Ein gesäubertes Internet für die Menschheit
In Iran wird über die Aussagen von Regierungsstellen gerätselt, wonach ein „reines Internet“ eingeführt werden soll. Während das Netz ohnehin nicht frei zugänglich ist und etliche Internet-Seiten gefiltert werden, kündigen offizielle Stellen bereits seit Monaten an, eine „neue Form des Internets“ einführen zu wollen.
Einige vermuten, die Regierung plane eine Sperrung des Internets nach außerhalb des Landes, womit das iranische Netz quasi die Form eines Intranets annehmen würde; Ausnahmen sollen für Behörden oder etwa Unternehmen mit einer entsprechenden Lizenz gelten.
Alireza Shirazi schreibt dazu:
Mehr News Agency zitiert den Minister für Kommunikation und Technologie, Reza Taghipour, der erklärt, die ersten Schritte zur Idee eines „gereinigten Internets“ seien vollzogen worden: „Der erste Ort für die Umsetzung des Konzepts ‚reines Internet‘ wird Iran sein, und hiernach wird es der gesamten Menschheit zur Verfügung stehen“.
Der Minister fügte hinzu: „Reines Internet ist eine Idee, zu deren Umsetzung uns Wissenschaftler und Kommunikationsexperten ihre Vorschläge unterbreiten sollen.“
Sein Stellvertreter, Ali Hakim Javadi, konkretisierte diese Aussage dahingehend, dass diese Form des Internets frei von jeglichen „unmoralischen, ungläubigen und atheistischen, kriminellen, zwiespältigen und deprimierenden Inhalten“ sein werde.
„Reines Internet“ ist das neueste Produkt der Verantwortlichen für Kommunikation und Technologie, das wie die letzten Produkte, und besonders das „Nationale Internet-Projekt“, im Augenblick nicht mehr als Worte und Gerede ist.
Hier sind zwei Punkte in den Aussagen des Kommunikationsministers interessant: „Reines Internet“ ist bislang nur eine Idee, und andere sollen sie definieren und zielführende Wege vorschlagen! Mit einfachen Worten: es ist überhaupt nicht klar, was das „reine Internet“ ist und wie es umgesetzt werden soll. Und der zweite interessante Punkt: während das Ganze noch unausgegoren bleibt, wollen wir es auch noch der gesamten Menschheit zur Verfügung stellen.
Die Verantwortlichen haben bereits angekündigt, dass sich das „reine Internet“ vom Filtering unterscheidet. Wenn bislang, technisch gesprochen, die Rede von der Reinigung des Internets war, dann betraf es entweder das Filtering von unpassenden Seiten, die auf schwarzen Listen landeten, oder die Zulassung nur ausgewählter Seiten (sowie ihrer Informationsübertragungsprotokolle) auf weißen Listen.
Das „reine Internet“ kann demnach nichts anderes sein als die Erstellung neuer weißer Listen von erlaubten Webseiten, die von den Nutzern ausschließlich angesteuert werden können.
Auch wenn die Kriterien des „reinen Internets“ nicht festgelegt sind, kann man angesichts der bisherigen Erfahrungen mit dem System des Filterings davon ausgehen, dass die Webseiten, die heute bereits gefiltert und nicht zugänglich sind, keinesfalls Teil des „reinen Internets“ sein werden.
Deshalb können wir nun auch der gesamten Menschheit verkünden, dass es im künftigen reinen Internet keine Spur mehr geben wird von Facebook, Twitter, Youtube, Flikr, den meisten Bild-, Video-Upload-Seiten, Digg, Orkut, Myspace, wahrscheinlich allen sozialen Netzwerken, Google Reader, Blogger, WordPress, Friendfeed und allen anderen schöpferischen und vielbesuchten Seiten!