Shahreno oder “Viertel der Traurigen“

Shahreno und die Macht

Die Kunden der Sexarbeiterinnen in Shahreno stammten überwiegend aus der Mittel- und selten aus der Unterschicht. Es gab aber auch feste Verbindungen zwischen Shahreno und hohen Offizieren und einflussreichen Staatsmännern um den Schah. Dafür sorgten einige Frauen, unter anderem Maleke Etezadi. Ihre Vorfahren stammten aus der Qajar-Dynastie. Etezadi war klug, gebildet und ambitioniert, sie hatte in Paris studiert und war eine Schönheit. Sie hatte Affären mit einer Reihe von Offizieren und Staatsmännern und ging im Königspalast ein und aus. Es wird behauptet, dass sie ein Verhältnis mit Ministerpräsident Fazlollah Zahedi hatte und sogar eine Zeitlang die Mätresse des Schahs war.

Eine der einflussreichsten Frauen in Shahreno war Sakine Ghasemi, genannt „Pari Bolande“ (hochgewachsene Pari). Sie verfügte über Kontakte zu einflussreichen Männern und Politikern ebenso wie zu Hooligans und Draufgängern. Ghasemi, Vorsteherin eines Hauses in Shahreno, war reich und erschien mit Limousine und Fahrer zur Arbeit.

Der CIA-Putsch von 1953

Mohammad Mossadegh, eine Galionsfigur der iranischen Unabhängigkeitsbewegung, gehörte zur privilegierten Bildungsschicht des Iran. Nach dem Sturz Reza Schahs im Jahr 1941 gab es eine politische Öffnung im Iran. Mossadegh gründete 1949 mit anderen demokratischen Politikern die Nationale Front als Initiative, die sich für die Unabhängigkeit des Landes von der englischen Großmacht einsetzte. Als Parlamentsmitglied und ab 1951 als Ministerpräsident machte er sich dafür stark, die iranische Erdölindustrie, die sich bis dahin unter der Kontrolle der Briten befunden hatte, per Gesetz zu nationalisieren.

Der den CIA-Putsch unterstützende Mob in Teheran - August 1953
Der den CIA-Putsch unterstützende Mob in Teheran – August 1953

Das jedoch passte der Führung Großbritanniens und der Vereinigten Staaten nicht. Sie legten dem Schah nahe, Mossadegh abzusetzen und Generalleutnant Fazlollah Zahedi an seiner Stelle zu berufen. Am 16. August 1953 gab Mossadegh bekannt, dass ein Putsch gegen die Regierung entdeckt und verhindert worden sei. In Teheran kam es zu Massendemonstrationen, in deren Folge der Schah den Iran verließ.

Drei Tage später, am 19. August 1953, brachen Anhänger des Schahs mit organisierten Rowdys und einer Schar von Sexarbeiterinnen aus Shahreno mit Privat- und Militärfahrzeugen auf, um den geflüchteten Schah in den Iran zurückzuholen. Maleke Etezadi und Sakine Ghasemi gehörten zu den Anführern des Mobs. Seit der nahezu kompletten Freigabe von CIA-Dokumenten im Jahr 2013 gilt die Rolle des US-amerikanischen Geheimdienstes bei dem Putsch von 1953 als bewiesen.

Shahreno in der Kunst

Zwischen 1966 und 1968 beschäftigten sich drei Männer mit dem Leben der Sexarbeiterinnen von Shahreno, darunter der Schriftsteller und Filmemacher Zakaria Hashemi in seinem Roman „Der Papagei“, der seither mehrfach aufgelegt wurde.

Zwei Jahre vor der Revolution verfilmte Hashemi selbst seinen Roman, doch das Ministerium für Kunst und Kultur unter dem Schah genehmigte keine öffentliche Aufführung des Films.

1966 drehte Kamran Shirdel im Auftrag der Iranischen Frauenorganisation den Dokumentarfilm „Ghaleh“ („Die Burg“) über das Leben der Frauen in Shahreno.

Der Kulturminister stoppte jedoch die Dreharbeiten. Shirdel beendete seinen Film später mithilfe von Kaveh Golestans Fotos aus Shahreno .

Der Fotograf und Bildjournalist Kaveh Golestan hatte von 1975 bis 1977 Frauen aus der „Burg“ porträtiert. 2003 kam er als Reporter für die BBC im Krieg der USA im Irak bei einer Minenexplosion ums Leben. Eine Auswahl seiner Bilder aus dem Getto der Sexarbeiterinnen werden heute als Dauerausstellung in der Tate Modern Gallery in London gezeigt.

Golestan selbst sagte über die Fotos: „Ich will Szenen zeigen, die wie eine Ohrfeige wachrütteln sollen.“♦

Im zweiten Teil des Artikels beschreibt Nasrin Bassiri, wie das Geschäft mit dem Sex nach der Revolution aussieht:

Prostitution in der Islamischen Republik Iran

© Iran Journal

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