Wie steht es um das iranische Nuklearprogramm?
Die Herstellung eines nuklearen Sprengkopfes erfordert 90-prozentiges HEU in metallischer Form, daher waren im Rahmen der JCPOA Arbeiten auf diesem Gebiet verboten. Aber wie oben beschrieben hat das Regime zur Bekräftigung seiner impliziten Drohung im Werk Isfahan mit der Umwandlung von UF6 in metallisches Uran begonnen.
Anzahl und Qualität der Zentrifugen
Der JCPOA hat die IRI verpflichtet, nicht mehr als ungefährt 5.000 Zentrifugen der ersten Generation IR1 im Betrieb zu halten (ca. 30 Kaskaden). Die Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet der Zentrifugen-Technologie waren zwar erlaubt, aber nur in geringer Anzahl und nicht zur Produktion. Nach dem bereits erwähnten Beschluss des Parlaments hat Teheran begonnen, nicht nur weit mehr IR1, sondern IR2, IR 2m, IR4, IR6 und darüber hinaus herzustellen, zu installieren und zu betreiben. Die Anreicherungsfähigkeit der höheren Generationen ist je nach Generation vier bis zehn Mal höher als bei IR1. Die Anzahl der installierten Kaskaden beläuft sich auf 77, die der betriebenen auf 62. Somit ist die IRI im Moment im Besitz von ca. 12.000 Zentrifugen, von denen ca. 10.000 in Betrieb sind – Tendenz steigend.
Uran-Gewinnung aus iranischen Minen
Ein wichtiges Ziel des JCPOA war die vollständige Transparenz des IRI-Nuklearprogramms von der Mine bis zur Entsorgung, damit die anvisierte Breakout-Time von mindestens einem Jahr gewährleistet ist. Daher wurde die IAEA ermächtigt, für 25 Jahre die Aktivität der Uranerzgewinnung zu überwachen. Im Zuge der Teheraner Gegenmaßnahmen wurde der IAEA diese Ermächtigung entzogen. Das bedeutet, dass die IAEA nicht mehr weiß, wie viel Uran in das Nuklearprogramm der IRI einfließt.

Verminderung der Transparenz bei der Anreicherung
Der Iran verweigert er IAEA den Online-Zugang zu den in den Nuklearanlagen ermittelten Daten über die Anreicherungs- und sonstigen Aktivitäten. Stattdessen hat Teheran zugesagt, diese Daten weiter zu speichern, um sie der IAEA erst nach einer möglichen Erneuerung des JCPOA zur Verfügung zu stellen. Später wurde die Wartung der Überwachungsgeräte – Kameras, Inline-Sensoren etc. – verzögert. Damit bestand die Gefahr, dass Informationslücken entstehen. Im Juni 2022 wurden die JCPOA-bezogenen 27 Kameras sowie Inline-Sensoren zur Registrierung des Anreicherungsgrades deaktiviert. Es wurden allerdings die Kameras, die entsprechend dem Antomwaffensperrvertrag installiert sind, beibehalten. Ähnliches geschah mit den Kameras, die zur Überwachung der Zentrifugen-Produktion installiert waren. Auch hier hat die IRI zugelassen, dass partiell sowohl Kameras als auch Inline-Sensoren im Rahmen ihrer CSA-Verpflichtungen eingesetzt werden.
Inspektionsregelungen
Im Rahmen des Zusatzprotokolls zur NPT hat die IRI sowohl die Inspektion der nicht deklarierten Einrichtungen als auch unangekündigte Inspektionen zu gestatten. Mit der Kündigung dieser Verpflichtung reduziert Teheran empfindlich die Transparenz seines Nuklearprogramms.
Die IAEA bemängelt, dass erstens eine nahtlose Überwachung der Anlagen nicht mehr möglich ist, und dass es zweitens schwierig würde, Geschehnisse zu rekonstruieren, wenn die Menge der angefallenen Daten zu groß werden würde. Ferner warnt Rafael Grossi explizit, dass die IAEA nicht mehr in der Lage sei, die Kontinuität des Wissens in den folgenden Bereichen wiederherzustellen: Produktion und Lagerung von Zentrifugen und deren Komponenten, Schwerwasser und Uranerz-Gewinnung.
Zu diesen Ermahnungen hat sich erstmalig eine neue Diktion der IAEA gesellt, die davor warnt, dass die IRI den Weg Nordkoreas beschreiten könnte – das ist der Ausdruck einer Unsicherheit, die das intransparente Verhalten der IRI bei der IAEA erzeugt hat.
Fazit: Die Aussicht auf eine Revitalisierung des JCPOA
Eine Voraussetzung für den Abschluss der Nuklearvereinbarung JCPOA war, die IRI für ein Jahr vom Breakout-Zeitpunkt fernzuhalten. Er definiert die benötigte Zeit, bis ein Land in den Besitz von genügend waffenfähigem HEU gelangt.
Nun wurden viele Parameter, die diesen Breakout-Zeitpunkt bestimmen, fundamental verändert: Die IRI ist nur wenige Wochen davon entfernt, die Technologie ist weit entwickelt, und eine Menge Know How ist erworben.
Selbst wenn die IRI bereit wäre, alle modernen Zentrifugen und sonstige Hardware zu eliminieren, bleiben trotzdem die technologische Erfahrung und das Know How erhalten. Eine Rückkehr zu der Situation vor dem JCPOA-Abschluss im Juli 2015 ist nicht mehr möglich.
Außerdem hat die politische Konstellation sich dramatisch verändert. Damals gab es noch gewisse Gemeinsamkeiten zwischen Russland und China einerseits und dem Westen andererseits. Inzwischen sind sie der Rivalität gewichen. Hinzu kommt die Teheraner Unterstützung der russischen Aggression gegen die Ukraine, die eine Einigung des Westens mit der IRI erschwert.
Das iranische Regime lebt in einem Zwiespalt: Delegitimiert durch die Frau-Leben-Freiheit-Bewegung im Lande und unter Druck wegen der miserablen ökonomischen Situation will es einen Ausgleich mit dem Westen suchen. Dem entgegen steht die Sorge des Regimes um die Aufweichung der lang gepflegten, zur Raison d’Être mutierten Feindschaft des Regimes gegenüber den USA. Darüber hinaus haben die islamischen Hardliner die Vorteile der praktizierten nuklearen Drohung genossen.
Sind sie bereit, auf diese vermeintliche Stärke zu verzichten?
In Anbetracht des blutigen Gemetzels zwischen der Hamas und Israel ist eher davon auszugehen, dass das IRI-Regime nicht so leicht auf diese „Waffe“ verzichten wird.
Die Aussichten stehen nicht gut für eine absehbare Einigung im Nuklearstreit zwischen dem Westen und der Islamischen Republik Iran.♦
Zum Autor: Dr. Behrooz Bayat, geboren im Iran, studierte Physik an den Universitäten Teheran, Frankfurt am Main und Marburg. Nach Promotion und Forschungstätigkeit arbeitete er unter anderem als freiberuflicher Berater für die Internationale Atomenergiebehörde in Wien. In seinen Publikationen setzt er sich u.a. mit der Nuklearpolitik des Iran auseinander.
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