Hale Sahabi stirbt bei der Beerdigung ihres Vaters Ezatollah Sahabi

Zum wiederholten Mal sorgt das Vorgehen der iranischen Sicherheitsorgane bei einer Beerdigungszeremonie für einen Eklat. Nach Augenzeugenberichten starb die herzkranke Tochter des gestern verstorbenen Politikers und Publizisten Sahabi heute nach einem Handgemenge mit Sicherheitskräften an Herzstillstand.

Vater und Tochter waren zum Zeitpunkt des Todes auf Hafturlaub; er wegen einer Operation im Krankenhaus, sie, um vom sterbenden Vater Abschied zu nehmen.

Der Beerdigung des 81jährigen renommierten Politikers und Vorsitzenden der Nationalreligiösen Gruppierung gingen Verhandlungen mit dem Geheimdienst über Zeit, Ort und Art der Zeremonie voraus. Sahabi lag seit etwa vier Wochen wegen Hirnblutungen in Folge einer Operation im Koma und starb am gestrigen Dienstag.

Die kurze Strecke vom Wohnort, wo die Leiche aufbewahrt wurde, bis zum Friedhof in Lawassan sei stark kontrolliert und von Wachposten eng abgesichert gewesen, berichten Augenzeugen. Auch alle Zugänge zum Bezirk waren gesperrt und nur für Verwandte und nahe Bekannte zugänglich, um größere Menschenansammlungen zu vermeiden.

Die Angst der Sicherheitsbehörden vor unkontrollierbaren Menschenmengen, geboren aus den Erfahrungen der blutigen Ereignisse, die den Wahlen 2009 folgten, hat bereits in der Vergangenheit mehrfach dazu geführt, dass Polizei und Geheimdienst solche Ereignisse scharf kontrollierten. Da die Regierung Demonstrationen nicht genehmigte, fanden in den vergangenen zwei Jahren Protestkundgebungen häufig an offiziellen oder religiösen Feiertagen statt.

Nach Angaben der Anwesenden begleiteten jedoch zwischen 500 und 1000 Menschen den Leichnam die kleine Straße entlang, als Sicherheitsbeamte die Fortsetzung der Prozession unterbrechen und die Leiche selbst zum Friedhof abtransportieren wollten, obwohl keine politischen Parolen skandiert wurden.

Die Proteste von Familie und Verwandten führten zu „heftigen Tumulten und Spannungen“, äußerte ein anwesender Journalist gegenüber der „International Campaign for Human Rights in Iran“. Als die Tochter (Hale Sahabi) zum Leichnam ging, „wurde sie geschlagen und mit Gewalt von der Leiche des Vaters entfernt “, schilderte er weiter. Regierungsbeamte hätten dann die Leiche „entwendet und mitgenommen“.

„Agenten versuchten ein großes Bild des Vaters, das Hale Sahabi mit sich führte, ihren Händen zu entreißen. Als sie sich wehrte, hat einer von ihnen sie unter Beschimpfungen mit dem Ellenbogen in die Seite gestoßen und sie fiel hin“, sagte Ahmad Montazeri, Sohn des verstorbenen Großayatollahs Montazeri, der sich nach eigenen Angaben „wenige Meter“ vom Ereignis entfernt befand, im Interview mit Jaras. Sie erlitt möglicherweise eine Herzattacke, brach daraufhin zusammen und wurde ins Krankenhaus abtransportiert, wo sie an Herzversagen starb.

Auch der Enkel Montazeris, Hamed Montazeri, der als Augenzeuge dabei war, bestätigt den Vorfall. Zu RasaTV sagte er: „Sie wurde in den Oberkörper geschlagen und fiel ohnmächtig hin“. Hamed Montazeri und einige andere Teilnehmer wurden kurz darauf vorübergehend, zu „Abschreckung der anderen“ wie er sagt, verhaftet. Er führte im Interview aus: „Ich bin bereit unter Eid auszusagen. Und falls später eine andere Aussage von mir gesendet werden sollte, bekunde ich hiermit, dass meine heutige Aussage gilt.“

Ein angeblich behandelnder Arzt des Krankenhauses sagt, ohne seinen Namen zu nennen in einem auf Youtube veröffentlichten Video, dass die ‎Todesursache von Hale Sahabi kein Herzinfarkt, sondern innere Blutungen waren, ‎die von äußerer Gewaltanwendung herrühren.‎ Die Familie hat dies nicht bestätigt.

 

Ezatollah und Hale Sahabi

 

Die 56jährige Hale Sahabi war Islamwissenschaftlerin und selbst eine politische Aktivistin, Frauenrechtlerin und Mitbegründerin der Organisation „Mütter für Frieden“. Sie wurde kurz nach den umstrittenen Präsidentschaftswahlen 2009 verhaftet und wegen „Propaganda gegen das System bei ständiger Teilnahme an ungesetzlichen Demonstrationen“ zu zwei Jahren Haft verurteilt. Für die heutige Zeremonie hatte man ihr Hafturlaub gewährt.

Sahabi war einer der dienstältesten Politiker des Landes und hatte viele Jahre lang die intellektuellen Debatten der Reformbewegung geprägt. Auch in den vergangenen Jahren trat er mit Kritik an die Regierung Ahmadinedschad hervor.

Nach der Revolution wurde er Parlamentsabgeordneter und hatte später weitere Posten inne. Als Mitglied des Expertenrates führte sein Widerstand gegen die Festschreibung der „Herrschaft des Rechtgelehrten“ in der Verfassung zu Differenzen mit dem System. Er verlor seine politischen Ämter. Später verließ er die Freiheitsbewegung und wurde Vorsitzender der Nationalreligiösen Gruppierung, die gleich zu Beginn ihrer Aktivitäten verboten wurde, sich aber nie auflöste.

Er wurde zum Verfechter der Reformbewegung – seiner Meinung nach der einzige Weg zu Veränderungen im System. Er gründete 1991 die Zeitschrift „Irane Farda“, die zu einem der tonangebenden Organe der „Religiösen-“ bzw. „Reformintellektuellen“ wurde. Sie wurde 2000 verboten.

Im gleichen Jahr wurde er wegen „umstürzlerischer Aktivitäten“ zu elf Jahren Gefängnis verurteilt. Er bezeichnete diesen Gefängnisaufenthalt als einen der schwersten. Sahabi verbrachte insgesamt 15 Jahre im Gefängnis – vor und nach der Islamischen Revolution.