Demokratisierung mit fremder Hilfe?

  Für den politischen Aktivisten und Angehörigen der säkularen politischen Organisation United Republicans of Iran, Mohsen Nedschad, ist das Recht auf freie Meinungsäußerung das wichtigste Gut. Er stellt vor dem Hintergrund der gängigen Meinung, jede Einmischung aus dem Ausland würde die Souveränität des Iran verletzen, die Frage: Was nützt Souveränität, wenn die Bevölkerung unterdrückt wird? In diesem Zusammenhang nennt er Nordkorea „den unabhängigsten Staat der Welt“.
„Überall, wo das Recht auf freie Meinungsäußerung verletzt wird, werden auch die nationalen Interessen missachtet“, sagt Nedschad. Folglich sollte man einem fremden Staat, der sich für dieses Recht einsetzt, einer inländischen und unterdrückenden Macht vorziehen.
Einmischung unaufhaltsam
Die Universitätsdozentin und politische Analystin Victoria Tahmasebi unterscheidet zwischen Großmächten und den kleinen Nachbarländern des Iran.

Victoria Tahmasebi
Victoria Tahmasebi

Sie weist darauf hin, dass die Regierungen durch Globalisierung, Digitalisierung und Vernetzung nicht mehr in der Lage seien, den Einfluss fremder Mächte zu kontrollieren. „Die Großmächte versuchen, die kleineren und schwächeren Länder politisch, wirtschaftlich und kulturell unter ihren Einfluss zu nehmen, und im Inland streben die gesellschaftlichen Kräfte Veränderungen an. Die Erfahrungen bleiben wiederum nicht innerhalb der geografischen Grenzen der jeweiligen Gesellschaft“, so Tahmasebi.
Der nationalen Interessen halber solle man ausländischen Versuchen gegenüber misstrauisch bleiben und inländische Bemühungen gedeihen lassen, empfiehlt die Wissenschaftlerin: „Die Demokratie im Iran entsteht durch die Verbindung der Kultur und der Erfahrungen der iranischen Gesellschaft mit der umgebenden Welt.“
Voraussetzung großer Veränderungen
Mehdi Arabshahi
Mehdi Arabshahi

Große Veränderungen wie der Übergang zur Demokratie seien ohne die Unterstützung von Großmächten nicht möglich, sagt Mehdi Arabshahi, der frühere Sekretär der Studentenorganisation Office for Strengthening Unity: „Man kann vielleicht hoffen, dass die mächtigen Demokratien im Westen wie die in Europa oder den USA die Demokratisierung des Iran im Einklang mit ihren eigenen langfristigen Interessen sehen.“ Doch optimistisch ist der politische Aktivist diesbezüglich nicht.
Bei ausländischer Unterstützung solle man auf zivilgesellschaftliche, menschenrechtliche, mediale und politische Aktivitäten achten, so Arabshahi: „Solange die inländischen Kräfte im Bereich Zivilgesellschaft, Menschenrechte oder Entstehung freier Medien ihre Unabhängigkeit bewahren können, ist ausländische Unterstützung legitim.“ Bei politischen Aktivitäten jedoch solle man sensibler vorgehen. Ausländische Unterstützung für eine bestimmte Partei oder politische Gruppierung könne für die Wettbewerbsfähigkeit anderer politischer Kräfte von Nachteil sein, mahnt er.
Ja zur Unterstützung der Meinungsfreiheit
 „Ich kenne kein einziges Land, das ohne die Unterstützung anderer Länder beziehungsweise ausländischer zivilgesellschaftlicher Gruppen den Weg zur Demokratie gefunden hat“, gesteht die Menschenrechtsaktivistin und Mitbegründerin des E-Learning Institute for Iranian Civil Society, Maryam Memarsadeghi.
Maryam Memarsadeghi
Maryam Memarsadeghi

„Einmischung“ sei eine Frage der Perspektive: „Diejenigen, die der iranischen Bevölkerung zur Zeit auf welche Art und Weise auch immer helfen, unterstützen diese auf dem Weg zu einer besseren Zukunft.“
Auch die Islamische Republik werde vom Ausland unterstützt, betont die Menschenrechtsaktivistin: „Und zwar meistens von Ländern, die ihre eigene Bevölkerung unterdrücken.“ Die iranischen Freiheitskämpfer fühlten sich den ausländischen Regierungen verbunden, die sie unterstützten, sagt Memarsadeghi: „Seit Jahren versucht die Islamische Republik, Israel als den größten Feind des Iran und des iranischen Volkes darzustellen. Mittlerweile weiß jeder im Iran, dass nicht Israel das iranische Volk tyrannisiert, sondern die Islamische Republik selbst.“
Ja zur Zusammenarbeit
Pezhman Tahouri
Pezhman Tahouri

Der Journalist und politische Analyst Pezhman Tahouri stellt fest: „Eine Demokratie kann nur dann Wurzeln schlagen, wenn eine breite Mehrheit einer Gesellschaft sie aktiv anstrebt.
Eine durch ausländische Gewalt installierte Demokratie kann sich blitzschnell in ein nicht demokratisches System verformen.“ Nichtsdestotrotz könne der Übergang zur Demokratie im Iran nur durch die Zusammenarbeit inländischer und ausländischer Kräfte erfolgen. Die Islamische Revolution von 1979, die die Pahlavi-Dynastie beendete, sei ein gelungenes Beispiel einer solchen Zusammenarbeit, betont Tahouri: „Die ausländische Unterstützung kann die Machtverhältnisse zwischen der Opposition und der Regierung ausgleichen und somit zum Übergang zur Demokratie beitragen.“
Übertragen aus dem Persischen und überarbeitet von Iman Aslani
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