Kunst im Korsett

Im Iran grenzt die Zensurbehörde den Spielraum für Kunstschaffende immer noch stark ein. Dennoch gelingt es KünstlerInnen, sich in diesen engen Grenzen eigensinnig und ausdrucksstark zu bewegen, wie die Ausstellung „Close Vision: Body“ in Berlin zeigt.
Packpapier, mit Rasierklingen fein säuberlich in dünne Streifen geschnitten, verschlungene Paare – halb Mensch, halb Fabelwesen -, die durch Räume schweben, trister Frauenalltag in schwarzweißer Werbeästhetik: Im Iran boomt die Kunstszene. Es seien vor allem Frauen, die sich an den Kunstakademien einschrieben oder Galerien betrieben, berichten der Kunsthistoriker Bavand Behpoor und der Maler Ali Nassir.
Das Projekt „Close Vision: Body“, das derzeit in der Galerie Gondwana in Berlin zu sehen ist, präsentiert die Arbeiten von insgesamt 10 jungen iranischen NachwuchskünstlerInnen. Die Werke sind das Ergebnis des Wettbewerbs „Papier als Haut“, der vor anderthalb Jahren von Ali Nassir und Bavand Behpoor in Teheran ausgerufen wurde. Gewinn war die Teilnahme an Ausstellungen in Teheran und Berlin.
Tief in die Seelen geschaut

Ali Nassir (li.) und Behnam Bavand
Ali Nassir (li.) und Bavand Behpoor

Collagen, Grattagen, Mix Media oder Aquarelle, zumeist auf Packpapier der Größenordnung 100 x 70 cm – so die Vorgabe -, offenbaren Seelenzustände wie die Angst, sich aufzulösen, Autoaggressionen, die Furcht, überholten Wertvorstellungen auf den Leim zu gehen, oder alt und hässlich zu werden wie zerknittertes Papier.
Den KünstlerInnen sei befremdlich erschienen, das braun-graue Papier als materielle Grundlage zu sehen und es in Bezug zum menschlichen Körper zu setzen. Daher seien sie anfänglich Bavand Behpoor, der 2011 am Mah-e-Mehr-Institut in Teheran unterrichtete, mit starkem Misstrauen begegnet. Für die Kuratoren hingegen war die Beschränkung der Materialvorlage ein Weg, sich konzentriert mit dem Tabuthema „Haut“ auseinandersetzen zu können. Es sei von beiden Seiten viel Geduld erforderlich gewesen, um sich von festgefahrenen Klischees zu lösen und die künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten zu erweitern, sagt Behpoor.
Und die Zensurbehörde?
Ein Kunstwerk von Leila Rezvani
Ein Kunstwerk von Leila Rezvani

Obwohl es im Iran verboten ist, „Haut zu zeigen“, hatte diese Ausstellung von der iranischen Zensurbehörde wenig zu befürchten. Schon im Vorfeld sei sich Bavand Behpoor sicher gewesen, dass die Behörden allein schon wegen des „scheinbar minderwertigen Materials Packpapier“ gar nicht auf die Idee kämen, die Werke als relevant einzustufen.
Neben den Wettbewerbsbildern werden in Berlin zusätzlich einige erotische Aquarelle, die unverhohlen Liebespaare und Geschlechtsteile abbilden, gezeigt. Solche Werke können in Teheran ausschließlich in privaten geschlossenen Zirkeln ausgestellt werden..
Die eigenen und die gesellschaftlichen Begrenztheiten kennenzulernen und damit umzugehen – auch davon handelt diese Ausstellung. Dass dies unter die Haut geht, körperliche und seelische Verletzlichkeiten aufzeigt, ist naheliegend.
  Yasmin Khalifa
Die Werke sind noch bis einschließlich 28. Februar in der Berliner Galerie Gondwana zu sehen. Die Ausstellung wird in zwei Teilen gezeigt.
Part I: bis 10. Februar
Part II: 11. – 28. Februar
http://www.galerie-gondwana.de/
http://www.behpoor.com/