Staatsanwaltschaft eröffnet Verfahren gegen Festgenommene in Mashhad
Die iranische Justiz hat gegen mehrere Personen Strafverfahren eingeleitet, die bei der Gedenkveranstaltung für den Anwalt Khosrow Alikordi am 12. Dezember in Mashhad festgenommen worden sind. Das teilte die Narges-Mohammadi-Stiftung am Sonntag, den 14. Dezember, mit. Der Anwalt, der prominente politische Angeklagte verteidigt hatte, war am 5. Oktober unter verdächtigen Umständen ums Leben gekommen.
Der Stiftung zufolge wurde das Verfahren gegen die Nobelpreisträgerin Narges Mohammadi an die Staatsanwaltschaft Mashhad übergeben. Demnach sehen sich Mohammadi sowie die prominente Aktivistin Sepideh Gholian und Khosrow Alikordis Bruder Javad Alikordi, ebenfalls Anwalt, unter anderem mit den Vorwürfen der „Zusammenrottung“ und der „Verschwörung gegen die nationale Sicherheit“ konfrontiert. Weitere Verfahren gegen andere Festgenommene seien an eine andere Abteilung der Staatsanwaltschaft Mashhad überstellt worden. Verbleib und Status mehrerer Betroffener seien weiterhin unklar. Außerdem wird Narges Mohammadi „Zusammenarbeit mit Israel“ vorgeworfen, berichtete ihre Stiftung.
BREAKING NEWS
Nobel laureate Mohammadi taken to hospital twice after violent arrest in Iran
15 December 2025
Nobel Peace Prize laureate Narges Mohammadi made a brief phone call to her family late on 14 December 2025, after nearly three days with no information about her…
— Narges Mohammadi | نرگس محمدی (@nargesfnd) December 14, 2025
Abweichende Angaben zur Zahl der Festnahmen
Der Staatsanwalt von Mashhad hatte am 13. Dezember die Festnahme von 39 Personen im Zusammenhang mit der Trauerfeier für Alikordi bestätigt und erklärt, die Ermittlungen der Sicherheits- und Justizbehörden dauerten an. Menschenrechtsaktivist*innen gehen von mehr als 50 Festnahmen aus, Menschenrechtsorganisationen veröffentlichten die Namen von über 30 Betroffenen.
Nach Berichten lokaler Aktivist*innen dauern Identifizierung und Festnahmen weiterer Teilnehmender an. Grundlage sind demnach Videoaufnahmen, auf denen Personen eindeutig zu erkennen sind.
Die Festnahmen stießen international auf Kritik. Unter anderem verurteilten María Corina Machado, die Trägerin des diesjährigen Friedensnobelpreises, aber auch das deutsche Außenministerium sowie zahlreiche Aktivist*innen und politische Gefangene das Vorgehen der iranischen Behörden.
Die gewaltsame Festnahme der Friedensnobelpreisträgerin Narges #Mohammadi und weiterer Aktivistinnen bei einer Trauerfeier im #Iran ist zutiefst beunruhigend. Der Einsatz für Menschenrechte und Meinungsfreiheit darf niemals kriminalisiert werden.
— Auswärtiges Amt (@AuswaertigesAmt) December 13, 2025
Familien protestieren vor dem Gerichtsgebäude
Am 14. Dezember versammelten sich Angehörige der Festgenommenen vor dem Gerichtsgebäude in Mashhad und forderten Auskunft über Aufenthaltsort und rechtlichen Status ihrer Angehörigen.
Wie Marzieh Adinehzadeh, Schwester des während der Proteste „Frau, Leben, Freiheit“ getöteten minderjährigen Abolfazl Adinehzadeh, auf X berichtete, befindet sich auch ihr Vater unter den Festgenommenen. Ihre Familie habe zunächst keinen Zutritt zur Staatsanwaltschaft erhalten und sei erst “nach anhaltendem Drängen“ vorgelassen worden. Klare Auskünfte habe es nicht gegeben; stattdessen seien die Vorwürfe „Propaganda gegen das System“ und „Verschwörung gegen die nationale Sicherheit“ gegen ihren Vater erhoben worden.
Die Narges-Mohammadi-Stiftung erklärte, Mohammadi habe keinen Zugang zu einem Anwalt erhalten und keinen telefonischen Kontakt zu ihrer Familie oder einem Rechtsbeistand herstellen dürfen. Nur wenige Festgenommene hätten kurze, überwachte Telefonate führen können.
Berichte über Gewalt bei Festnahmen
Nach Angaben der Stiftung berichten zahlreiche Familien von gewaltsamen Festnahmen mit Schlägen, Beleidigungen und Drohungen. Seitdem hätten sie keine Informationen über Gesundheitszustand, Haftort und Haftbedingungen ihrer Angehörigen erhalten. Die Stiftung fordert sofortigen Zugang zu medizinischer Versorgung, eine unabhängige Untersuchung der Vorwürfe sowie die Vorführung Betroffener bei der Gerichtsmedizin zur Dokumentation von Gewaltspuren.
Besondere Sorge gilt der Menschenrechtsaktivistin und Fotografin Alieh Motallebzadeh, die ebenfalls festgenommen wurde. Ihre Tochter Ghazal Abdollahi, die im deutschen Exil lebt, teilte mit, ihre Mutter habe am Abend des 14. Dezember kurz telefonieren dürfen, allerdings unter Überwachung. Motallebzadeh sei zunächst vom Geheimdienst der Revolutionsgarden festgehalten und später dem Ministerium für Nachrichtenwesen übergeben worden, einem anderen Geheimdienst Irans. Aufgrund schwerer Misshandlungen sei sie dort ärztlich untersucht worden. Motallebzadeh leidet an Brustkrebs und ist auf regelmäßige Medikamente und spezialisierte Behandlung angewiesen, die ihr derzeit nicht zur Verfügung gestellt würden. Abdollahi warnte, die Sicherheits- und Justizbehörden trügen die volle Verantwortung für Gesundheit und Leben ihrer Mutter.
مادرم #عالیه_مطلبزاده پس از سه روز بیخبری شامگاه یکشنبه ۲۳ آذر حدود ساعت ۲۲:۳۰ تماس تلفنی گرفته. او در ابتدای تماس تأکید کرده است که مکالمه از طریق بلندگو انجام میشود و تحت شنود مأمور امنیتی قرار دارد.#عالیه_مطلب_زاده در این تماس اعلام کرده که در زمان بازداشت همانند دیگر… pic.twitter.com/5YafG6UjrB
— Ghazal Abdollahi (@Ghazzallz) December 14, 2025
Hungerstreik aus Protest
Die politische Gefangene Sakineh Parvaneh verwies in einem Schreiben darauf, dass Khosrow Alikordi Sohn eines im Iran-Irak-Krieg gefallenen Soldaten gewesen sei. Die Festnahme von Javad Alikordi, der sich um Aufklärung der Todesumstände seines Bruders bemühe, verschärfe die Situation zusätzlich. Parvaneh erklärte, sie werde am 14. und 15. Dezember in den Hungerstreik treten, um der Familie „eine Stimme zu geben“.
Der Leichnam von Khosrow Alikordi war am 6. Dezember in seinem Büro in Mashhad aufgefunden worden. Zahlreiche Jurist*innen, Menschenrechts- und Zivilgesellschaftsaktivist*innen bezeichneten seinen Tod als verdächtig, da Überwachungskameras aus Alikordis Büro entfernt worden seien und ein diensthabender Richter „unmittelbar am Tatort“ erschienen sei. Die Gerichtsmedizin gibt „Herzversagen“ als Todesursache an.
Auf der Trauerfeier für Alikordi war es zu Zusammenstößen zwischen den zahlreichen Teilnehmenden und Sicherheitskräften sowie zu verbalen Auseinandersetzungen zwischen der Nobelpreisträgerin Narges Mohammadi und angeblichen Anhänger*innen des im Exil lebenden Sohn des gestürzten Schahs gekommen.
Zu den Ereignissen in Mashhad:
Dutzende Festnahmen bei Gedenkfeier für Menschenrechtsanwalt Khosrow Alikordi
