Das Symphonieorchester als politisches Instrument

Von den Hardlinern unter den früheren iranischen Präsidenten als Ausdruck westlicher Kultur verachtet und bekämpft, soll das Teheraner Symphonieorchester nun Aufwind bekommen. Kritiker sind skeptisch. Ein Interview.
In der Amtszeit des früheren iranischen Präsidenten Mahmoud Ahmadinedschad war das Teheraner Symphonieorchester zunächst lange vernachlässigt worden, bis es vor einem Jahr ganz aufgelöst wurde. Die Musikerinnen und Musiker hatten monatelang kein Gehalt bekommen. Lange war nicht klar, ob das Orchester je wieder aktiv wird. Nun teilte das Kultusministerium Mitte März mit, dass der bekannte Dirigent Manuchehr Sahbai neuer Leiter des Symphonieorchesters wird. Kultusminister Ali Janati löst damit sein nach seinem Amtsantritt gegebenes Versprechen ein, das Orchester wiederzubeleben.
Doch dass damit die Probleme des geschichtsträchtigen Orchesters gelöst sind, bezweifeln Kritiker. Etwa dessen ehemaliger Dirigent Ali Rahbari, der heute im Ausland lebt. Unermüdlich hatte er von den Verantwortlichen im Iran verlangt, die klassische Musik nicht zu vernachlässigen. Nach der Wahl des neuen Präsidenten Hassan Rouhani im Juni vergangenen Jahres wies Rahbari diesen in einem offenen Brief erneut auf „die miserable Lage der Musik im Iran“ hin und forderte, „so schnell wie möglich zu handeln“. Der Grund für den desaströsen Zustand der Musik im Iran liege in falschen Entscheidungen der Politiker, in Populismus und Vetternwirtschaft, schrieb Rahbari darin. Besonders Ex-Präsident Ahmadinedschad habe „mit seiner kunst- und kulturverachtenden Politik“ viele Ensembles zugrunde gerichtet.
TFI dokumentiert Auszüge eines Interviews, das die Zeitung Etemad mit Ali Rahbari geführt hat.
Etemad: Herr Rahbari, glauben Sie, dass ein fester Dirigent die grundlegenden Probleme des Teheraner Symphonieorchesters lösen kann?

Manouchehr Sahbai hatte schon von 2007 bis 2010 das Teheraner Symphonieorchester geleitet
Manouchehr Sahbai hatte schon von 2007 bis 2010 das Teheraner Symphonieorchester geleitet

Ali Rahbari: Ich kenne die Arbeit des jetzigen Dirigenten Manuchehr Sahbai nicht. Aber das Problem des Teheraner Symphonieorchesters ist nicht die Dirigentenfrage. Es liegt in der Organisation und der inneren Struktur des Orchesters. Die Musiker haben ein hohes Qualitätsniveau. Aber die Organisatoren verfügen nicht über ausreichendes Wissen über Musik. Die Kultusminister müssen nicht Musikwissenschaftler sein. Sie sollten aber bei Entscheidungen in Musik-Angelegenheiten Fachleute heranziehen.
Hat die neue Regierung Ihrer Meinung nach ernsthafte Schritte für den Wiederaufbau des Symphonieorchesters unternommen?
Bei den politischen Entscheidungen über das Orchester herrscht völlige Willkür – es wird etwas initiiert, dann wieder rückgängig gemacht, ganz beliebig. Ohne jede Kenntnis von Musik werden Urteile gesprochen. Ich halte nicht viel von einem festen Dirigenten in einem Orchester. In der Türkei zum Beispiel existieren 20 Symphonieorchester, die Dirigenten aus der ganzen Welt engagieren. Ein anderes Beispiel ist Österreich: 80 Prozent der dortigen Dirigenten sind von außerhalb. Im Iran fängt man beim Hausbau mit dem Dach an. Die ganze Entwicklung des Symphonieorchesters von der Gründung bis zur Schließung basiert auf Fehlentscheidungen und falschem Management.
Ein grundlegendes Problem des Teheraner Symphonieorchesters besteht darin, international Anerkennung zu finden. Glauben Sie, dass der neue Dirigent Manuchehr Sahbai diesem Anspruch gerecht wird?
Ali Rahbari hat als Dirigent an  vielen renommierten Häusern in der Welt gearbeitet!
Ali Rahbari hat als Dirigent an vielen renommierten Häusern in der Welt gearbeitet!

Als ich bei Herbert von Karajan assistierte, sagte dieser einmal: Ein Dirigent, der ein Orchester ein oder zwei Wochen lang dirigiert, wird zum festen Dirigenten des Orchesters. Wenn Präsident Rouhani und sein Kultusminister die Wiederaufnahme des Orchesterbetriebs mit Nachdruck veranlassen, ist das ein gutes Zeichen. Aber wenn sie es nur tun, um ihr Wahlversprechen zu halten, dient das nicht der Sache. Die Wiederaufnahme eines Orchesterbetriebs braucht Zeit und Fachleute. Sie muss gründlich geschehen. Ich freue mich sehr über das Vorhaben und wünsche von ganzem Herzen, dass für den Erhalt des Orchesters nach dessen 70-jährigem Bestehen ein dauerhaftes Konzept etabliert wird, um auch internationale Anerkennung zu erreichen.
Stellung und Funktion des Symphonieorchesters sind vielen Menschen nicht klar. Wie definieren Sie diese?
Ein Symphonieorchester hat die Aufgabe der Pflege der klassischen Musik. Internationale klassische Musik gehört nicht einem bestimmten Land, sondern ist Weltbesitz. Bis heute haben unsere Kulturminister das Symphonieorchester taktisch eingesetzt. Ich glaube, seit der Gründung der islamischen Republik hat das Symphonieorchester eigentlich an Bedeutung gewonnen. Doch leider hat sich im Iran keiner um die Organisation des Orchesters gekümmert. Statt das Vertrauen der Musiker zu gewinnen, wurde ihnen mit Entlassung gedroht, wenn sie mit der Leitung nicht einverstanden waren. Der Iran ist, was den Kulturetat betrifft, ein armes Land. Aus Geldmangel entscheiden sich die Regierenden für Dirigenten, die wenig kosten. Die Musiker haben es verdient, sich unter gutem Management international weiterzuentwickeln.
Aus dem Pesischen: Said Shabahang