Politischen Gefangenen droht die Hinrichtung
Nach Angaben des UNO-Sonderberichterstatters für Menschenrechte im Iran sind allein 2011 in der Islamischen Republik 670 Menschen hingerichtet worden. Auch 2012 ist keine Besserung in Sicht. Landesweit verhängte die Justiz die Todesstrafe gegen mehrere politische Gefangene – trotz nicht vorschriftsmäßiger Gerichtprozesse. Hintergrundinformation zur Lage der Inhaftierten.
Über Situation und Zahl der politischen Gefangenen wird von den staatlichen iranischen Nachrichtenagenturen nur verstreut berichtet. Zuletzt wurde gemeldet, dass derzeit etwa neun politische Inhaftierte auf ihre Hinrichtung warten. Die meisten von ihnen wurden während der Proteste anlässlich der umstrittenen Präsidentschaftswahlen im Juni 2009 verhaftet.
Abdolreza Ghanbari, Literaturlehrer
Der 44-jährige Lehrer Abdolreza Ghanbari ist einer der Betroffenen. Er wurde im Dezember 2009 verhaftet. Nur kurze Zeit später, im April 2010, verhängte das Revolutionsgericht die Todesstrafe gegen ihn, seitdem wartet er auf die Vollstreckung. Ghanbari wurde ein eigener Anwalt verweigert. Ihm wurde lediglich ein Pflichtverteidiger zugeordnet. Der konnte seinen Mandanten vor Gericht allerdings nicht verteidigen, da er als gebürtiger Kurde nicht die nötige Erlaubnis der Behörden dafür bekam.
Das iranische Internetportal Nedaye sabze azadi schreibt über den Literaturlehrer: „Ghanbari hat jahrelang als Oberschullehrer persische Literatur an einer Schule in der Stadt Varamin, 42 km südlich der iranischen Hauptstadt Teheran, unterrichtet. Gleichzeitig hat er zeitweise auch an Universitäten wie ‚Payame Nour’ Literaturseminare gehalten. Zudem verfasste Ghanbari sechs Lernhilfebücher, gründete einen Schriftstellerverein in der Stadt Garmsar und war Herausgeber der Literaturzeitschrift Neviseh, die allerdings nur in unregelmäßigen Abständen erschien. Derzeit befindet sich Ghanbari im berüchtigten Teheraner Evin-Gefängnis. Selbst dort ist er kulturell engagiert und organisiert für seine Mitinsassen literarische Diskussionsrunden. Trotz aller Bemühungen wurde 2010 der Einspruch gegen sein Todesurteil vom Revolutionsgericht abgelehnt.“
Saeed Malakpour, Web-Designer
Der in Kanada lebende Iraner und Webseitendesigner Said Malakpour wurde 2008 bei einem Familienbesuch im Iran verhaftet und ins Teheraner Evin-Gefängnis gebracht. Im Januar 2012 wurde der 35-Jährige vom Obersten Gerichtshof des Iran unter anderem wegen „Design und Betreiben einer Internetseite mit nicht jugendfreien Inhalten“ zum Tode verurteilt. Einer seine Anwälte, Nemat Ahmadi, sagte gegenüber Deutsche Welle Farsi: „Es ist das zweite Mal, dass wir Einspruch gegen Malakpours Todesurteil einlegen. Wir hoffen, dass der neue Antrag nicht wieder abgelehnt wird.“
Familie Daneshpour
Auch Mohsen und Ahmad Daneshpour sitzen im Teheraner Evin-Gefängnis. Auch ihnen droht die Hinrichtung. Meisam Daneshpour sagte in einem Interview mit Rooz-Online: „Mein 69-jähriger kranker Vater und mein Bruder büßen für meinen anderen Bruder, der Mitglied der iranischen Volksmodschahidin ist. Er hält sich im Hauptquartier der Volksmodschahidins ‚Camp Ashraf’ im Irak auf. Mein anderer Bruder und mein Vater sind unpolitisch und haben mit seinen politischen Aktivitäten nichts zu tun. Trotzdem wurden sie als ‚Mohareb’ angeklagt (‚Mohareb’ ist ein Straftatbestand im iranischen Strafgesetz, der ‚Feindseligkeit gegen Gott’ bezeichnet. Laut Gesetz steht darauf die Todesstrafe – d. Red). Zuletzt hatte meine Mutter meinen Bruder im Irak besucht. Kurz nach ihrer Rückkehr wurden meine Eltern und mein Bruder verhaftet. Ich war zu der Zeit nicht zuhause. Als ich zurückkam, fand ich nur ein Schreiben vor: ‚Im Auftrag des Informationsministeriums verhaftet’. Seitdem sitzt meine Mutter auch im Gefängnis und ist schwer krank. Ich habe oft Hafturlaub für sie beantragt, um sie von ihrem Arzt untersuchen zu lassen. Allerdings wurden meine Anträge ohne Gründe zu nennen abgelehnt.“
Kurdische Aktivisten
Irans oberster Gerichtshof gab 2009 als letzte Instanz seine Zustimmung zum Urteil gegen Habiboallah Golparipour. Er wurde wegen seiner Aktivitäten für die PJAK-Partei zum Tode verurteilt. Die PJAK ist ein Ableger der Kurdischen Arbeiterpartei PKK und kämpft in den kurdisch bevölkerten Gebieten des Irans für ein unabhängiges Kurdistan.
Ebenso unter Todesstrafe steht der kurdische Aktivist Shirkou Moarefi. Er wurde 2007 in der Stadt Baneh in der iranischen Provinz Kurdistan verhaftet. Seit März dieses Jahres ist er in Einzelhaft. Für Menschenrechtsaktivisten ist das ein mögliches Signal für eine in Kürze folgende Hinrichtung.
Kahlil Bahramian, der Rechtsanwalt der beiden obengenannten kurdischen Aktivisten, wartet seit Monaten auf die Antwort der Behörden auf seine Einsprüche gegen die beiden Todesurteile. Bahramian sagte in einem Interview mit der Deutsche Welle Farsi: „In beiden Fällen wurde gegen das iranische Grundgesetz Paragraf 168 verstoßen. Demnach müssen Gerichtsverhandlungen von politischen Gefangenen öffentlich und im Beisein von Rechtsanwälten stattfinden. Aber hier verliefen die gesamten Prozesse heimlich und sogar in Abwesenheit der Familienangehörigen. Die Antwort der Justizbehörde auf diesen Einwand lautet, im Gesetzbuch gäbe es keine genaue Definition von politischen Aktivisten. Insofern meint die Justiz sich vollkommen legitim verhalten zu haben. Aber weltweit gelten Menschen, die aufgrund ihrer Aktivitäten oder Meinungen gegen das jeweilige Staatssystem verhaftet wurden, als politische Gefangene.“
Aus dem Persischen: Forough Hossein Pour