Wertvolle Kunstgemälde in unzumutbaren Zuständen
Katastrophale Umstände in den Lagerräumen der iranischen Museen, mangelndes Fachwissen der Verantwortlichen – der iranische Maler Bahram Dabiri, die renommierte Galeristin Leili Golestan und Reza Nami, Kurator für moderne Kunst, diskutieren in der Redaktion der iranischen Zeitung „Etemad“ über die heikle Lage wichtiger Kunstwerke im Iran. Hier einige Ausschnitte des Gesprächs.
Reza Nami, Kurator: “Außer im Museum für zeitgenössische Kunst in Teheran werden landesweit die Normen für eine richtige Aufbewahrung von Kunstwerken vernachlässigt. Vor einiger Zeit sah ich bei einem Besuch im Schloss Niavaran im Hamam (Badebereich, TFI) neben einem Mülleimer eine Original-Lithografie von Marc Chagall liegen. Als ich fragte, warum das Kunstwerk dort liege, antwortete mir ein Verantwortlicher: ‚Wir dachten, es handele sich um ein einfaches Poster.’ Ich sagte darauf: „Falls Ihr es nicht haben möchtet, kaufe ich es Euch gerne ab.’ Ein anderes Mal suchte ich im Sadabad-Museum nach Film-Archivmaterial und entdeckte zwischen Kleidungsstücken der ehemaligen Königin Farah Pahlavi etwa zehn Werke von Marc Chagall, die wohl seit Jahren dort lagen. Auch hier wusste keiner, um welch hochgeschätzte Kunst es sich handelte. Und solche Beobachtungen macht man nicht nur in Teheran. Im Museum für zeitgenössische Kunst der iranischen Stadt Kerman sind die den Kunstwerken gegebenen Nummern direkt auf die Leinwände geklebt worden.“
Leili Golestan, Galeristin: “Ich wollte zwei Gemälde des berühmten iranischen Malers und Dichters Sohrab Sepehri im Sadabad-Museum fotografieren. Als ich den Raum, in dem diese aufbewahrt wurden, betrat, erschrak ich über dessen chaotischen Zustand. Die Bilder lagerten ohne bestimmte Anordnung übereinander, so dass sogar einige dadurch aneinander festklebten. Selbst dem Museumsmitarbeiter fiel mein Entsetzen auf. Doch sein Versuch, ein Kunstwerk etwas sorgsamer aus dem Stapel zu ziehen, blieb erfolglos und ich wurde Zeugin davon, wie das Gemälde beim Herausziehen einen langen Kratzer bekam. Das Sadabad-Museum in Teheran birgt wertvolle Kunstwerke. Der dortige Zustand hat damit zu tun, dass die Verantwortlichen keine Kunstexperten sind und somit nicht das nötige Fachwissen haben. Deshalb ist meine Hoffnung gering, dass Kunstwerke in anderen Lagern besser aufbewahrt werden. Die Verantwortlichen wissen nicht einmal, wie bedeutend diese Kunstwerke sind und dass sie mit jedem Tag an Wert gewinnen. Außerdem haben die Museen ihre zeitgenössischen Kunstwerke mit den Geldern der Bevölkerung gekauft, dementsprechend gehören die Werke also dem Volk. Doch wie es scheint, wenn es um Schaden oder Beschwerden geht, will keine Behörde dafür Verantwortung tragen.“
Eine Dokumentation über das Museum für zeitgenössische Kunst in Teheran:
http://youtu.be/wf5x7Vh-SAk
Bahram Dabiri, Maler: „Kritik kann nur dann etwas bewirken, wenn die Institutionen insgesamt richtig funktionieren und nur an einigen Stellen Fehler gemacht werden. Aber hier geht es um fundamentale Probleme. Unsere Hinweise darauf kümmern die Verantwortlichen überhaupt nicht. Was bringt unsere Diskussion hier, wenn selbst unser Kulturerbe nicht genug geschützt wird. Es gab viele Leute, die sich um den Vorfall des Überbleibsels vom über 2.500 Jahre alten Persepolis gesorgt haben, aber trotzdem ist bis jetzt nichts geschehen. Es wird auch genauso nichts nützen, wenn ich mich für die Kunstwerke des US-amerikanischen Malers Paul Jackson Pollock im Iran einsetze. Wer sorgt sich um den Erhalt der über 350 Jahre alten berühmten 33-Bogen-Brücke in der historischen Stadt Isfahan?
Leili Golestan: „Die meisten Personen, die leitende Positionen besetzen, weisen keine Kunstausbildung vor. Das gilt sowohl für die, die in den Museen arbeiten, als auch für diejenigen bei den verantwortlichen Behörden. Die meisten von ihnen waren vorher in anderen Bereichen tätig. Zu dem fehlenden Fachwissen kommt, dass die Führungskräfte ständig gewechselt werden. Bevor sie anfangen können, sich etwas Wissen anzueignen, werden sie ausgetauscht. Dabei ist es oft zufällig, wer an welchen Posten gelangt. Diese Situation herrscht nicht nur in der bildenden Kunst, sondern auch im Bereich der Literatur. Haben Sie schon einmal versucht, mit jemanden, der im Namen des Staates Ihr Buch vor der Veröffentlichung bewerten muss, zwei Worte zu wechseln? Ich habe es versucht und kein Wort der Person verstanden, sie schien mir aus einer anderen Welt zu sein. Wie kann so ein Mensch über ein literarisches Werk urteilen? Deshalb haben sechs meiner Bücher keine Erlaubnis für die Veröffentlichung bekommen, da sie meine Worte nicht verstehen.“
Private Kunstsammler
Leili Golestan: “Eines Tages kam eine Frau mit einem kleinen Lastwagen zu mir in die Galerie und zeigte mir eine lange Liste renommierter Kunstwerke. Ich fragte sie, ob sie eine Privatsammlerin sei? Ja, sagte sie. Daraufhin fragte ich sie, ob sie die Werke bei sich zuhause aufhängen werden wird? Sie antwortete: ‚Nein, ich habe ein Lager in der Stadt Karaj und werde sie alle dort zusammenwerfen.“ Ich fühlte mich durch den Begriff ‚werfen’ abgeschreckt und nahm deshalb ihre Bestellung nicht an, obwohl ich alle von ihr angefragten Bilder hätte besorgen und dabei auch ein großes Geschäft hätte machen können.“
Reza Nami: „Unter den privaten Kunstsammlern gibt es nur wenige, die ein Bild kaufen, weil sie die Kunst mögen. Fast 90 Prozent dieser Leute kaufen ein Gemälde wegen seines materiellen Werts. Deshalb lagern sie die Bilder so, als wenn sie Teppiche lagern würden, alle einfach aufeinander.“
FP
Quelle: Tageszeitung „Etemad“