Schwere Zeiten für MusikerInnen und Fans

International wird der Iran derzeit vor allem im Kontext des Atomkonflikts und seines politischen Einflusses im Nahen Osten wahrgenommen. Doch auch kulturell ist im Land derzeit viel los. MusikerInnen klagen über Auftrittsverbote, Fans über Geschlechtertrennung bei Konzerten, Filmschaffende über fehlende Copyright-Regeln.

Der Komponist und Musiker Hossein Alizadeh, von vielen als „Meister der traditionellen persischen Musik“ bezeichnet und von Musikkritikern als einer der einflussreichsten Musiker des Iran betrachtet, hat die Kulturpolitik der iranischen Regierung kritisiert. Er sei „enttäuscht über das geringe Engagement der Rouhani-Regierung im Musikbereich“, so Alizadeh. „Es ist sehr bedauerlich, wenn man hört, dass die Verantwortlichen in ihren Reden nicht einmal das Wort ‚Musik‘ in den Mund nehmen möchten, sondern stattdessen nur von ‚Kunst‘ sprechen, um unsere Arbeit zu umschreiben“, sagte er in einer Rede im Niavaran-Kulturzentrum am vergangenen Sonntag. Er beklagte auch die geringe Aufmerksamkeit, die iranische MusikerInnen erhielten: Der Iran habe sehr viele musikalische Talente, doch gingen diese mangels Unterstützung und Förderung verloren.
Überall auf der Welt würde MusikerInnen die Möglichkeit geboten, „eine gute Show abzuliefern“, so Alizadeh. Konzerte an historischen Orten etwa seien nichts Außergewöhnliches: „Der Iran ist voll von antiken Ruinen und historischen Stätten. Uns MusikerInnen wird aber nicht erlaubt, dort Konzerte zu geben.“ Deshalb lebten und arbeiteten iranische MusikerInnen lieber im Ausland: „In den vergangenen Jahren habe ich sowohl im als auch außerhalb des Iran viele Auftritte gehabt. Vor meinen Konzerten im Iran bin ich immer sehr nervös, weil ich mir bis zum letzten Augenblick nie sicher sein kann, ob die Behörden mir nicht doch noch meinen Auftritt verbieten“, so Alizadeh.

Geschlechtertrennung in Konzertsälen

Hossein Alizadeh: Bis zum letzten Augenblick bin ich nicht sicher, ob die Behörden mir nicht doch noch den Auftritt verbieten!
Hossein Alizadeh: Bis zum letzten Augenblick bin ich nicht sicher, ob die Behörden mir nicht doch noch den Auftritt verbieten!

Die Erfahrung eines Auftrittsverbots musste zuletzt der beliebte iranische Popmusiker Mohsen Yeganeh machen. Iranische Sicherheitskräfte untersagten ihm vergangene Woche  kurzfristig ein Konzert in Urmia, der Hauptstadt der Provinz West-Aserbaidschan. Grund für die Absage war iranischen Medien zufolge die Weigerung der Veranstalter, eine von der iranischen Polizei seit neuestem geforderte Geschlechtertrennung in Konzertsälen einzuhalten.
Pirooz Arjomand, Direktor der Musikabteilung des Kulturministeriums, distanzierte sich indes von der polizeilichen Anordnung: „Eine Geschlechtertrennung in Konzertsälen ist eine Forderung, die von uns in der Form nicht mitgetragen wird. Urheber dieser Forderung ist einzig und allein die iranische Polizei, nicht das Kulturministerium.“ Das Ministerium spräche sich eindeutig gegen das Eingreifen der Polizei in Konzertsälen aus, so Arjomand weiter. VeranstalterInnen und KonzertbesucherInnen sehen sich in der Islamischen Republik immer wieder mit strengen Behördenauflagen und Polizeikontrollen konfrontiert. Oft werden Musikfans vor den Konzertsälen von der Sittenpolizei kontrolliert und Musikveranstaltungen ohne Begründung kurzfristig abgesagt. Mit der Forderung nach einer Geschlechtertrennung in Konzertsälen sei eine neue Stufe der Drangsalierung von MusikerInnen und ihren Fans erreicht worden, sagen KritikerInnen.
Filmbranche beklagt fehlende Copyright-Regelungen
ّFilmemacher klagen, Kinosäle blieben leer, weil immer mehr Filme im Internet kostenlos abrufbar seien
ّFilmemacher klagen, Kinosäle blieben leer, weil immer mehr Filme im Internet kostenlos abrufbar seien

200 iranische Filmschaffende haben in einem Brief an das iranische Kulturministerium fehlende Copyright-Bestimmungen beklagt. Viele iranische Kinosäle würden leer bleiben, weil immer mehr Filme im Internet kostenlos und mit schlechter Qualität abrufbar seien. Der Schaden für alle, die in der Filmbranche tätig sind, sei sowohl aus künstlerischer als auch aus finanzieller Sicht immens, so die UnterzeichnerInnen des Briefes.
„Problematisch ist auch das Vorgehen iranischer Auslandsfernsehsender. Viele von ihnen strahlen iranische Filme aus, ohne eine Genehmigung bei denjenigen einzuholen, die die Filme produziert haben. Das ist Diebstahl und muss schnellstens unterbunden werden“, sagte die Filmregisseurin Pouran Derakhshandeh gegenüber iranischen Medien. Unproblematisch sind Derakhshandeh zufolge legale Bezahl-Filmportale wie IMVBox.com, auf denen iranische Filme mit guter Qualität und englischen Untertiteln angesehen werden können. Auf dem Webportal IMVBox, das 2013 vom Leiter des Londoner Festivals des iranischen Films, Pejman Danaei, gegründet wurde, sind derzeit über 300 Filme für zahlende UserInnen abrufbar. Derakhshandeh zufolge holt Danaei immer die Erlaubnis der Filmschaffenden ein, bevor die Filme auf der Webseite als Stream angeboten werden.
Sorge um Funde aus der Sassanidenzeit
Dieser historisch bedeutende Stein hat bisher keinen Platz in den iranischen Museen gefunden
Dieser historisch bedeutende Stein hat bisher keinen Platz in den iranischen Museen gefunden

Zwei kürzlich in der iranischen Provinz Fars entdeckte antike Felsbrocken, auf denen Texte aus der Zeit der altiranischen Sassanidenkönige eingraviert sind, droht Archäologen zufolge die Zerstörung. „Diese wertvollen Steine könnten gestohlen oder beschädigt werden, wenn sie nicht so schnell wie möglich in ein Museum gebracht werden“, warnt der Historiker und Aktivist für den Erhalt historischer und kultureller Güter Reza Ghiasabadi. Umweltverschmutzung und das Wetter hätten auf den freigelegten Fundstücken schon besorgniserregende Spuren hinterlassen. „Wir müssen immer wieder erleben, dass die Verantwortlichen es versäumen, historische Funde vor Diebstahl und Schäden zu bewahren. Auch gibt es im Iran leider kaum gut ausgebildete Restauratoren für beschädigte antike Fundstücke oder historische Ruinen. Oft beschädigen unsere Restauratoren die Objekte noch mehr“, klagt Ghiasabadi gegenüber der Nachrichtenagentur ILNA.
Gedenkzeremonie von Sicherheitskräften abgebrochen
 
Ahmad Shamlou: Konservative Kräfte sahen in ihm einen verwestlichten Antiislamisten!
Ahmad Shamlou – Konservative Kräfte sahen in ihm einen verwestlichten Antiislamisten!

Iranische Sicherheitskräfte haben eine Gedenkfeier für den vor vierzehn Jahren verstorbenen iranischen Dichter Ahmad Shamlou verhindert. Dutzende FreundInnen und Fans der Werke des berühmten Dichters hatten sich Ende Juli an dessen Grab in der Stadt Karadsch versammelt, um seiner zu gedenken. Während der Zeremonie wurden BesucherInnen von Geheimdienstlern fotografiert. Schließlich wurde die Veranstaltung aufgelöst, obwohl sie offiziell genehmigt war. „Wir hatten uns hier versammelt, um Shamlous zu gedenken und miteinander seine Gedichte zu lesen. Aber schon das scheint manchen Herrschaften zu viel zu sein“, sagte der Menschenrechtler und Anwalt Nasser Zarafshan in seiner Gedenkrede kurz vor Abbruch der Veranstaltung.
Es ist nicht das erste Mal, dass eine Gedenkzeremonie für Shamlou vorzeitig aufgelöst wurde. Bereits in den vergangenen Jahren ist es immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen TeilnehmerInnen der Gedenkveranstaltungen und konservativen Gegnern des regimekritischen Dichters sowie Sicherheitskräften gekommen. Der linksgerichtete Shamlou war sowohl während der Schah-Dikatur wie auch nach Errichtung der Islamischen Republik eine für die Autoritäten unliebsame Figur. Konservative Kräfte nach 1979 sahen in ihm einen verwestlichten Antiislamisten. Zwar wurde er aufgrund seiner enormen Popularität nie verhaftet, erhielt jedoch ein vierjähriges Veröffentlichungsverbot.
  JASHAR ERFANIAN