"Israels Druck auf den Westen ist sehr groß"
Diese Woche wird die Internationale Atomaufsichtsbehörde einen neuen Bericht zum iranischen Atomprogramm vorlegen. Gleichzeitig sind die diplomatischen Beziehungen zwischen USA und Iran auf einem Tiefpunkt. Israelische Medien berichten von einem möglichen Militärschlag gegen den Iran. TFI sprach mit Mansour Farhang, Professor für internationale Beziehungen und ehemaliger UN-Botschafter Irans, über eine neue Phase der Beziehungen des Iran zum Westen, und einen möglichen Militärschlag gegen den Iran.
Herr Farhang, sind die Ereignisse der letzten Wochen – wie etwa die Aufdeckung eines vermeintlichen Mordkomplotts des Iran gegen den saudi-arabischen Botschafter in den USA, die Reaktion Saudi-Arabiens darauf sowie neue internationale Untersuchungen des iranischen Atomprogramms – Anzeichen für eine neue Phase der amerikanisch-iranischen Beziehungen?
Wenn wir die Auseinandersetzungen des Iran mit den USA oder allgemein mit dem Westen in den letzten Jahren betrachten, verhält es sich bei den Vorwürfen und Beschuldigungen wie Ebbe und Flut: mal nehmen sie zu und mal flauen sie ab. In den letzten Wochen haben die Beschuldigungen aber zugenommen und der Tonfall ist rauer geworden. Die Wahrheit ist, dass die außenpolitische Elite der USA sowie ihre Nahost-Experten sich ziemlich sicher sind, dass der Iran in Kürze in der Lage sein wird, Atomwaffen zu bauen. In den USA sieht man so die eigene Macht in der Region, die nationale Sicherheit in der Heimat sowie die Sicherheit der Alliierten in der Region in Gefahr. In Israel hat man einen ähnlichen Blick auf die Lage, die Gefahr wird dort aber noch als wesentlich ernster betrachtet. Denn man befürchtet, dass Israel als Ziel in Frage kommt, sollte der Iran in die Lage kommen, Atomwaffen zu bauen. Die Drohungen Irans gegen Israel verstärken diese Befürchtungen natürlich. Daher ist der Druck, den Israel auf die USA und die westlichen Mächte ausübt, sehr groß und ausdauernd, denn die Sorgen und Befürchtungen dort sind um einiges größer und ernster als in den USA und den westlichen Ländern. So ist es auch verständlich, dass die Berichte der Atomaufsichtsbehörde über den Stand der Urananreicherung von sehr großer Bedeutung sind.
Halten Sie einen Militärschlag für möglich?
Das Problem ist nicht etwa, dass der Iran mit der Fähigkeit, Atomwaffen zu bauen, den Atomwaffensperrvertrag umgeht oder bricht. Es gibt heute fast dreißig Länder, – wie Deutschland, Brasilien, Südkorea und Japan – die Atomwaffen bauen könnten, aber beschlossen haben, es nicht zu tun, weil es ihrem Wohl und ihrer Sicherheit in der Weltgemeinschaft schaden würde. Aber die ideologische Auseinandersetzung zwischen dem Westen und dem Iran in den letzten zweiunddreißig Jahren und der sehr scharfe Tonfall gegen Israel von einst Chomeini und jetzt Ahmadinedschad, haben ihre Spuren bei den Menschen und politischen Entscheidungsträgern hinterlassen. Daher ist ein Militärschlag gegen den Iran, über den in den Medien Israels, Europas und der USA in den letzten Tagen berichtet wurde, maßgeblich vom Bericht der Atomaufsichtsbehörde nach ihrem derzeitigen Besuch in Iran abhängig.
Die USA haben bisher versucht, mit den europäischen Ländern eine gemeinsame Linie gegen den Iran zu finden und ihr Vorgehen abzusprechen. Bleibt es in der aktuellen Entwicklung bei dieser Zusammenarbeit?
Ja, diese Zusammenarbeit gibt es. Aber die beteiligten Länder haben keine endgültige Entscheidung in der Iran-Frage getroffen. Europäische Staaten wie Deutschland, Italien und Frankreich haben gute und intakte wirtschaftliche Beziehungen zum Iran. Sie befinden sich am Scheideweg. Sie sehen im Iran zwar eine existente Bedrohung, die von Israel immer wieder thematisiert wird. Es gibt aber zwischen den Ländern keine eindeutige gemeinsame Linie gegen den Iran, kein gleiches Maß. Andererseits sind sie auch nicht so heterogen oder gar zerstritten, dass der Iran davon profitieren könnte. Eigentlich könnte er mit seinen guten vor allem wirtschaftlichen Beziehungen zu verschiedenen Ländern zeigen, dass er keine bösen Absichten hat, sondern friedlich ist. Aber die Propaganda der iranischen Regierung steht dem im Weg. Das machen sich die westlichen Medien natürlich zu Nutze.
Der religiöse und politische Führer Irans Ayatollah Khamenei hat vor einigen Tagen vor dem Hintergrund der Berichte über einen möglichen Militärschlag gesagt, dass der Iran einhundert Beweise für die Rolle der USA bei der Unterstützung von Terroristen in der Region habe. Glauben Sie, dass die Beziehungen zwischen dem Iran und den USA unter diesen Vorwürfen leiden?
Die Beziehungen zwischen den USA und dem Iran werden täglich schlechter. Die Worte von Khamenei sind aber vielleicht auch nicht gänzlich falsch. Die USA handeln nicht überall auf der Welt nach den internationalen Kriterien für Menschenrechte. Zum Beispiel im Irak und in Afghanistan, wo es immer wieder zu zivilen Opfern kommt. Was der Westen über die Verbrechen Irans sagt, ist auch richtig. Wir wissen das alle. Aber das löst die Probleme nicht. Khamenei kann mit seinen Aussagen Macht und Ansehen der USA beschädigen, aber nicht die Einigkeit der westlichen Länder brechen oder die Sorgen und Befürchtungen Israels beseitigen. Wenn das iranische Regime sich wirklich um den Ruf und die Sicherheit des Landes sorgen würde, müsste es die Urananreicherung für sechs oder zwölf Monate stoppen, um dann nach der Wiederherstellung des Vertrauens das friedliche Atomprogramm fortzusetzen. Das iranische Regime behauptet stets, sein Atomprogramm sei friedlich. Um das zu beweisen, muss das Land den Mitarbeitern der Atomaufsichtsbehörde ohne jegliche Einschränkungen und Ausnahmen erlauben, alle Orte und Anlagen des Landes zu besichtigen und zu untersuchen.
Interview: Shirin Famili