Liebesbrief an Teheran
Joobin Bekhrad ist Gründer und Herausgeber von „Reorient“, einem bekannten Magazin für zeitgenössische Kunst aus dem Nahen Osten. Melanie Christina Mohr sprach mit dem Autor über Kunst im Iran, Rock ’n‘ Roll und seine erste Novelle.
Herr Bekhrad, Sie sind im Iran geboren und haben die meiste Zeit Ihres Lebens in Toronto verbracht. Wenn wir uns in Teheran getroffen hätten, wo wäre das gewesen?
Joobin Bekhrad: Wenn ich in Teheran bin, halte ich mich oft in einem der vielen Gärten auf. Sie sind über die ganze Stadt verteilt. Es ist eine sehr grüne Stadt, jeder der hier war, wird dir das sagen. Und die meisten dieser Gärten gehörten Adligen der Qajaren-Dynastie. Die Häuser selbst sind heute kleine Museen und die Gärten, die sie umgeben, sind Cafés. Dort werden Tee, Snacks und Kaffee gereicht. Viele Künstler und Intellektuelle halten sich dort auf. Da Teheran eine sehr laute Stadt ist, kann dich das zeitweise wirklich verrückt machen, aber in diesen Gärten fühlt man sich geborgen, wie in einer Art Oase – ziemlich cool. Dort wären wir uns dann wohl vermutlich begegnet.
Das Essenzielle gleich zu Beginn: Sprechen wir von Iranern oder Persern?
Von Iranern – das ist die einzig korrekte Bezeichnung, denke ich. Persien ist lediglich eine Provinz. Das ist wie Italien und Rom. Wir würden nicht Italien als Rom bezeichnen – ich meine, Rom ist ein Teil von Italien und Italien ist der Name des Landes. Ich benutze den Begriff Persisch nur um mich auf die Sprache zu beziehen. Wir können über Omar Khayyam als einen persischen Dichter sprechen, weil er seine Gedichte auf Persisch geschrieben hat. Oder wir können über Kyros den Großen sagen, dass er ein persischer Herrscher war – aber in vielen Fällen wird der Begriff falsch verwendet.
Manche behaupten zum Beispiel der Prophet Zarathustra wäre ein persischer Prophet gewesen. Richtig ist aber, dass er ein iranischer Prophet aus der Antike war und daher nicht zwingend persisch war. Seine Sprache nennen wir Avestisch – das ist eine alt-iranische Sprache wie das Alt-Persische, aber es ist nicht Persisch. Viele Iraner bezeichnen sich aus Scham als Perser – schlicht aus dem Grund, weil der Iran mit der Islamischen Republik und Khomeini und all dem, was sich nach 1979 ereignet hat, assoziiert wird. Aber ich persönlich würde mich nie als Perser bezeichnen (auch wenn ich ethnisch gesehen persisch bin), ich bin stolz Iraner zu sein. Ein Grieche würde sich auch nicht plötzlich einen Spartaner nennen, weil sich irgendetwas in Griechenland ereignet hat.
Sie haben die Zeitschrift „Reorient“ im Jahr 2012 gegründet. Wie hat das alles angefangen und was ist die Intention des Magazins?
Das Magazin kombiniert meine beiden Leidenschaften: die Liebe für den Iran – auch wenn es die ganze Region und die angrenzenden Gebiete umfasst – und die Liebe fürs Schreiben. Am Anfang habe ich die meisten Beiträge selbst produziert – zwar keine Essays, aber kurze Beiträge und Interviews. Später dann kamen andere Mitwirkende hinzu und das Magazin nahm seine eigene Richtung, fand seine eigene Stimme, entwickelte seinen eigenen Charakter. Die Intention war von Anfang an, eine andere Seite der Länder des Mittleren Ostens und ihrer Kulturen zu präsentieren.
Es gab natürlich schon Leute, die über ähnliche Themen geschrieben haben, aber ich kannte keine Publikation, die wirklich beide Ansätze verfolgte und miteinander verband. Meiner Meinung nach wurde über die Kunst in der Region immer aus einem sehr akademischen, analytischen Blickwinkel heraus geschrieben. Für mich hingegen hat die westliche Popkultur – und speziell der Rock ’n‘ Roll – den Blick bestimmt, durch den ich die Dinge betrachte. Deshalb empfinde ich es als Autor wichtig, genau diese Verbindungen herzustellen – d.h. im Iran der Antike anzusetzen und bei den Rolling Stones anzukommen.
Die Kunst des Nahen Ostens wird oft auch mit „Islamischer Kunst“ gleichgesetzt. Können Sie diesen Begriff näher erläutern? Ist er Ihrer Ansicht nach zutreffend gewählt?
Tatsächlich ist es ein Begriff, der missbraucht wird und in vielen Fällen absolut irrelevant und unangebracht ist. Denn wenn wir etwa über Koran-Manuskripte sprechen – in dem auch die persische oder türkische Kalligraphie eine Rolle spielt – lässt sich das nicht alles unter die Bezeichnung Islamische Kunst subsumieren. Wir machen das ja auch nicht in Bezug auf andere Kulturen oder Religionen: So bezeichnen wir doch auch nicht Andy Warhol als „christlichen Künstler“, oder? Das Problem ist, dass der Islam quasi wie ein Land behandelt wird. Beispiel Iran: Persische Miniaturen werden etwa als islamische Miniaturen oder Beispiele Islamischer Kunst betitelt. Das entspricht nicht der Wahrheit. Ich war letztes Jahr im Pergamon Museum. Dort wurden Artefakte aus der Zeit des vorislamischen Iran im Bereich für Islamische Kunst ausgestellt. Das sagt schon einiges aus.
Warum wird dann dieser Begriff fälschlicherweise so selbstverständlich verwendet?
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