Neue russisch-iranische Drohnenstrategie

Der innere Aufbau der Drohnen sei sehr einfach, aber effektiv, meinen die Spezialisten. Wesentlich sei die CRP-Antenne, die helfen soll, die elektronische Luftabwehr der Ukraine zu umgehen. „Alle diese Komponenten kann man bei dem chinesischen Versandhaus Ali Express kaufen. Die Drohne enthält auch eine GPS-Antenne und eine einfache Batterie, um sie am Leben zu erhalten. Diese wichtigen Teile konnten die Iraner bis vor kurzem auch in Japan, Europa und den USA kaufen, das scheint aber zu Ende zu gehen“, sagt der ukrainische Drohnenkenner.

Die US-Administration hat inzwischen eine umfangreiche Task Force ins Leben gerufen, um herauszufinden, wie westliche Komponenten, darunter US-amerikanische Mikroelektronik, in die iranischen Drohnen gelangen. Mit ihren Sanktionen wegen der Drohnenlieferungen gingen die USA voran, nun macht offenbar auch der Rest der westlichen Firmen mit.

Der machtlose Westen?

Khameneis Drohneneinsatz über der Ukraine unter dem Kommando seines verehrten Verbündeten – manche sagen: seines Herrn – verleihen beiden mächtigen Männern in Moskau und Teheran eine internationale Dimension. Drei Monate nach der russischen Invasion sagte Khamenei mit Stolz: „Vor ein paar Jahren sagten sie im Westen, die Bilder iranischer Drohnen und Raketen seien Photoshop-Bearbeitungen. Jetzt sagen sie, iranische Drohnen seien sehr gefährlich, warum verkaufen sie sie in ein bestimmtes Land?‘“ Mit „bestimmtem Land“ meint er Russland.

Die Beziehung des Kremls zum Iran sei eine „beispiellose Verteidigungspartnerschaft, die der Ukraine, den Nachbarn Irans und der internationalen Gemeinschaft schadet“, sagte Anfang Juli John Kirby, der Sprecher des nationalen Sicherheitsrates der USA. „Wir nutzen weiterhin alle uns zur Verfügung stehenden Mittel, um diese Aktivitäten aufzudecken und zu stören, auch indem wir sie der Öffentlichkeit zugänglich machen – und wir sind bereit, mehr zu tun.“ Leicht gesagt.

Bald mehr und bessere Drohnen

Die Sache wird für den Westen in naher Zukunft noch schwieriger und komplizierter werden. Am 8. Juli enthüllte Kirby in Washington vor Journalisten ein Geheimnis: US-Geheimdienstmitarbeiter seien davon überzeugt, dass Teheran und Moskau dabei seien, in Russland ein Drohnen-Fließband für den Ukraine-Krieg einzurichten; die Anlage in der russischen Sonderwirtschaftszone Alabuga könne Anfang nächsten Jahres mit der Produktion beginnen.

Das Weiße Haus hatte bereits im April Satellitenbilder eines mehrere hundert Kilometer östlich von Moskau liegenden Industriestandorts veröffentlicht, wo diese Anlage gebaut werden soll. Wenn die Fabrik voraussichtlich Anfang nächsten Jahres mit der Produktion einer neuen Drohnengeneration beginnt, könnte das den Kriegsverlauf in der Ukraine entscheidend bestimmen, meinen Militäranalysten.

Präsident Wolodimir Selenski bei einer abgeschossenen iranischen Drohne vom Typ "Shahed 136"
Präsident Wolodimir Selenski bei einer abgeschossenen iranischen Drohne vom Typ „Shahed 136“

Noch werden die Drohnen von Amirabad am Kaspischen Meer im Iran nach Machatschkala in Russland verschifft, dort von den Russen in Empfang genommen und in der Ukraine eingesetzt.

Der Versand von Waffen an Russland sei „ein sehr riskantes Unterfangen, logistisch ebenso wie politisch“. Denn der Empfänger dieser Drohnen sei ein Land, das „offiziell als Aggressor gilt“, schrieb vorsichtig die Webseite Etemad, die den Reformern nahe steht.

Bald sollen diese politischen und logistischen Risiken verschwinden. Die Drohnen werden in einem iranisch-russischen Joint Venture auf russischem Territorium gebaut werden. Und mithilfe erfahrener russischer Militäringenieure sollen dann auch die technischen Unzulänglichkeiten der iranischen Drohnen verschwinden. 

Ergebenheit und Unterwerfung

Die beiden Despoten, auf deren Schultern diese merkwürdige Partnerschaft ruht, bestimmen auch die „Eliten des militärisch-industriellen Komplexes“ in ihren jeweiligen Ländern. Wie mächtig, wie unabhängig aber die einzelnen Mitglieder dieser Elite sind, bleibt ungewiss. Was und wie sie denken, weiß niemand. Wie soll, wie will man verschiedene Interessen innerhalb der russischen Oligarchie differenzieren? Noch schwieriger ist eine Differenzierung unter den religiös-revolutionär verbrämten Stiftungen Irans, deren Krakenarme rund um die Welt reichen.

Khamenei fühlt sich an Putins Seite sehr sicher und ist bereit, dafür fast alles zu ertragen, sogar Erniedrigungen und nationale Tabubrüche. Mitte Juli unterschrieb Russland eine gemeinsame Erklärung mit dem Golf-Kooperationsrat, in der es zusammen mit allen Staaten am Persischen Golf die iranische Souveränität über drei Golfinseln in Frage stellt. Diese strategisch bedeutenden Kleininseln werden auch von den Vereinigten Arabischen Emiraten beansprucht. Ein politisches No-Go für den Iran, doch gegenüber Khamenei empfindet Putin viel Stiefelfreiheit.

Für den Blick nach Moskau zahlt Khameneis „Republik“ einen sehr hohen Preis. Zu den zahlreichen Sanktionen der UNO, der EU und vor allem der USA wegen der Atomfrage, der Menschenrechte und der regionalen Konflikte sind nun verschiedene Sanktionen wegen des Ukrainekriegs hinzugekommen. Die Misere der iranischen Wirtschaft schreitet voran, fast die Hälfte der Bevölkerung ist unter die offizielle Armutsgrenze gerutscht und die Unzufriedenheit der Menschen mit dem Regime war nie so hoch und verbreitet wie dieser Tage. All das scheint vernachlässigbar, zweitrangig, unerheblich zu sein gegenüber einer vollkommenen islamischen Gesellschaft, die Khamenei im Iran und darüber hinaus mit aller Macht errichten will.♦

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