Revolutionsgarde gegen BBC

Kurz vor den Parlamentswahlen wirft Teheran dem britischen Auslandssender BBC „Spionage und sanften Krieg“ gegen den Iran vor. 24 junge Journalisten, Dokumentarfilmer und Blogger sollen in diesem Zusammenhang angeklagt worden sein. Ein weiterer Schritt zur Einschränkung des freien Informationsflusses, warnen Kritiker.
24 unabhängige Journalisten, Dokumentarfilmer und Blogger sind ins Visier von Irans mächtigstem Geheimdienst und Militärflügel geraten: der Revolutionsgarde. Der Generalverdacht gegen sie alle: „heimliche Kooperation“ mit der BBC Persian. So lautet jedenfalls die Erklärung der „Abteilung für organisiertes Verbrechen“ der Revolutionsgarde. Die Abteilung ist eine Cyber-Überwachungsorganisation, die sich seit 2008 ausschließlich auf Aktivisten und Oppositionelle in der virtuellen Welt spezialisiert hat. Sie gehört mittlerweile zu den wichtigsten Zweigen der Revolutionsgarde.
Am 24. Februar veröffentlichen die Revolutionswächter auf „Gerdab“, einer ihrer Webseiten, angebliche Details über eine so genannte „Fuchsauge-Operation“. Demnach sollen fünf der 24 angeklagten Beschuldigten in mehreren kleinen Zellen heimlich  für BBC Persian operiert haben. Einer von ihnen soll im Iran neue journalistische Talente für den Sender angeworben haben, ein anderer für die Finanzen zuständig gewesen sein. Ein weiterer soll im Auftrag von BBC Persian „unbefugt“ Dokumentarfilme gedreht haben, eine vierte als Schwester einer BBC-Mitarbeiterin „wertvolle Informationen“ aus Teheran für den Sender in London geliefert haben. Die Namen der drei weiblichen und zwei männlichen inhaftierten Journalisten wurden auf der Webseite abgekürzt, ihre Fotos unkenntlich gemacht.
Sadegh Saba, der Chefredakteur von BBC Persian, weist alle Beschuldigungen der Revolutionsgarde zurück. BBC Persian habe keine Mitarbeiter im Iran beschäftigt, so Saba: „Wir arbeiten transparent und haben nichts zu verbergen. Unsere Interviewpartner aus dem Iran werden telefonisch oder per Webcam zu uns geschaltet“.
„Fuchsauge“ erblindet!

So wurden die angeklagten Journalisten und Dokumentarfilmer in den iranischen Websites dargestellt.
So wurden die angeklagten Journalisten und Dokumentarfilmer in den iranischen Websites dargestellt.

Am selben Tag meldete das staatliche iranische Fernsehen: „Fuchsauge erblindet“. In dem Bericht hieß es, die britische Regierung habe die „Fuchsauge-Operation“ systematisch unterstützt. Demnach soll BBC Persian mit finanzieller Unterstützung der britischen Regierung versucht haben, durch „neue Methoden gezielte Informationen“ aus dem Iran zu erlangen. Zu den benannten Methoden gehören etwa das Anwerben von sowohl journalistisch als auch politischen Talenten des Landes, eine Vernetzung dieser Personen mit „antirevolutionären“ Sendern im Ausland sowie Spionagetätigkeiten dieser Personen in iranischen Ministerien, Botschaften und Erdölraffinerien.
http://youtu.be/n9pP1pMqgtg
Neue Phase im Kampf gegen BBC Persian
Seit 2008 strahlt die BBC ihr persischsprachiges TV-Programms aus. „Seitdem versuchen wir, täglich professionell zu berichten, und werden uns auch in Zukunft nicht von solchen Erpressungen einschüchtern lassen“, betont Saba. Immer wieder unterbricht die iranische Regierung systematisch den Empfang von persichsprachigen Programmen aus dem Ausland durch Störsignale. Und immer wieder bezeichnen die iranischen Machthaber diese Sendungen als „Unruhestifter“ oder „Stimme der vom Westen unterstützten Opposition“. Doch seit Anfang Februar verschärfte die Revolutionsgarde ihren Druck gegen die BBC, wie auch der Fall eines Online-Verhörs mit einer BBC-Reporterin beweist.
Anfang Februar gab BBC Persian bekannt, dass die Schwester einer ihrer redaktionellen Mitarbeiterinnen in Teheran verhaftet und in eine Einzelzelle ins Evin-Gefängnis gebracht worden sei. Anschließend bekam die BBC-Reporterin, die in London lebt und arbeitet, E-Mails von Sicherheitsbeamten der iranischen Revolutionsgarden (IRGC). Diese setzten sie unter Druck, im Gegenzug für ein Online-Gespräch der Journalistin mit den IRGC-Mitarbeitern ihre Schwester in Teheran freizulassen. Dieser beispiellose Vorgang löste in der iranischen Internetgemeinde Entsetzen aus.
Chefredakteur Saba sprach damals von einer „Geiselnahme“, die „jeglichen Grundsätzen von Presse- und Meinungsfreiheit“ widerspreche. Er vermutete hinter dem Online-Verhör der Revolutionsgarde eine neue Inszenierung „eines ihrer alten Tricks“. Sabas Einschätzung scheint richtig zu sein, denn am Ende des „Fuchsauge“-Berichtes wurde das Ausstrahlen eines „TV-Geständnisses“ angekündigt.
BBC-Generaldirektor Mark Thompson nannte die jüngsten Vorfälle „unmenschlich“. In der Polit-Talkshow „Andrew Marr Show“ vermutete der BBC-Chef zwei Motive hinter den Drohungen. Zum einen sollten BBC-Persian-Mitarbeiter soweit eingeschüchtert werden, dass sie ihre Arbeit beim Sender einstellen. Zum anderen sollte auf sie eingewirkt werden, mit den iranischen Sicherheitsbehörden zu kooperieren, um die Redaktion auszuspähen.
Mohammad Reza Moini von „Reporter ohne Grenzen“ (ROG) glaubt, das iranische Regime erfinde immer wieder neue Szenarien, um seinen Kampf gegen die Medien und den freien Informationsfluss fortzuführen. ROG hat den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen gebeten, gegen die neue Welle der Unterdrückung von kritischen Stimmen im Iran vorzugehen.