„Für gute Kinderzeichentrickfilme fehlen uns literarische Vorlagen“

Die ersten Zeichentrickfilme wurden im Iran Ende der 50er Jahre produziert. Besonders erfolgreich waren die Produktionen allerdings nicht. Bis heute sind ausländische Zeichentrickfilme im Iran populärer. Mehr zur Geschichte und heutigen Situation der Animationsfilme in der Islamischen Republik.
 
Mit der Revolution von 1979 wurde die Produktion von Zeichentrickfilmen im Iran für mehrere Jahre eingestellt. Erst Anfang der 90er Jahre haben einige Künstler den Versuch unternommen, der Zeichentrickfilmindustrie neues Leben einzuhauchen. Im Zuge der Ausbreitung der Computertechnologie und der entsprechenden Softwareprogramme gründete das iranische Staatsfernsehen 1996 zur Förderung der Produktion von Zeichentrickfilmen das Saba-Institut. 1998 wurde ein internationaler Animationswettbewerb ins Leben gerufen, der von der staatlichen Kinder- und Jugend-Organisation des Iran, dem „Institute for The Intellectual Development of Children and Young“ (IIDCYA) unterstützt wurde.  Im Interview der Webseite „Iraniananimation“ mit dem iranischen Trickfilm-Regisseur und – Produzenten Mahbod Bazrafshan geht es um Geschichte, Probleme und Zukunft des iranischen Zeichentrickfilms:
Iraniananimation: Schwachpunkt der iranischen Animationsfilme ist oft das Drehbuch. Woran liegt das?








Mahbod Bazrafshan.
Mahbod Bazrafshan.








Mahbod Bazrafshan: Die Geschichte unseres Zeichentrickfilms wird zwar 60 Jahre alt, aber im Grunde wurde erst in den vergangenen Jahren aktiv produziert. Bis vor fünfzehn Jahren war die Branche ziemlich auf sich allein gestellt. Das bedeutete: Künstler schrieben irgendein Drehbuch und produzierten das dann meist auch selbst. Erst mit der Gründung des Saba-Institutes und anderer künstlerisch-gestalterischer Animationsfirmen änderte sich die Situation. Es gab dementsprechend bis vor kurzem auch keine richtige Ausbildung für die Arbeit mit Trickfilm. Viele wussten nicht, was der Unterscheid zwischen einem Spielfilm- und einem Trickfilmdrehbuch ist. Inzwischen hat sich das verbessert. Aber es gibt immer noch einen großen Wissensbedarf.
Es scheint bei kurzen Zeichentrickfilmen besser zu funktionieren als bei längeren. Warum?
Das liegt zum einen daran, dass kurze Geschichten sich einfacher erzählen als längere. Zum anderen kommt die Idee beim kurzen Trickfilm oft vom Künstler selbst, meist hat sie eine klare Botschaft. Bei Trickfilmserien dagegen handelt es sich meistens um Fernsehaufträge. Da hat der Künstler wenig Einfluss auf sein Werk. Zudem wird die Trickfilmindustrie im Iran immer noch vom künstlerischen Geschmack einiger Persönlichkeiten beherrscht. Deshalb mischen sich die Produzenten hier mehr als in anderen Ländern auch ständig in die Arbeit ein. Wenn zukünftig größere Filmproduktionsfirmen in Trickfilme investieren würden, entstünde sicherlich auch die Möglichkeit, unsere Drehbücher zu verbessern.
http://youtu.be/gvY9Um8unpY
Eine Episode der Serie „Schekarestan“, eine Produktion des iranischen Fernsehens
Wie kommt es, dass im Iran bis heute keine einzige bekannte Zeichentrickfigur entstand? Liegt es an den Drehbüchern oder an der Arbeit der Regisseure?
Die Antwort darauf ist ziemlich komplex. Nehmen wir als Bespiel die Figur des Shrek aus dem gleichnamigen US-amerikanischen Zeichentrickfilm. Sein Erfolg liegt darin, dass es vor ihm keine vergleichbare Zeichentrickfigur gab. Zwar präsentiert Shrek einen Typ, der uns von anderen Charakteren bekannt vorkommt. Das Besondere an ihm ist, dies alles von einem Riesen machen zu lassen. Nur mit besonderer Feinarbeit und viel Kreativität beim Drehbuch kann man die Figur so glaubhaft entwickeln. Im iranischen Animationsfilm fehlen dazu die Kapazitäten. Bei uns sind die meisten Figuren gleich und lassen sich kaum voneinander unterscheiden. Ein gängiges Klischee beispielsweise: Alle dicken Figuren verhalten sich in unseren Trickfilmen ähnlich – egal, ob es sich dabei um dicke Menschen, um Bären oder dicke Ameisen handelt.
Dabei gibt es im Iran reichlich literarische Quellen, die sich gut zur Animation eignen würden – etwa die weltberühmte Fabel „Kalila und Dimna“. Warum greift man nicht auf diese zu?
Die Frage, warum wir aus den Fabeln von „Kalila und Dimna“ keine Trickfilme für Kinder produzieren, wird oft gestellt. Die Tiere bilden dort eine Fantasiewelt ab, die Fabeln sind voller Dialoge zwischen den verschiedenen Tieren. Handlungen sind dabei eher selten. Und wenn es dazu kommt, sind sie meist sehr brutal: Der Löwe zerreißt das Kamel. Im Grunde sind diese Fabeln keine Kinderliteratur, sondern für Erwachsene geschrieben. Sie sollen ihnen mit weisen Sprüchen Gutes lehren. Für die Autoren unserer Trickfilm-Drehbücher bräuchten wir gute zeitgenössische Kinderliteratur. Die fehlt uns derzeit leider.
Sie haben selbst einige Fachbücher aus dem Animations- und Trickfilmbereich ins Persische übersetzt. Wie bewerten Sie die Fachliteratur, die in persischer Sprache zur Verfügung steht?
In den vergangenen Jahren ist einiges übersetzt und verfasst worden. Während meines Studiums hatten wir nicht so viele Bücher. Auch der Ausbildungsbereich hat sich verbessert.
Wie sehen Sie die Situation der iranischen Animationsfilme in der Zukunft?
Diese Frage ist sehr schwer zu beantworten. Es hängt davon ab, aus welcher Perspektive wir diese Branche betrachten. Wollen wir kreative Zeichentrickfilme entwickeln oder nicht? Wir haben inzwischen gut ausgebildete Animationskünstler. Das würde eine gute Voraussetzung für die Zukunft darstellen, wenn es das Problem mit dem Management und den Produzenten nicht gäbe.
Zur Person:
Mahbod Bazrafshan wurde 1970 in der iranischen Stadt Shiraz geboren. Er studierte an der Teheraner Theater- und Filmhochschule Zeichentrickfilmregie und hat bis heute bei etwa sieben Animations- und Trickfilmen als Regisseur, Drehbuchautor, Kameramann, Cutter oder Produzent mitgewirkt. Daneben übersetzte er zahlreiche Fachbücher ins Persische und bietet Kurse für Zeichentrickfilmautoren an.
fp