Fatwa und Peitschenhiebe: Iranische Themen im Internet
Die Verurteilung eines Karikaturisten zu 25 Peitschenhieben und eine Fatwa gegen den Rapper Shahin Najafi gehören zur Zeit zu den heiß diskutierten Themen der iranischen Internetgemeinde.
Das ist die Geschichte hinter der Zeichnung: Als Wahlkampfmanöver für die 9. iranischen Parlamentswahlen hatte der Abgeordnete Ahmad Lotfi Ashtyani versucht, den Sitz einer Fußballmannschaft aus der ersten iranischen Liga von Teheran nach Arak, die Hauptstadt der Provinz Markazi, zu verlegen. Doch diese Umsiedlung missglückte – genauso wie seine Wiederwahl. Der Karikaturist Mahmoud Shokrayeh fertigte für die regionale Wochenzeitung „Nameye Amir“ eine Karikatur an, die Ashtyani im Fußballtrikot auf einem Spielfeld zeigt – und wurde dafür zu 25 Peitschenhieben verurteilt.
Die Meldung über die Verurteilung des Karikaturisten wurde von zahlreichen iranischen Nachrichten-Websites aufgegriffen. Als Reaktion auf das Urteil forderte der in Frankreich lebende iranische Karikaturist Mana Neyestani in einem Artikel für die Website „Mardomak“ andere Zeichner auf, aus Solidarität mit Shokrayeh ebenfalls Zeichnung des Parlamentariers anzufertigen und auf ihren Blogs und in sozialen Netzwerken zu veröffentlichen.
Es sei ihm egal, schreibt Neyestani in seinem Text, welcher politischen Partei oder Gruppierung Shokrayeh angehöre, ob er ein Reformer oder ein Hardliner sei: „Ich glaube, dass sich die Situation für iranische Zeichner verschlimmert, wenn man schweigt oder gleichgültig bleibt.“ Einige Cartoonisten sind Neyestanis Aufruf gefolgt und haben ihre Arbeiten auf Blogs und Facebook veröffentlicht. Zahlreiche ihrer Zeichnungen sind auch auf Neyestanis Facebook-Seite zu sehen.
Auch Bloggerinnen und Blogger wie die Journalistin Masih Alinejad haben begonnen, die Cartoons zu sammeln und auf ihren Blogs zu veröffentlichen. Iranische Internetnutzer verbreiten die Bilder auf sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter.
Auf dem Höhepunkt der Kontroverse veröffentlichte eine Gruppe von iranischen Nachrichten-Websites im Iran eine Erklärung, in der sie die Verurteilung des Zeichners kritisieren. Sie weisen darauf hin, dass täglich Cartoons über hohe iranische Offizielle veröffentlicht werden. Es sei deshalb unerklärlich, aus welchem Grund eine Karikatur über einen ehemaligen Parlamentarier eine solch harsche Reaktion hervorrufe: „Dieses Urteil ist nicht nur ungerecht. Noch bevor das Urteil am Zeichner vollstreckt wird, trifft es bereits die gesamte iranische Presse, die unter Druck und Restriktionen arbeitet“, heißt es in der Erklärung.
100.000 US-Dollar Kopfgeld auf einen Rapper
Shahin Najafi ist einer der bekanntesten iranischen Rapper. In seinen Liedern kritisiert der in Deutschland lebende Najafi die iranische Gesellschaft und Kultur. Diese Woche veröffentlichte der Rapper den für Kontroversen sorgenden Song „Ay Naghi“. Imam Ali Naghi gilt als der zehnte heilige Imam im schiitischen Islam. Der Song entfachte deshalb eine hitzige Debatte im persischsprachigen Cyberspace.
Nach der Bekanntmachung des Musikstücks veröffentlichten zahlreiche iranische Websites – wie etwa „Fars News“ – eine Fatwa des in Qom lebenden schiitischen Klerikers Ayatollah Safi Golpayegani. Darin bezeichnet er die „Beleidigung des 10. Imams“ als Apostasie (Glaubensabfall). Das kommt einem Todesurteil für den Rapper gleich.
Die Fatwa spaltete die Meinungen im iranischen Cyberspace. Einige Nutzer unterstützen sie, andere zeigten sich schockiert. Der Twitter-Nutzer Younes Kazemi nennt drei Facebook-Seiten, die eigens zur Unterstützung der Fatwa eingerichtet wurden. Eine der Facebook-Gruppen mit dem Namen „Wir werden Shahin Najafi töten“ verlinkt auf ihrer Seite zu der ultrakonservativen Website „Shia Online“. Die wiederum hat eine Belohnung in Höhe von 100.000 US-Dollar für die Ermordung von Najafi in Aussicht gestellt: „Wir wollen Shahin Najafis Tod“, heißt es auf „Shia Online: „Eine 100.000-Dollar-Belohnung für den Mörder dieses dreckigen Tiers.“
Die Gruppe hat mehr als 400 „Likes“. Twitter-Nutzer Alireza Farizan schlussfolgert daraus: „Das bedeutet, dass wir mindestens 400 potentielle Mörder bei Facebook haben.“
Es gibt aber auch Gegner der Fatwa. Ehsan etwa schreibt: „Shahin Najafi hat von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch gemacht. Du kannst auch von deinem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch machen. Aber du solltest deinen Gegner nicht physisch eliminieren.“ Aus den Kommentaren wird deutlich, dass die meisten Kritiker Najafis sich im Iran befinden, während seine Anhänger im Ausland sind.
Quelle: Iran Media Programm