Wachsende Armut und kaum Hoffnung auf Änderung

Die iranischen Behörden machen nach wie vor keine genauen Angaben über die Armut im Land. Studien zeigen jedoch, dass die Zahl der IranerInnen, die unter der Armutsgrenze leben, ständig wächst. Vor allem außerhalb der großen Städte verschlimmert sich die Situation.
Laut dem präsidialen Zentrum für statistische Forschung und Bildung des Iran sind die Mindestausgaben einer fünfköpfigen Familie in Teheran mindestens fünf Mal höher als der festgelegte Mindestlohn. Die Tageszeitung Taadol veröffentlichte Anfang Januar Auszüge aus einer Studie zur „Schätzung der Armutsgrenze im Iran“. Demnach liegt diese in Städten sieben Mal höher als noch vor zehn Jahren, auf dem Land sogar acht Mal. Lagen die monatlichen Mindestkosten für Lebensmittel im Jahr 2004 bei umgerechnet 40 Euro pro Person, liegen sie aktuell bei über 280 Euro.

Siebzig Prozent der Bevölkerung der trockenen Südost-Provinz lebten unter der Armutsgrenze.
Siebzig Prozent der Bevölkerung der trockenen Südost-Provinz lebten unter der Armutsgrenze.

Das Ministerium für Genossenschaften, Arbeit und soziale Wohlfahrt schätzt die Unterhaltskosten einer vierköpfigen Familie auf monatlich mindestens 225 Euro, die Armutsgrenze auf 56 Euro pro Person und Monat. Die Studie „Schätzung der Armutsgrenze im Iran“ geht jedoch von mehr als 175 Euro pro Kopf für 2014 aus. Demnach leben immer mehr Menschen unter der Armutsgrenze.
Der Generalsekretär der islamischen Arbeitsräte, Rahmatollah Pour Moussa, verlangt deshalb eine „der Realität entsprechende Erhöhung des Mindestlohns für ArbeiterInnen“. Um die Differenz zwischen Mindestlohn und laufenden Kosten auszugleichen, solle der Mindestlohn verdreifacht werden, so Pour Moussa.
Extreme Armut in den Randprovinzen
Bereits im Frühjahr 2015 hatte der Ökonom Hossein Raghfar in einem Interview mit der Tageszeitung Shargh gesagt, vierzig Prozent der iranischen Bevölkerung lebten unter der Armutsgrenze, in einigen Provinzen sogar über die Hälfte. Kurz darauf berichtete das iranische Amt für Ernährung über Unterernährung in den Provinzen Sistan und Belutschistan im Südosten des Iran, Hormozgan am persischen Golf, Nord-Chorasan im Nordosten an der Grenze zu Turkmenistan und Kerman ebenfalls im Südosten.
Hamidreza Pashang, ein aus der Stadt Khash in der Provinz Sistan und Belutschistan gewählter Parlamentarier, sagte im vergangenen Jahr, siebzig Prozent der Bevölkerung der trockenen Südost-Provinz lebten unter der Armutsgrenze.
Siebzig Prozent der Rentner sind arm
Die ArbeitnehmerInnen im Iran gehen mit durchschnittlich 51 Jahren und 5 Monaten in Rente. Nach offiziellen Statistiken erhalten vier Millionen IranerInnen Bezüge aus den Rentenkassen. Wie Alireza Amiri, Vorstandsmitglied des Rentnerverbands, kürzlich bekanntgab, beziehen siebzig Prozent der ArbeiterInnen und RentnerInnen nur den Mindestlohn oder die Mindestrente und leben damit ebenfalls faktisch unter der Armutsgrenze.
Laut Mahmoud Eslamian, Geschäftsführer der iranischen Rentenkasse, haben die RentnerInnen während der acht Amtsjahre des früheren Präsidenten Mahmoud Ahmadinedschad wegen des extremen Anstiegs der Inflation rund 67 Prozent ihrer Kaufkraft verloren. Und dies habe sich während der Regierungszeit des jetzigen Präsidenten Hassan Rouhani nicht spürbar verbessert.
Die jährlich steigende Zahl der RentnerInnen belaste zudem die Staats- und Rentenkasse, so Eslamian: Es herrsche keine „gesunde Relation“ zwischen Arbeitnehmern und Rentnern.
Im Iran gehen Arbeitnehmer mit 25 Dienstjahren in Rente, Arbeitnehmerinnen noch früher. Das Parlament prüft aufgrund demografischer Entwicklungen eine Erhöhung der für das Rentenalter nötigen Arbeitsjahre auf 35.
Die ArbeitnehmerInnen im Iran gehen mit durchschnittlich 51 Jahren und 5 Monaten in Rente.
Die ArbeitnehmerInnen im Iran gehen mit durchschnittlich 51 Jahren und 5 Monaten in Rente.

Eine unerwartete Entscheidung
Obwohl der aktuelle Mindestlohn von monatlich 178 Euro die Kosten einer Familie kaum in den ersten zehn Tagen eines Monats decken kann, entschied die präsidiale Organisation für Management und Planung kürzlich eine Herabsetzung des Mindestlohns für ArbeitnehmerInnen unter 29 Jahren vor.
Demnach kann die Regierung besonders in nicht entwickelten Regionen den Mindestlohn für diese Gruppe für maximal zwei Jahre auf 75 Prozent des üblichen Mindestlohns herabsetzen, um die Arbeitgeber finanziell zu entlasten und sie für die Einstellung junger ArbeitnehmerInnen zu gewinnen. Kritiker betrachten das mit Skepsis: Da die Mehrheit der Arbeitsuchenden in diese Altersgruppe falle, könne diese Regelung von Arbeitgebern ausgenutzt werden.
 
 Übertragen aus dem Persischenund überarbeitet von Iman Aslani .
Quelle: Deutsche Welle Persisch