Wie man im Iran Filmproduzentin werden kann

Ein Interview sorgt bei iranischen Filmschaffenden für Unmut. Darin erzählt eine  junge Darstellerin, wie sie ohne Berufserfahrung und nur durch gute Beziehungen zum Leiter einer der größten religiösen Stiftungen des Irans ein ungewöhnlich hohes Budget für einen Film erhalten hat.
 
Das Interview mit Sahar Reyhani, erschienen im Onlinemagazin Ghanoon:
Ghanoon: Sie haben im Auftrag der Stiftung „Astan Ghods Razavi“ eine der mächtigsten religiösen Stiftungen der Islamischen Republik Iran – kürzlich einen Film über Imam Reza, einen der wichtigsten Heiligen der Schiiten, gedreht. Bitte erzählen Sie uns mehr über dieses Projekt!
Sahar Reyhani: Ich habe etwa sechs Monate für die Dreharbeiten von „Zolale bi enteha“ („Der unendlich Reine“) gebraucht. Der Film wird am Ende etwa 700 Minuten lang sein. Er handelt von der einflussreichen Persönlichkeit des achten schiitischen Imam Reza. Zurzeit sind wir dabei, den Film zu schneiden.
Ist das eine Serie oder ein Dokumentar- oder Spielfilm?
Ehrlich gesagt, ich weiß es selber nicht.  Aber ich schätze, das Werk hat eher dokumentarischen Charakter. Und obwohl ich wie die anderen jungen Frauen kein gläubiger Mensch bin, hatte ich große Freude an diesem Projekt. Dieses schöne Gefühl begleitet mich heute noch, einen Monat nach Ende der Dreharbeiten.
Sie sagen, Sie sind weder religiös noch haben Sie Erfahrungen in der Filmproduktion. Wie kam es, dass Sie für diese Arbeit ausgewählt wurden?
Gute Frage. Aber glauben Sie mir, ich weiß den Grund selber nicht. Ich habe einen Arbeitsvertrag als Produzentin bei der Stiftung „Astan Ghods Razavi“ bekommen. Dafür sollte ich ein Büro in Teheran gründen. Wir wollten mit einem kleinen Projekt anfangen, aber daraus wurde ein riesiges Projekt über die Aktivitäten der Stiftung in den vergangenen 33 Jahren, über ihre religiöse Arbeit und darüber, was sie mit den Spenden der Bevölkerung macht.



Sahra Reyhani: "Ich weiß selber nicht, warum ich ausgewählt wurde".
Sahra Reyhani: "Ich weiß selber nicht, warum ich ausgewählt wurde".



In Ihrem Lebenslauf finden sich bislang nur einige Rollen als Darstellerin. Wer hat Sie mit diesem großen Projekt beauftragt? Oder war das Ihre Idee?
Um Ihre Frage zu beantworten, muss ich die Vorgeschichte erzählen. Ich bin Studentin an der Teheraner „Technische Sharif Universität “ und wurde vier Jahre hintereinander Siegerin bei der Mathematik-Olympiade. Im vergangenen Jahr fand der Wettbewerb in Südkorea statt. Dort nahm auch der Bürochef der Stiftung „Astan Ghods Razavi“, Mostafa Vaez Tabassi, teil. Dort fragte er mich eines Tages, was mein größter Wunsch wäre. Ich antwortete, dass ich gerne ein Produktionsbüro gründen würde, das auf höchstem Niveau arbeiten und zu den Besten des Landes gehören sollte. Und ich fügte hinzu, dass ich eines Tages reich sein möchte. Für mich war das nur eine Wunschvorstellung. Aber Herr Tabassi antwortete mir, das sei eine gute Idee, ich müsse aber in kleinen Schritten anfangen. Ich erwiderte ihm, dass ich groß anfangen wolle und deshalb finanzielle Unterstützung bräuchte. Danach konnte ich trotz meiner fehlenden Berufserfahrung und allein wegen meines Olympia-Gewinns in Mathe bei der „Astan Ghods Razavi“ anfangen. Gott sei Dank habe ich Herrn Tabassi nicht enttäuscht.
Mit wem haben Sie zusammengearbeitet?
90 Prozent der Aufgaben trug Herr Tabassi. Die restlichen 10 Prozent übernahmen wir als technisches Team.
Hatten Sie Erfahrung in Regie?
Nein. Das ist meine erste Erfahrung.
Wie hoch war das Budget des Projekts?
Etwa 1,5 Milliarden Tuman.  (Das entspricht etwa 600.000 Euro. Für einen Kinofilm wird in der Regel weniger als eine Milliarde Tuman ausgegeben – die Red.)
Gibt es schon ein neues gemeinsames Projekt?
In diesem Jahr sind insgesamt drei gemeinsame Projekte nit „Astan Ghods Razavi“ geplant. Wir werden bald mit der Vorbereitung der Serie „Iranische Krankenschwestern“ anfangen.

Jährlich besuchen bis zu 20 Millionen Shiiten den Schrein von Imam Reza in Maschad, Nordosten des Iran.
Jährlich besuchen bis zu 20 Millionen Schiiten den Schrein von Imam Reza in Maschad, Nordosten des Iran.

Viele freiberufliche Künstler denken, dass solche finanzielle Unterstützungen die Kreativität der Filmschaffenden einschränken. Was ist ihre Meinung?

„Astan Ghods Razavi“ schränkt uns überhaupt nicht ein. Anfangs gab man uns einige Anweisungen in Bezug auf ethisch-moralische Werte, damit sich am Ende keiner beleidig fühlt. Deshalb stimme ich Ihrer Aussage nicht zu. Die Stiftung hat mich motiviert, sodass ich mich jetzt stark und sicher fühle. Welche Organisationen, die mit Kunst zu tun haben, geben einer Künstlerin diese Macht? Die Serie“ Iranische Krankenschwestern“ wird 1.500 bis 2.000 Minuten lang sein. Deshalb kamen in der vergangenen Woche bereits einige Verantwortliche der Stiftung, um zu prüfen, ob uns die vorgesehenen Mittel auch ausreichen. Glauben Sie mir, sie haben uns mit den besten Equipments ausgerüstet, so gut, dass ich für die Tonaufnahme der Serie keine andere Firma beauftragen muss. Unter meinem Produktionsbüro haben sie ein Dolby-Tonstudio aufgebaut, das zu den besten des Landes gehört. Auch bei Dreharbeiten lassen sie mir freie Hand.

Haben Sie sich komplett von der Schauspielerei verabschiedet?
Sehen Sie, ich habe vollkommen ohne Berufserfahrung angefangen. Zwar habe ich in sieben Filmen die Hauptrolle gespielt, aber danach wollte ich mir ein Jahr Zeit nehmen, um mehr Erfahrung zu sammeln. Nun nach diesem Jahr will ich bei der Serie „Iranische Krankenschwestern“ mitspielen.
Dann werden Sie sowohl Produzentin als auch Schauspielerin in der Serie sein?
Ja!
Wie ist die finanzielle Aufteilung zwischen Ihnen als Produzentin und der Stiftung?
Wir kooperieren miteinander.
 
Transparency for Iran 
Das heißt, Sie beteiligen sich auch finanziell?
Ich will mich mit etwa 50 Prozent beteiligen, unter der Bedingung, den Gewinn später entsprechend aufzuteilen.
Sie haben tatsächlich die Hälfte von 1,5 Milliarden Tuman übernommen?
Nein, nicht bei dem letzten Projekt. Das war mir doch zu viel.
Wie konnten Sie dann Produzentin sein?
Als sie gesehen haben, dass ich für meinen Anteil nicht aufkommen konnte, haben sie alles finanziert und wollen mir den Film am Ende sogar abkaufen.
Wann und wo wird „Der unendlich Reine“ für das Publikum zu sehen sein?
Zwar fand das Werk bei  der Stiftung „Astan Ghods Razavi“, beim Kultusministerium und dem staatlichen iranischen Fernsehen Beachtung. Doch es gibt bis heute keine Entscheidung darüber, wo der Film ausgestrahlt werden soll. Ich selbst ziehe es vor, dass der Film auf ausländischen Festivals läuft. Und ich bin mir sicher, dass er die Aufmerksamkeit der Jurys auf sich ziehen wird.