Im Einklang mit Hardlinern – Rouhanis Syrien-Politik

Am 19. Juni 2016 nahm der iranische Außenminister Javad Zarif einige personelle Veränderungen in seinem Ministerium vor. Amir Abdollahian, der für arabische Staaten und Afrika zuständige Vize-Minister, wurde seines Amtes enthoben und durch einen Vertrauten Zarifs ersetzt, der auch einige andere Posten neu besetzte. Anscheinend konnten die Vertrauten der Vorgängerregierungen die Politik der neuen Regierung und ihres Außenministers nicht adäquat umsetzen. Die Neubesetzungen, von konservativer Seite abgelehnt, sollten zum Ausdruck bringen, dass das Außenministerium nun im syrischen Krisenmanagement neue und erweiterte Befugnisse erhalten hatte. Zur gleichen Zeit wurde Rouhanis Verteidigungsminister Ali Shamkhani zum leitenden Koordinator für die iranische Sicherheitspolitik und für Militärangelegenheiten in Syrien ernannt.
Rouhani hätte jetzt in Abstimmung mit anderen Organen des politischen Systems die Linie der Krisenlösung in Syrien bestimmen können. Der Verteidigungsminister traf sich mit seinem russischen Amtskollegen in Teheran und erklärte, die syrischen Kriegsparteien sollten miteinander reden. Außenminister Zarif sagte in Oslo, die syrische Krise könne nur politisch gelöst werden, militärisch sei dies nicht zu erreichen. Das Problem bliebe selbst bei personellen Änderungen – gemeint war die Absetzung von Präsident Assad – bestehen. Hingegen könne eine institutionelle Verteilung der Macht und veränderte Regierungsformen in der Zukunft die erhoffte Lösung sein. Diese Aussagen Zarifs wurden als neue Flexibilität des Iran bezüglich Bashar Al-Assads gedeutet.
Militäruniform und diplomatischer Kragen
Schon bei seiner ersten Wahl zum Präsidenten hatte Rouhani die Verbesserung der Beziehungen mit den islamischen Nachbarstaaten versprochen. Zwar konnte er die Beziehungen zu europäischen Staaten nach dem Atomabkommen mehr oder minder normalisieren. Die Beziehung zu Saudi-Arabien als regionaler Konkurrenzmacht entwickelte sich jedoch zunehmend krisenhaft.
So erweiterte sich die iranische Militärpräsenz im Irak, in Syrien und dem Jemen von Monat zu Monat. Ayatollah Ali Khamenei als „Revolutionsführer“ war und ist für eine offensive Präsenz der Revolutionsgarde. Ghasem Soleimani als Kommandeur der iranischen Quds-Armee im Ausland verkörpert diesen Wunsch. Außenminister Zarif hatte angesichts dieser Konstellation nur wenig Spielraum, ihm blieb nur die politische Bestätigung und Akzentuierung der von Soleimani vorgegebenen militärischen Positionen.
Die iranische Außenpolitik in der Region hatte somit zwei symbolische Gesichter. Mohammad Javad Zarif, der sanft und tolerant in die Kameras lächelte, und Qassem Soleimani, der mit zusammengezogenen Augenbrauen und in Militäruniform das aggressive Gesicht der iranischen Außenpolitik repräsentierte. Man kann jedoch beide Gesichter als zwei Säulen eines Gebäudes verstehen, zwei Säulen mit verschiedenen Aufgaben. Zugleich verkörpern sie auch die dem politischen System innewohnenden Spannungen. Soleimani hat bis heute keinen Satz über Rouhanis Außenpolitik verloren. Sein Schweigen ist nicht nur seiner Position zuzuschreiben. Im Gegensatz zu ihm hat Außenminister Zarif öfter die Nähe seiner Positionen zu denen Soleimanis vor den Hardlinern des Iran beweisen müssen – als ob in der Regionalpolitik Soleimani und seine Quds-Armee die Schlüsselrolle spielten und nicht die Regierung des Landes.

Ghassem Soleymani, genannt "der wahre Herrscher von Bagdad"
Ghassem Soleymani, genannt „der wahre Herrscher von Bagdad“

 
Es ist augenscheinlich, dass die Zunahme der Spannungen mit Saudi-Arabien und eine stärkere Einbindung des Iran in regionale Konflikte von Irak und Syrien bis nach Bahrain und Jemen Komponenten einer Politik sind, deren Umsetzung vom „Revolutionsführer“ Khamenei der iranischen Revolutionsgarde überantwortet worden ist. Diese Interventionspolitik wird mit Begriffen wie „strategische Tiefe“ der iranischen Politik und „vorbeugende Maßnahmen zur Verhinderung der Präsenz des IS im Iran“ legitimiert. Damit soll auch international eine positive öffentliche Meinung erreicht werden. Die derzeitige Lage Hassan Rouhanis ist aber alles andere als die im Wahlkampf versprochenen „engen und freundschaftlichen Beziehungen mit allen Nachbarn“. Khamenei hält anscheinend wenig von einer solchen Politik. Er bezeichnet die saudischen Machthaber als „Angehörige eines heimtückisch verfluchten Stammbaums“, die den Terrorismus generiert hätten. Der regionale politische Diskurs ist ein kriegerischer und die Chance auf Versöhnung und Frieden in der Region ist gering. Die Militäruniform des Oberkommandierenden Soleimani und seine Fotos auf den Schlachtfeldern in Syrien und dem Irak finden diese Tage größere Aufmerksamkeit als die eleganten Anzüge und Manschettenknöpfe von Außenminister Zarif.
Wer ist künftig in Syrien die dominante Macht?
In der Nacht auf den 18. Juni 2017 wurde ein Kampfjet der syrischen Luftwaffe von der amerikanischen Koalition in Syrien abgeschossen. Dieses Ereignis markierte nach sechs Jahren Krieg „alle gegen alle“ neue Koalitionen. Danach schossen die US-Militärs zwei iranische Drohnen im syrischem Luftraum ab, die Iraner schickten sechs ihrer Cruise Missiles von ihrer Grenzregion in den Irak, um IS-Stellungen in den Städten Al-Mayadin und Deir Ez-Zor, nicht weit vor der irakisch-syrischen Grenze, zu beschießen.
Dies war das erste Mal, dass der Iran nach dem Iran-Irak-Krieg Raketen gegen Ziele außerhalb der eigenen Grenzen fliegen ließ. Daraufhin beschuldigten die Russen die Amerikaner, ihre militärische Präsenz im südlichen Syrien verstärkt zu haben. Dabei war es nach Berichten von Nachrichtenagenturen eher so, dass die Amerikaner ihre Raketenbasen nach Al-Tanf verlegt hatten, um eine Dominanz des Iran und seiner Verbündeten an der syrisch-irakischen Grenze zu verhindern. US-Beobachter gehen davon aus, dass die Iraner einen direkten Landweg zum Mittelmeer schaffen wollten. Einen solchen strategischen Korridor wollen die Amerikaner unbedingt verhindern. Damit vermeiden sie zugleich eine militärische Konfrontation mit dem Iran in den betreffenden Regionen. Denn wenn die Revolutionsgarden und ihre Verbündeten nicht in Al-Mayadin und Deir Ez-Zor ankommen, brauchen die Amerikaner nicht gegen sie zu kämpfen.
Dieser Linie folgend bombardierten amerikanische Jäger in der Nacht zum 19. Mai nahe der jordanischen Grenze einen Militärkonvoi von Assad unterstützenden schiitischen Milizen. Der Konvoi der vom Iran gesteuerten Milizen sei auf dem Weg nach Al Tanf gewesen, wo die USA unter Beteiligung von Großbritannien ein Ausbildungszentrum für die Freie Syrische Armee (FSA) eingerichtet haben. Er sei bombardiert worden, weil er US-Militärwarnungen nicht beachtet habe. Tatsächlich planen die USA in der Region Al-Mayadin, Deir Ez-Zor und Raqqa die Errichtung mehrerer Militärbasen. Damit möchten sie bei der Zukunftsplanung für Syrien die strategisch bestimmende Stimme sein.
In dieser Situation warnte Russland die USA sehr bestimmt, jedes Kampfflugzeug, das den Euphrat überquere und in Richtung des syrischen Westens fliege, würde abgeschossen werden: vor allem, wenn diese Flieger über Gebieten gesehen würden, die unter der Kontrolle der syrischen Armee stehen. Natürlich geht es hier und bei den Kämpfen um die „IS-Hauptstadt“ Raqqa um die Zukunft Syriens und seine Position auf der künftigen strategischen Landkarte der Region. Doch eine Frage bleibt offen: Wird Syrien künftig unter der Kontrolle Russlands, Teherans und seinen verbündeten paramilitärischen Gruppen oder unter der Washingtons und seiner Verbündeten stehen?
Die Raketengewalt der Revolutionsgarden
Fortsetzung auf Seite 3