Modetrends im Iran
Mit schwarzen Schleiern verhüllte Frauen sind zum Klischeebild der Iranerinnen geworden. Jedenfalls ist es das Bild, das die Medien hier häufig zeigen. Aber die modische Wirklichkeit im Iran sieht längst anders aus: Junge Designerinnen testen die Grenzen des Möglichen. Hintergründe dazu von Forough Hossein Pour.
Ob bunt und hauteng oder schrill und weitgeschnitten: Hauptsache modisch. Viele junge Iranerinnen legen großen Wert auf internationale Fashion-Trends, selbst wenn ihnen auf der Straße die Gefahr droht, von der Sittenpolizei wegen „freizügiger Bekleidung“ festgenommen zu werden. Seit der iranischen Revolution vor 34 Jahren gelten in der Öffentlichkeit für alle Frauen Kopftuchzwang und strenge Bekleidungsvorschriften nach islamischem Recht, der sogenannte „Hejab“.
Um nicht zur Zielscheibe der staatlichen Kontrolleure zu werden, versuchen viele Iranerinnen deshalb, die Grenzen des offiziellen „Modediktats“ auszuloten. Sie tragen zwar Kopftuch, aber nicht ganz so streng gebunden und auch nicht in schwarz, sondern in fröhlichen Farben.
Iranische Mode in Mailand
Inzwischen trauen sich aber auch immer mehr talentierte iranische Modedesignerinnen, eigene Kollektionen zu entwerfen. Und manche schaffen es damit sogar auf die großen internationalen Fashion Shows.
Shiva Sheibani ist eine davon. Mit ihrem Modelabel Sheen präsentierte sie im Februar 2013 ihre neue Kollektion auf der Mailänder Modewoche. Was ihre Kleider- und Kopftuchentwürfe charakterisiert, ist die prächtige Farbauswahl. „Ich mag keine dunkle Farben“, sagt die 27-Jährige. Sheibani studierte an der Teheraner Kunsthochschule Grafikdesign. Ihre Leidenschaft für Mode hat sie aber viel früher entdeckt: „Schon mit vierzehn Jahren habe ich ständig mit Stoffen experimentiert, verschiedene Entwürfe ausprobiert und für meine Familie und Freunde Kleider kreiert.“ Vor einem Jahr entschloss sie sich dann, mit dem Label Sheen ihre Mode zu vermarkten. Die Herausforderung bei ihrer Arbeit bestehe darin, trotz der islamischen Kleidervorschriften kreativ zu bleiben, sagt Sheibani: „Wir haben nicht viel Freiheit für unsere Entwürfe.“ Also entwirft sie passend zu ihren knielangen, meist weit geschnittenen Kleidern in leuchtenden Farben immer auch eine Hose oder Leggins: „So sind die Körper verhüllt und die Frauen trauen sich eher auf die Straße“, sagt die Designerin.
Tatsächlich würden in vielen Läden im Iran die immer gleichen langen Gewänder in dunklen Farben verkauft, sagt eine andere junge Modedesignerin, Farnaz Abdali. Die 26-Jährige ließ sich von dieser Marktlücke inspirieren: „Bei jeder Kreation frage ich mich, was ich selbst gern tragen würde, was anders und ausgefallener ist und nicht jede auf der Straße anhat.“ Auch Abdali studierte an der Teheraner Kunsthochschule Grafikdesign und lebt wie Sheibani in der iranischen Hauptstadt. Eine weitere Gemeinsamkeit zwischen den beiden: Sie entwerfen keine Männermode, weil sie das für schwierig halten. Auch wenn Herrenmode meist schlicht erscheine, sagt Abdali, liege gerade darin die Herausforderung, etwas kunstvolles Neues zu entwerfen. Zwar werden im Iran Frauen strenger kontrolliert, aber auch für Männer gelten Einschränkungen in Sachen Kleidung. Zu enge Jeans, kurze Hosen oder ärmellose T-Shirts sind in der Öffentlichkeit nicht erlaubt. Und bei Behördenbesuchen sollten Männer lieber die Krawatte weglassen. Sie gilt den Geistlichen als Symbol des Westens.
Das schwere Geschäft mit der Mode
Farnaz Abdalis Frühjahrskollektion sorgte nicht nur unter iranischen Modeliebhaberinnen für große Aufmerksamkeit. Die Fotos mit in bunten Stoffen flanierenden jungen Iranerinnen gingen im Netz zügig um die ganze Welt: „Schon kurz nach der Eröffnung war mein Laden gut besucht und ich bekam sehr viel positives Feedback für meine Arbeit“, sagt Abdali. Doch auch wenn die Mode der beiden jungen Designerinnen heiß begehrt ist: Richtig vermarkten können sie ihre Kreationen im Iran trotzdem nicht. „Wir haben einige talentierte Modedesigner“, sagt der Film-Kostümbildner Payam Foroutan. „Doch wegen der massiven staatlichen Einschränkungen bleiben sie meist unbekannt und schaffen es nicht, auf internationaler Ebene zu glänzen.“ Außerdem fehle dem Land ein Mode-Management: „Es gibt keine Strategie für die Verbindungen zwischen Designer, Hersteller und Käufer.“ So bleibt der Verkauf von Entwürfen wie denen von Sheibani und Abdali meist auf kleine Boutiquen in den gehobenen Stadtteilen Teherans beschränkt.
Nur im islamischen Rahmen
Die Machthaber im Iran versuchen das Phänomen Mode nun seit über drei Jahrzehnten erfolglos zu bekämpfen. Immer wieder bricht die Diskussion darüber auf, ob die strengen Vorgaben in Sachen Frauenbekleidung einen Angriff auf die Privatsphäre darstellen oder nach islamischem Recht legitim sind. Vor einem Jahr wurde deshalb die staatliche Webseite „Behpooshi“ – auf Deutsch „richtiges Bekleiden“ – eingerichtet. Sie soll jungen Menschen nicht nur die „islamische Mode“ schmackhaft machen, sondern ihnen auch helfen, sich vor den „übertriebenen und negativen Auswirkungen der Mode“ zu schützen. „Schönheits- und Modeprodukte müssen nach islamischem Recht ‚zulässig’, also halal sein“, heißt es dort etwa: „Mode darf nicht der Selbstdarstellung dienen oder gezielt das andere Geschlecht sexuell erregen“ – und vor allem „keine blinde Nachahmung der westlichen Kultur“ sein.