenrechte im Iran ein – und zwar auf zwei Ebenen. Zum einen steht sie mit Gruppen im Ausland in Verbindung, die sich für Frauen- und Kinderrechte sowie Rechte der Minderheiten und Andersdenkenden einsetzen. Zum anderen macht sie international auf die Menschenrechtsverletzungen im Iran aufmerksam, etwa wenn das iranische Regime mit Vertretern anderer Länder am Verhandlungstisch sitzt.

Ebadis Aktivitäten sind vielfältig:

Verteidigung der Menschenrechte per Internet

Der iranische Verband der Menschenrechtsverteidiger wurde im Jahr 2002 von Shirin Ebadi und einigen ihrer Kollegen wie Mohammad Seifzadeh, Abdolfatah Soltani und Narges Mohammadi gegründet. Der Verband ist Mitglied des internationalen Dachverbands der Menschenrechtsorganisationen „Fédération internationale des ligues des droits de l’Homme“. Die Webseite des iranischen Verbandes ging selbst unter den schweren Bedingungen nach den Präsidentschaftswahlen 2009 ihrer Aktivität nach. Sucht man nach vertrauenswürdigen Informationen über Menschenrechtsverletzungen im Iran, zählt sie zu den vertrauenswürdigsten Quellen. Die monatlichen Berichte der Webseite werden an den Generalsekretär der Vereinten Nationen und den UN-Beauftragten für Menschenrechte im Iran geschickt. Bei Verhandlungen über das Thema Menschenrechte im Iran dienen sie als Grundlage.

Das Zentrum für UnterstützerInnen der Menschenrechte

Die Webseite des 2012 in Großbritannien von Shirin Ebadi gegründeten Zentrums für Unterstützer der Menschenrechte organisiert neben der Berichterstattung über Menschenrechte im Iran Seminare im Europa. Diese Seminare dienen auch als Bühne für iranische MenschenrechtsaktivistInnen. Sie fanden unter anderem 2013 in London und 2014 in der italienischen Stadt Pisa statt.

Interviews mit Medien

Shirin Ebadi und ihre MitarbeiterInnen klären zudem in Medieninterviews über die Rechte von Minderheiten und Frauen im Iran auf. Dies ermutigt inländische AktivistInnen, gegen die Repressionen des Regimes vorzugehen.

Berichterstattung

Gruppen von AktivistInnen, deren Gründung auf die Initiative von Shirin Ebadi zurückgeht, beschäftigen sich mit unterschiedlichen Aspekten der Menschenrechte und veröffentlichen die Ergebnisse ihrer Arbeit auf verschiedenen Internetseiten. Sie tragen damit zur Verbreitung des Diskurses über Gleichberechtigung bei. Ihre Beiträge verbreiten sich per Internet und soziale Netzwerke unter den Aktivistinnen im Iran und lösen Diskussionen mit Gleichgesinnten im Ausland aus. Durch Beiträge, die auf nicht-persischsprachigen Webseiten veröffentlicht werden, rücken die Themen Menschen- und Frauenrechte im Iran auch in den Fokus der europäischen Zivilgesellschaft.

Internationale Treffen

Der Verband der Nobelpreisträgerinnen: Dieses inoffizielle Organ entstand 2006 auf Vorschlag von Shirin Ebadi gemeinsam mit anderen Nobelpreisträgerinnen wie der US-Amerikanerin Jody Williams, der Nordirländerin Mairead Corrigan-Maguire und der Kenianerin Wangari Muta Maathai. Durch das hohe Ansehen, das seine Mitglieder genießen, gewinnen von dem Verband unterstützte AktivistInnen mehr internationalen Beistand.

Treffen mit VertreterInnen der Vereinten Nationen

Shirin Ebadi wird aufgrund ihres internationalen Status‘ und ihrer zivilgesellschaftlichen Position im Iran auch regelmäßig als Menschenrechtsberaterin in die Versammlungen der Vereinten Nationen eingeladen. Ihre Stellungnahmen spielen bei Entscheidungen über die Menschenrechtslage im Iran eine große Rolle.

Akademische Aktivitäten und Publikationen

Die 69-jährige Juristin nimmt an internationalen Tagungen teil und hält Vorträge an Universitäten unterschiedlicher Länder. Sie hat mittlerweile 26 Ehrenpromotionen. Durch ihre drei im Ausland veröffentlichten und in verschiedene Sprachen übersetzten Bücher brannten sich der Iran und seine MenschenrechtsaktivistInnen ins Gedächtnis der internationalen Gemeinschaft der Menschenrechte ein.

Jurymitglied bei internationalen Auszeichnungen

Shirin Ebadi ist Mitglied verschiedener internationaler Jurys gewesen, die unter anderem iranische MenschenrechtsaktivistInnen auszeichneten. So ging der internationale Nürnberger Menschenrechtspreis 2009 an den iranischen Juristen und Angehörigen des iranischen Verbands der Menschenrechtsverteidiger Abdolfatah Soltani. Ebadi war ebenso Mitglied der Jury, die 2012 eine iranische Studentenaktivistin, die damals im Teheraner Evin-Gefängnis saß, mit dem schwedischen Harald-Edelstam-Preis kürte.

Solche Auszeichnungen erhöhen zwar den Druck iranischer Sicherheitskräfte auf die AktivistInnen. Die internationale Bekanntheit durch die Preise ist jedoch langfristig betrachtet die effektivste Garantie für ihre Sicherheit.

   MANSOUREH SHOJAEE*

  Aus dem Persischen von IMAN ASLANI

*Mansoureh Shojaee ist Schriftstellerin, Übersetzerin und Aktivistin der iranischen Frauenbewegung. Sie gehört zu den Gründerinnen der Website http://www.feministschool.com. Seit 2010 lebt sie in Deutschland und hat ein Stipendium der P.E.N.-Stiftung für die Untersuchung der Beziehung zwischen der Frauenbewegung und der grünen Bewegung im Iran.