Die ewigen Geburtswehen der Islamischen Republik

Sanktionen waren im Grunde genommen die Geburtswehen der Islamischen Republik. Wehen, die mit der Kindesgeburt keineswegs endeten. Im Gegenteil: Je mehr dieses Kind heranwuchs und herumtobte, umso stärker und schmerzlicher wurden diese Wehen, bis sie die Unerträglichkeit des heutigen Tages erreichten, wo das einstige Kind bald 42 Jahre alt wird.

Der 11. Februar 1979 ist der offizielle Siegestag der Islamischen Revolution, also der Tag des endgültigen Sturzes der Monarchie. Doch der eigentlich Sieg der Revolutionäre fand am 4. November 1979 statt. Was an diesem Tag passierte, nannte Revolutionsführer Ayatollah Ruhollah Khomeini später die zweite Revolution. Die Stimmung war am Morgen dieses Tages gereizt in Teheran. Drei Tage zuvor hatte Khomeini in einer Ansprache Aktionen gefordert, die der gesamten Welt einmal mehr demonstrieren sollten, dass der Iran nach der erfolgreichen Revolution eine islamische Republik geworden sei.

„Tod Amerika!“, skandierten an diesem Tag mehrere Hundert revolutionstreue Studenten vor der US-Botschaft, einige Dutzend von ihnen kletterten über den Zaun und drangen gewaltsam in das Gebäude ein. Sie brachten 66 US-Diplomaten in ihre Gewalt, 52 davon wurden über ein Jahr lang als Geiseln gehalten. Khomeinis zweite Revolution war vollbracht, die provisorische zivile Regierung trat zurück, die radikale Geistlichkeit war an ihrem Ziel.

Die Ereignisse dieses 4. Novembers 1979 sind die Fundamente eines Gebäude, das immer weiter wuchs, es entstand jene Feindschaft, die immer noch viele im Iran ebenso wie in Amerika für unüberbrückbar halten.

Lang ist ihre Geschichte

Die Wurzeln der antiamerikanischen Stimmung, die sich an diesem Tag entlud, lagen damals schon fast drei Jahrzehnte zurück: Es war der Sturz des demokratisch gewählten Ministerpräsidenten Mohammad Mossadegh am 13. August 1953. Die Volksmeinung über diesen Tag lässt keinen Zweifel zu: Es waren die CIA und Amerikas Durst nach Öl.

Fast 47 Jahre später, im März 2000, räumte die damalige US-Außenministerin Madelaine Albright zwar erstmals eine Beteiligung der USA an diesem Staatsstreich ein. Einen Monat danach veröffentlichte die New York Times Dokumente, die die Schlüsselrolle der CIA bei diesem Putsch beschrieben. Doch dieses Geständnis blieb folgenlos. Die Eiszeit, die mit der Botschaftsbesetzung begann, ließ sich nicht so leicht umkehren.

 

Mohammad Mossadegh (li.) wurde nach dem Putsch verhaftet und anschließend unter Hausarrest gestellt!
Mohammad Mossadegh (li.) wurde nach dem Putsch verhaftet und anschließend unter Hausarrest gestellt!

 Das Kind tobt: Beirut, Berlin, Salman Rushdie

Unmittelbar nach der Geiselnahme der amerikanischen Diplomaten beschloss die US-Regierung eine Importsperre für iranische Güter. Doch das Kind, das mit Sanktionswehen zur Welt gekommen war, tobte weiter.

Noch befanden sich die Diplomaten in der Geiselhaft, als am 22. September 1980 der Krieg gegen den Irak begann. Er dauerte acht Jahre, und in dieser Zeit stand die Islamische Republik unter einem weltweiten Waffenembargo, während der irakische Diktator Saddam Hussein sich in fast allen Länder der westlichen Welt Kriegsmaterial besorgen konnte.

Dieser Krieg war auf seinem Höhepunkt, als am 13. April bei einem Terroranschlag auf die Botschaft der USA in Beirut 60 US-Soldaten getötet wurden. Unmittelbar danach erklärte US-Präsident Ronald Reagan den Iran zum „Sponsor des internationalen Terrorismus“. Wieder wurden die Sanktionen verschärft.

Kaum war der Krieg vorbei, erließ Ayatollah Khomeini 1989 eine Todes-Fatwa gegen den Schriftsteller Salman Rushdie wegen dessen Buchs „Die satanischen Verse“. Damit war die Islamische Republik nicht nur für die US-Regierung, sondern für viele in der westlichen Welt ein „Schurkenstaat“. Aus Protest zogen alle EU-Staaten ihre Botschafter aus dem Iran ab. Sanktionen sollten folgen.

Drei Jahre später, am 17. September 1992, ermordete ein Todeskommando auf Befehl aus Teheran vier iranische Oppositionelle im Berliner Restaurant Mykonos. Ein Berliner Gericht stellte später in seinem Urteil fest, beinahe die gesamte Spitze der Islamischen Republik sei in dieses Attentat involviert gewesen. Als Reaktion darauf sprachen sich alle Parteien in der Bundesrepublik für ein Ende des „kritischen Dialogs“ der EU mit dem Iran aus. Es folgten: unterschiedliche Sanktionen.

Atomwaffen und der „Dialog der Kulturen“

Das kurze Tauwetter von 1997, als Mohammed Chatami zum Präsidenten gewählt wurde, konnte das Eis nicht brechen. Während Chatami auf der öffentlichen Bühne der Weltpolitik für den „Dialog der Kulturen“ warb, lief im Geheimen etwas sehr Explosives, das bis heute das weltweite Sanktionsregime gegen den Iran bestimmt. 2002 war nämlich bekannt geworden, dass die Teheraner Machthaber zwei Nuklearanlagen betrieben, eine Urananreicherungsanlage in Natanz und eine Schwerwasseranlage in Arak. Sie hatten sich offenbar auf den Weg gemacht, Kernwaffen zu produzieren.

Die Lage wurde kritisch, als die Internationale Atomenergiebehörde IAEA im Spätsommer 2003 in Natanz Spuren angereicherten Urans fand. Der Iran habe sein Nuklearprogramm 18 Jahre lang geheim gehalten, berichtete die Agentur später. Seitdem läuft mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten beides weiter: die Urananreicherung in Irans Atomanlagen ebenso wie die internationalen Sanktionen.

Welcher Staat warum die Islamische Republik wie streng sanktioniert hat und was diese Sanktionen bewirkten, darüber ließe sich ein dickes Buch schreiben: UNO-Sanktionen, die für alle Staaten der Welt verbindlich sind, Sanktionen einiger Regierungen, die ihre speziellen Probleme mit Teheran haben, und schließlich die US-Sanktionen, die umfassend, universell und für die Teheraner Machthaber besonders schmerzhaft sind. Die Hintergründe und Ursachen dieser Sanktionen lesen sich oft wie ein spannender Krimi.

Sieben Präsidenten, eine Spirale
Fortsetzung auf Seite 3