Weltsicht der Basidj-Mitglieder

Wer sind die Basidjis und wie ist ihre Denkweise? Im Folgenden dokumentieren wir ‎einige Blogeinträge von Basidj- oder Hezbollah-Mitglieder, die sich Gedanken über ‎die Opposition und den Demonstrationen machen, und die politischen Verhältnisse ‎aus eigener Sicht darlegen.‎
*** Dies ist der zweite Teil des Artikels, eine Einführung finden Sie hier: Cyber-Basidj ***
 
Sonderkommando und die Frauen
Der Autor des „Sonderkommandos des Widerstandes“, Shabro, macht sich Gedanken zur Vorgehensweise der Basidj-Kräfte bei der Kontrolle der Demonstrationen: „Mir scheint, dass es der dritten Basidj-Generation an Erfahrung mit Straßenschlachten fehlt.“ Seiner Meinung nach gibt es verschiedene Wege, mit denen die „antirevolutionären Unruhestifter ihre Anhänger für die ungesetzlichen Versammlungen mobilisieren“.
Er sieht die Provokationen als Grund für Zusammenstöße: „Normalerweise kontrollieren unsere Sicherheitskräfte schon vorher die Straße, und verbieten Versammlungen; wenn sich jemand widersetzt, wird das Verbot mit dem Knüppel angereichert und das selbst ist oft der Anlass für eine neue Ansammlung. Denn die Protestler haben auch an Erfahrung gewonnen, sie protestieren gegen Einzelpersonen und fangen gezielt einen Streit an.“
Auf Seiten der Demonstranten spielen Frauen häufig eine wichtige Rolle, was ihm Sorgen bereitet: „In letzter Zeit schicken sie oft ältere Damen vor, da sie wissen, dass Basidj-Kräfte wegen ihrer Überzeugungen gegen sie nicht gewalttätig werden; damit können Frauen besser agieren als Männer.
Ich habe oft beobachtet, wie eine Frau, die sich als ein Märtyrer-Kind bezeichnete und ihr geschminktes Äußeres mit einem Chador verhüllte, ohne jeden Grund eine Diskussion anzettelte. Sie reizte damit die Sicherheitskräfte und die Basidjis, dann versammelten sich einige Gaffer, und sobald sich unsere Leute aufregten, wurde heftig protestiert.“
Er plädiert dafür, neue Wege zu suchen, um „diesem Missbrauch“ vorzubeugen. Sein Vorschlag im Umgang mit solchen Situationen: „Ich selbst wurde beispielsweise bei den Protesten am 20. Februar von einer dieser Möchtegern-Märtyrer-Töchter angesprochen als ich allein mitten in ihrer Versammlung am Filmen war. Sie kam erregt auf mich zu und versuchte mich in eine Diskussion zu verwickeln: Ob ich ein Basidji sei oder vom Geheimdienst? Ich schaute sie bloß an und tat so, als könnte ich nichts hören, machte ihr mit Handzeichen klar, dass ich taub bin.“
Dass es dadurch nicht zu einem Streit kam, in dessen Folge „die anderen mich verprügelt“ hätten, bringt ihn auf die Idee: „dass man mit denen sogar freundlich reden könnte, das würde ihnen eher den Wind aus den Segeln nehmen. Sie schreien und wir reden ruhig mit einem freundlichen Gesicht; damit hätten wir die Bevölkerung sicher auf unserer Seite.“
Grundsätzlich ist er aber auch mit den anderen Strategien, „die am 20. Februar auch sehr erfolgreich waren“, einverstanden: „dass wir in der Diskussion die Oberhand behalten, und wenn es sein muss, lauter schreien als sie. Wir müssen unsere Unschuld zeigen, indem wir sie fragen, was sie eigentlich von diesem Regime wollen. Es geht doch nicht an, dass einhundert Leute in einer Millionenstadt ein Regime stürzen wollen; eben das nenne ich eine Diktatur. Wir müssen sie daran erinnern, wie viele unserer Jugendlichen sie auf eben diesen Straßen ermordet haben, nur weil sie Anhänger dieses Systems waren. Sie lügen und sprechen von Freiheit, aber können nicht eine andere Meinung hören oder akzeptieren.“
Sein Plädoyer für die Begegnung mit den Demonstranten ist aber eindeutig: „Natürlich müssen wir ihnen klar machen, dass, solange wir in diesem Land sind, sie ihr Anliegen mit ins Grab nehmen werden. Aber ich denke, dass Gewalt nicht der einzige Weg sein sollte, und wir weiter an neue, innovative Wege denken sollten, um die Straßenunruhen zu beenden.“
 
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Die Schlacht am Valentinstag
Mehdi Fatemi Sadr erzählt in epischer Breite von der „Schlacht am Valentinstag“ und wie er mit „Basidj-Kameraden“ gegen Demonstranten vorging. Zu Beginn schreibt er, dass unter den Kräften der Partei Gottes (Hisbollah) in der Woche vor den Demonstrationen am 14. Februar zwei verschiedene Meinungen vorherrschten: Die „weichen Hisbollahis“ waren der Meinung, dass die Demonstrationen ausbleiben würden, und die „harten Hisbollahis“ wollten in jedem Fall mit Gewalt gegen sie vorgehen: Die zweite Gruppe beachtete aber die „eingeschränkten Möglichkeiten des Gewalteinsatzes gegen soziale Bewegungen nicht zu genüge.“
Seiner Ansicht nach müssten bei solchen Gelegenheiten die Anhänger des Regimes zahlreich auf die Straße kommen, bzw. koordiniert dorthin transportiert werden: „Das Problem ist, dass die Hisbollah ihre Überwachungs- und Militäroperationen seit Jahren entwickelt, aber für die Planung von zivilen Operationen auf die Anordnungen der konservativen Medien oder der alten Männer des Koordinierungsrates der Islamischen Propaganda wartet.“ Anders „die Grünen“, deren „soziale Operationen seit Jahren von feindlichen Geheimdiensten koordiniert und durch eigene Medien verbreitet werden, wodurch sie Massen auf die Straße bringen können“.
Die ersten „Grünen Gruppen“, die skandierend auf Seitenstraßen unterwegs sind, lassen sie passieren, „die Zeit ist noch nicht reif“. Das Datum der Demonstration am Valentinstag ist für ihn übrigens ein klarer Beweis für „die Gottlosigkeit der Grünen“. Denn während sie im letzten Jahr noch an offiziellen oder religiösen Feiertagen demonstrierten, ist es heute der „Tag der Hurerei“. Vorsorglich holt er seine Kette aus der Tasche.
Seine Freude ist groß, als er auf eine größere Gruppe von Basidjis trifft, die sich „auf der Straße gefunden haben, und nun von Straße zu Straße die Grünen jagen und auseinandertreiben. Keiner hat eine Waffe dabei, die Motorräder gehören den Jungs selbst, der Anführer ist mit einem dicken Ast bewaffnet, einer hat einen Stock in der Hand und der nächste eine Motorradkette, ein paar haben auch Knüppel und Elektroschocker dabei.“ „Der Anführer, Haj Akbar, nimmt die Grünen nicht ernst, er ist sogar froh, dass sie gekommen sind, da muss er den Nachmittag nicht zur Arbeit.“
Zu ihrer Vorgehensweise bei der Vertreibung der Opponenten schreibt er: „Es war nun nicht mehr tolerierbar. Die Kette in der Hand, hinten auf dem Motorrad, wir brüllten „Gott ist groß“ und haben bis zum Ende der Seitenstraße alle verprügelt.“ Ähnliche Szenen davon, wie sie auf Menschen einprügelten, sie mit Kabelbinder festsetzten, oder brennende Mülleimer löschten, wiederholen sich.
Der Blogger beschwert sich über die Unerfahrenheit der jungen Soldaten: „Mit diesen ängstlichen Soldaten und Polizisten kommen wir nicht weit. Offenbar haben das auch die Grünen begriffen, sie verstecken sich hinter ihnen. Ich wünschte, Gott würde Basidjis vom Himmel schicken. Wir versuchen mit aller Kraft, die Kreuzung zu halten. Und als wären meine Gebete erhört worden, sehe ich, wie sich uns von links eine Motorradgruppe anschließt. Weder kennen sie uns noch wir sie, aber alle sind glücklich, sich zu sehen. Auf der Kreuzung brennt es noch immer, und wir brüllen wieder und prügeln sie auseinander… die Heuchler fliehen.“
 
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Solange prügeln bis sie wie Hunde bellen
Hossein Ghadyani ist der Autor des Blogs „Ghatee 26“ – „Parzelle 26“ ist ein Teil des Friedhofs Beheshte Zahra in Teheran, wo viele Kriegsopfer begraben liegen. Die Seite strotzt vor national-religiöser Pathetik, „dies ist eine Parzelle des Paradieses, nicht mit Stift, denn mit Blut wird geschrieben“, ist das Motto der Seite. Er bezeichnet sich als den Sohn eines Märtyrers und „Bruder Hossein der Basidj-Jungs“ und spricht in seinen Beiträgen vom religiösen Führer als „unserem Vater“, dessen Autorität nie in Frage gestellt wird: „Ihm gilt unsere ganze Liebe“.
Entsprechend stolz verkündet er, dass sein Blog, den er als „den meistgelesenen persisch-sprachigen Blog“ bezeichnet, vom Revolutionsführer Khamenei bei einem „halb-privaten“ Treffen gerühmt wurde; Khamenei hatte kürzlich die „Offiziere des samtenen Krieges“, womit er wohl solche Blogger meint, gelobt. Dennoch schreibt er an einer Stelle: „Unser Schlagstock ist heiliger als unser Stift. Der Stift ist für den samtenen Krieg, der Schlagstock bringt uns nach Kerbela (Heilige Stätte des Schiitentums, Anm. d. Red.).“
In einem Blog-Eintrag beschreibt er seine Erlebnisse bei den Demonstrationen am Valentinstag, bei denen er wohl selbst verletzt wurde. Die Aufgabenteilung ist für ihn klar: „Der Schutz der Islamischen Republik schultern die Basidjis, es reicht, wenn die Sicherheitskräfte den Drogenhandel verhindern, gegen Sucht oder schlechte Verhüllung der Frauen und solchen Probleme vorgehen.“ Mit Basidjis meint er nicht unbedingt „Aktive“: „Was die Armee der Unruhestifter zerschlug, waren die Knüppel der Basidj-Hardliner, die nicht einmal einen Mitgliedsausweis haben.“
Er betrachtet die Demonstranten als „Hunde“, weil sie „vor der Basidj wie Hunde Angst haben, und wenn sie blöde Sprüche machen (wie ‚Nieder mit der Diktatur‘) dann muss man sie solange prügeln, bis sie wie Hunde bellen…so wie ihre Anführer.“
Für ihn und seine Artgenossen rebellieren die Oppositionellen gegen den „Stellvertreter des Unschuldigen“, womit sie Ayatollah Khemenei als Stellvertreter des verborgenen zwölften Imam Mahdi meinen. Somit müssen zumindest alle Oppositionsführer hingerichtet werden, „für die der count-down bereits läuft. Wir warten, dass Ali (Khamenei) ein Wörtchen sagt, damit wir sie in die Hölle schicken.“
Er schreibt: „Der Schlagstock in den Händen der Basidj-Jungs ist ein Zeichen ihrer Unschuld. Was kann der Schlagstock gegen zweitausend Satellitenprogramme ausrichten, die 24 Stunden am Tag die Revolution und die Basidjis beleidigen. Das Vorgehen der Basidj gegen die Unruhestifter mit dem Knüppel war nur eine kleine Großzügigkeit von tausenden.“
„Sobald sie uns sahen, unterbrachen sie ihre bescheuerten ‚Nieder mit der Diktatur‘-Rufe und liefen davon. Plötzlich schrie ein Mädchen sehr schrill, offenbar hatte sie den Schlagstock abbekommen, den sie verdiente. Basidj-Jungs hatten sie festgehalten und sie schrie, so laut sie konnte. Die Gelder, die sie im amerikanischen Senat für den Umsturz in Iran gebilligt hatten, waren aus diesem Schrei heraus zu hören. Deshalb glaube ich, dieser uns auferlegte Krieg ist viel schwieriger als der auferlegte Krieg unserer Väter. Jedenfalls haben wir nicht nur ihr an dem Tag das Benehmen beigebracht.“
 
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Unnötige Brutalität
Auf dem Blog „Ein Krieg war, ein Krieg ist“ beschwert sich dagegen der Autor bei seinen „Brüdern“ über unnötige Brutalitäten. Er war mehrfach selbst Zeuge von Gewaltausbrüchen seiner Basidj-Kollegen, die er „aus verschiedenen Gründen bisher nur in kleinen Gruppen angesprochen hatte.“ Nun aber schreibt er, dass er mehrfach gezwungen war, „sich bei den Personen zu entschuldigen, die von Zivilgekleideten unnötig brutal behandelt worden waren.“
Nach seinen Beobachtungen hatten uniformierte Sicherheitskräfte meist zurückhaltend versucht, die Versammlungen aufzulösen, dagegen waren „zivilgekleidete Brüder zutiefst gewalttätig.“ Er schreibt: „Ich kann diese Art Benehmen nicht leicht verdauen. Ich verstehe nicht. warum die Zivilgekleideten sich alles erlauben dürfen. Wenn man mit Tränengas oder Paintballs die Versammlung auflösen kann, wozu ist es noch nötig, mit Kabeln, Rohren oder Knüppeln auf die Leute loszugehen.“
Er glaubt dadurch würde ihr Ansinnen, die Revolution zu verteidigen, „mehr einem persönlichen Hassausbruch gleichen.“  Würden solche Gewaltausbrüche „zu Recht oder nicht, nicht die gesellschaftliche Spaltung vertiefen und den Hass der Bevölkerung erhöhen?“, fragt er.
„Was sind denn unsere Ziele? Rache nehmen? Bürgerkrieg? Oder die Wiederherstellung von Ruhe und Ordnung? Wofür sind denn die Polizei und die Sicherheitsorgane da, wenn eine selbsternannte Gruppe, das Vertrauen in unser System durch Vandalismus und Unmoral untergräbt?“