„Wir haben eine Periode der Gewalt und der Furcht vor uns“

Der Journalist und Grafiker Reza Khandan setzt sich im Iran für Menschenrechte ein. Das Iran Journal sprach mit ihm über die jüngsten Unruhen und deren kurz- und langfristige Folgen in der Islamischen Republik. Khandan ist mit der inhaftierten Anwältin und Menschenrechtlerin Nasrin Sotoudeh verheiratet. Das Gespräch führte Nasrin Bassiri.
Iran Journal: Herr Khandan, aus Krankenhäusern wird berichtet, dass viele der Menschen, die bei den jüngsten Protesten gegen die Benzinpreiserhöhungen im Iran verletzt wurden, Wunden am Kopf oder Oberkörper haben. Auch die staatliche Nachrichtenagentur Fars zeigte Videos von Verletzten, die am Kopf getroffen wurden – allerdings wird dort behauptet, die Verletzten seien von Demonstranten selbst attackiert worden. Ist da etwas Wahres dran?
Reza Khandan: Es ist die Aufgabe von Nachrichtenagenturen wie Fars, Tatsachen zu verdrehen; sie sind eigens dafür gegründet worden.
Decken sich die offiziellen Angaben über der Zahl der Getöteten, Verletzten und Festgenommenen mit denen der Protestierenden?
Mir scheint die vom Webportal Kalameh verbreitete Zahl von 336 Toten richtig zu sein. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat 208 Tote bestätigt. Die Zahl wird wegen der vielen Schwerverletzten sicher noch steigen. Es gibt auch über die Anzahl der Verletzten keine genauen Angaben. Was die Festnahmen betrifft, muss ich sagen, dass sogar die Machthaber selbst da wegen des Durcheinanders vermutlich nicht durchblicken. Ich schätze, dass landesweit noch mehr als 7.000 Personen wegen der Proteste in Haft sind.
Warum ist in den Provinzen Kurdistan und Khuzestan die höchste Anzahl von Todesopfern zu beklagen?

Reza Khandan
Reza Khandan

Die Zentralregierung hatte immer Konflikte mit der kurdischen Minderheit, und in den vergangenen Jahren hat sich auch der Konflikt mit der arabischen Minderheit in Khuzestan verschärft. Die Rechte der Menschen in diesen Regionen werden häufiger verletzt als anderswo im Land. Die Minderheiten werden als potenzielle Gefahr angesehen. Dort erregen Festnahmen und Tötungen in der Regel weniger Aufsehen. Ich muss aber hinzufügen, dass kleine Orte und Städte um Teheran und Karadj, etwa Ghalee Hassan, auch nicht besser dran waren als Kurdistan und Khuzestan.
Stimmt es, dass die Leichname der Getöteten den Angehörigen erst dann übergeben werden, wenn diese eine Geldsumme als Gegenleistung zahlen und zusichern, die Toten ohne Aufsehen in der Nacht zu beerdigen?
 In solchen Fällen Geld zu kassieren, ist nicht ungewöhnlich. Das Geld wird aber in der Regel nicht direkt von den staatlichen Institutionen verlangt. Es handelt sich meist um Handlanger dieser Institutionen, die die Gelegenheit nutzen, um die Angehörigen zu erpressen.
Was wissen Sie darüber, ob auch vonseiten der Demonstranten zu Gewalt gegriffen wurde?
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