„Wir wollen die Stimmung im Land mitbekommen“

Die ARD hat nach mehr als zwei Jahrzehnten wieder ein Hörfunkstudio in Teheran errichtet. Damit will die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt auch in Krisenzeiten aus erster Hand und eigener Anschauung berichten können. Die Federführung des Teheraner ARD-Studios hat der SWR. Über die Notwendigkeit eines Studios im Iran sprach TFI mit dem Chefredakteur des SWR-Hörfunks, Arthur Landwehr.

TFI: Herr Landwehr, warum hat die ARD ein Studio in Teheran eingerichtet?
Arthur Landwehr: Wir haben bisher von Istanbul aus über den Iran berichtet. Das haben wir allerdings immer als Defizit empfunden. Unsere Korrespondenten konnten nur mit kurzfristigen Visa in den Iran reisen. So kann man natürlich schöne Reportagen bekommen. Aber gerade bei wichtigen, aktuellen Ereignissen haben unsere Korrespondenten auf diese Weise nie die Stimmungslage in der Bevölkerung erfühlen und erspüren können. Wir haben zwar einen wirklich guten und zuverlässigen Mitarbeiter in Teheran, der uns sehr viel an Material und Informationen übermittelt. Aber es ist etwas anderes, wenn der berichtende Korrespondent selbst vor Ort ist und die Stimmung im Land mitbekommt. Besonders in Krisensituationen finde ich ist es unbedingt wichtig, dass man Informationen aus erster Hand hat und nicht drauf angewiesen ist, aus zweiter oder dritter Hand zu leben.
Welche Rolle spielt der Iran denn heute in den deutschen Medien?

Eröffnungfeier mit dem SWR-Korrespondenten Reinhard Baumgarten (am Rednerpult) und den Botschaftern Deutschlands und Österreichs in Teheran
Eröffnungfeier mit dem SWR-Korrespondenten Reinhard Baumgarten (am Rednerpult) und den Botschaftern Deutschlands und Österreichs in Teheran

Das hängt von den aktuellen Ereignissen ab. Wenn man sich die vergangenen Monate anschaut, war es wegen des arabischen Frühlings zunächst ruhig um den Iran geworden. Eine Zeitlang waren Iran-Geschichten gar nicht gefragt, weil die Entwicklung der arabischen Staaten und der Krieg in Libyen die Sendeplätze füllten und zudem Griechenland in den Mittelpunkt der Berichterstattung geriet. Dann kam die Frage auf, ob der arabische Frühling auf den Iran übergreifen wird. Das interessierte die Programme der ARD sehr und der Bedarf an Berichterstattung wurde größer. Der Iran ist natürlich immer im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt sehr wichtig. Und seit den Vorwürfen eines geplanten Attentats in den USA ist der Iran wieder ganz im Fokus.
Welche Hürden mussten Sie für die Errichtung des Studios nehmen?
Wir brauchten die Genehmigung der iranischen Behörden, genauer gesagt des Ershad-Ministeriums (Ministerium für Kultur und islamische Führung – Anm. d. Red.), das unter anderem für die ausländische Presse zuständig ist. Die haben ein Weilchen gezögert und sich sehr genau überlegt, ob sie das wollen und welche Folgen das haben könnte. Am Ende hat man unserem Antrag zugestimmt.
Das war also gar nicht so schwierig?
Nein, es hat nur lange gedauert. Und es hat sehr, sehr viele Gespräche gekostet, bei denen es immer wieder Rückschläge gegeben hat. Es war ein sehr langwieriger Prozess, der viel Überzeugungsarbeit verlangt hat. Da hat der Kollege im Iran, mit dem wir zusammenarbeiten, hervorragende Arbeit geleistet.
Wie viele Leute werden im Studio Teheran arbeiten?
Hörfunk-Chefredakteur des SWR Arthur Landwehr
Hörfunk-Chefredakteur des SWR Arthur Landwehr

Dort arbeiten zwei Leute, unser Korrespondent Reinhard Baumgarten und unser Mitarbeiter, der als ständiger Repräsentant vor Ort ist. Das Studio selbst ist eine simple Zweizimmer-Wohnung, die wir mit den technischen Notwendigkeiten ausgestattet haben.
Wie frei kann man aus dem Iran berichten?
Da gelten für die ARD dieselben Regeln wie für alle ausländischen Medien. Das bedeutet: Wenn man Reportage-Reisen machen will, braucht man eine Genehmigung, die aber in der Regel erteilt wird. Es gibt dabei jedoch bestimmte Einschränkungen, wenn es um Interviews oder Ähnliches geht. Das muss man vorher anmelden. Das ist aber derzeit die einzige Einschränkung. Ansonsten gelten für uns die Regeln des Iran für ausländische Pressevertreter. Pressekonferenzen und Ähnliches können wir ganz normal besuchen. Wir können uns frei bewegen. Der Lackmustest wird aber in der ersten Krise kommen, wenn aus welchen Gründen auch immer im Land etwas geschieht, das sich gegen die Regierung richtet, so wie es nach den Parlamentswahlen der Fall war. Dann wird es sich zeigen, wie gut das Ganze funktioniert. Aber bislang haben wir keinerlei Auflagen bekommen, worüber wir berichten oder worüber wir nicht berichten dürfen.
Sie kommen gerade aus Teheran. Wie haben Sie die Atmosphäre dort empfunden?
Wir hatten sehr viele Gespräche mit Vertretern iranischer Behörden, die auch mit einer kleinen Delegation zur offiziellen Studioeröffnung gekommen sind. Die Atmosphäre war sehr gut und wir sind sehr zuvorkommend behandelt worden. Ich habe den Eindruck, dass man gespannt drauf schaut, wie wir in Zukunft von Teheran aus über den Iran berichten werden. Was die Atmosphäre in der Stadt angeht: Das kann ich nach so einem kurzen Besuch, der auch noch mein erster Besuch in Teheran war, nicht wirklich beurteilen. Ich war überrascht von der Modernität der Stadt und dessen, was ich vom Land gesehen habe. Im Alltag in Teheran spürt man die Sanktionen gegen den Iran kaum. Wenn man genauer hinschaut und mit Menschen spricht, werden natürlich viele Schwierigkeiten deutlich. Aber insgesamt hatte ich den Eindruck von einer Stadt, die sich eingerichtet hat.
Interview: Bamdad Esmaili