Die fröhliche 13

Mit dem Fest „Sizdah be dar“ endet das über zwei Wochen währende iranische Neujahrsfest Nouruz mit dem Brauch, die letzten Neujahrsriten in der Natur zu zelebrieren. Nicht einmal die ultrakonservativen Landesherren können verhindern, dass sich der Iran an diesem Tag in eine Festmeile verwandelt.

Der 13. Tag der iranischen Neujahresfeier Nouruz wird „Sizdah be dar“ genannt. „Sizdah“ bedeutet „13“, „Sizdah be dar“: „die Dreizehn loswerden“. Wie in vielen anderen Kulturen gilt auch im Iran die 13 als Unglückszahl. Deshalb verbringen iranische Familien diesen Tag mit Picknicks in der Natur, mit Musik, Spielen und – fern der Augen der Moralpolizei – Tanz: Denn im Iran ist das Tanzen seit der islamischen Revolution 1979 verboten. Ziel dieser Neujahrsrituale ist, so viel wie möglich des Unglücks, das mit der Zahl 13 verbunden sein soll, abzuschütteln. Dieser Tag markiert zudem das Ende der gut 14 Tage währenden Neujahrsfeierlichkeiten und das Ende der Ferienzeit.

Historisches Fest

Das Nouruzfest entwickelte sich mit seinem heute noch gepflegten Brauchtum bereits während der Achämenidendynastie (559 – 330 v. Chr.) des Großpersischen Reichs. Ungeachtet der herrschenden Staatsreligionen oder Regierungen hat sich die Tradition gehalten, das neue Jahr zur Tag-und-Nachtgleiche im Frühjahr zu begrüßen. Gefeiert wird Nouruz in vielen Ländern: neben dem Iran auch in Afghanistan, Tadschikistan, Kasachstan, Kirgistan, Aserbaidschan, Usbekistan, Turkmenistan, dem kurdischen Nordirak und den kurdischen Gebieten der Türkei und Syriens. Weltweit feiern nach Angaben der Vereinten Nationen etwa 300 Millionen Menschen Nouruz. 2010 hat die UNESCO das Fest in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen und den 21. März zum Internationalen Nouruz-Tag erklärt.

Ballast abwerfen

Den IranerInnen ist keine Parkanlage oder Randstreifenbegrünung zu gering, um diesen Tag außer Haus zu verbringen
Den IranerInnen ist keine Parkanlage oder Randstreifenbegrünung zu gering, um diesen Tag außer Haus zu verbringen

Wie ein roter Faden zieht sich das Motiv, alten Ballast abzuwerfen und das Neue und Frische zu begrüßen, durch die Rituale des Nouruzfestes. Es beginnt mit dem Frühjahrsputz, gefolgt von „Tschar-Schanbeh-Souri“*: Der Sprung über die Flammen bei diesem Feuerfest soll Blässe, Krankheit und Sorgen durch die lebendige Wärme des Feuers ersetzen. Nach diesem „Vorspiel“ errechnen Astrologen auf die Sekunde genau, wann die Sonne den Äquator überquert und damit den astrologischen Frühlingsbeginn einläutet. Unabdingbar ist, an diesem Tag neue Kleider zu tragen. Ältere Familienmitglieder schenken den jüngeren frische Geldscheine.

In keinem iranischen Haushalt darf an diesem Tag die Festtafel „Sofrey Haft-Sin“ fehlen. Auf ihr befinden sich sieben Dinge, die in der persischen Sprache mit „S“ beginnen. Obwohl diese sieben Symbole von Region zu Region variieren, gibt es eine Konstante: das Sabzi. Die ersten grünen Triebe einer Weizen- oder Linsensaat zieren jeden Tisch. Dieses Grün gilt als Symbol sowohl für Freude als auch für Wiedergeburt.

Zurück zur Natur

Das Sabzi wird der Natur zurückgegeben
Das Sabzi wird der Natur zurückgegeben

Am 13. Tag ist es Zeit, den „Haft-Sin“ zu räumen und sich ins Freie zu begeben – nicht nur, um die vermeintlich unheilbringende „13“ abzuschütteln, sondern auch, um das Sabzi der Natur zurückzugeben. Die grüne Saat wird in ein fließendes Gewässer geworfen. Damit soll das Übel aus dem Haus verbannt werden, so dass man in ein glückliches neues Jahr starten kann. Auch die Goldfische, die manchen der „Haft-Sin“-Tische zieren, werden in die Freiheit entlassen. Wer ein Auto besitzt, fährt aufs Land, um dort mit Freunden und Angehörigen zu picknicken. Den IranerInnen, denen das nicht vergönnt ist, ist keine Parkanlage oder Randstreifenbegrünung zu gering, um diesen Tag außer Haus zu verbringen. Jedes Stück Natur im Iran wird so in eine Partyzone verwandelt. Und nicht nur dort: Gibt man „Sizdah be dar“ bei Facebook ein, finden sich weltweite Veranstaltungshinweise zu Nouruz-Picknicks – vom Bois du Bologne in Paris über österreichische Asylbewerberunterkünfte bis zu Parks in Kanada und den USA.

  YASMIN KHALIFA

*Tschar-Schanbeh-Souri in der nordiranischen Stadt Rasht