Fernstudium in Demokratie
Das iranische Regime ist gegen jede Art von gesellschaftlichen Aktivitäten, die nicht den Islam zum Gegenstand haben. Besonders gefährdet sind Gruppen und Personen, die sich für Menschenrechte und Demokratie einsetzen. So auch der Wissenschaftler und Menschenrechtsaktivist Sohrab Razzaghi. 2009 musste er das Land verlassen und trainiert seither per Internet junge IranerInnen in Sachen Demokratie und Bürgerrechte. Ein Interview.
Die Wahl des moderaten Geistlichen Mohammad Chatami zum iranischen Präsidenten im Sommer 1997 erweckte den Anschein, das autoritäre islamische Herrschaftssystem sei ins Wanken geraten und für Reformen bereit. Tatsächlich wurde unter dem reformorientierten Chatami mehr Kritik zugelassen als zuvor. Bürgerrechte rückten in den Fokus neu gegründeter Zeitungen und Zeitschriften, Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Selbsthilfegruppen schossen wie Pilze aus dem Boden.
Vor diesem Hintergrund gründete Sohrab Razzaghi* 2001 das „Iran Civil Society Organization Training and Research Center“ (ICTRC). Der prominente Menschenrechtsaktivist versuchte mit Workshops, Seminaren und Schulungen zu den Themen Demokratie und Menschenrechte iranische BürgerInnen in Sachen ziviler Gesellschaft zu bilden. Sie sollten befähigt werden, Vereine und Selbsthilfegruppen aufzubauen, sie kompetent zu führen und sich weiterzubilden.
Doch bald fiel Razzaghi in Ungnade. Er kam für etwa einen Monat in Haft und musste nach der umstrittenen Wiederwahl Mahmud Ahmadinedschads zum Präsidenten im Herbst 2009 den Iran verlassen.
Iran Journal sprach mit Sohrab Razzaghi über die Arbeit des ICTRC vom Ausland aus und dessen Einfluss im Iran. Um UnterstützerInnen und MitstreiterInnen im Iran nicht zu gefährden, hat sich der Wissenschaftler und Menschenrechtsaktivist mit detaillierten Angaben über seine Aktivitäten zurückgehalten.
Professor Razzaghi, haben Sie direkt nach Ihrer Flucht aus dem Iran das „Iran Civil Society Organization Training and Research Center“ wieder aufgebaut?
Sohrab Razzaghi: Ich habe den Iran verlassen, weil dort die Fortsetzung unserer Arbeit kaum mehr möglich war. Ich hatte dann zunächst ein Fellowship von der Universität Amsterdam. Das ICTRC in der heutigen Form ist erst 2012 gegründet worden, als AktivistInnen, die den Iran verlassen hatten und in den Niederlanden und anderen Ländern wohnten, sich zusammengefunden hatten.
Wie geht das, von hier aus durch Bildung eine gesellschaftliche Veränderung im Iran herbeizuführen?
Wir können durch Bildung und Stärkung der bürgerlichen Moral die Menschen sensibilisieren und befähigen, Demokratie einzufordern und sich für Menschenrechte einzusetzen. Unser Ziel ist, eine zivile Gesellschaft und einen Rechtsstaat im Iran aufzubauen. Das ist erst dann möglich, wenn die BürgerInnen sich nicht nur in politischen Parteien, sondern auch in NGOs und Selbsthilfegruppen engagieren, ihre Interessen artikulieren und sie auch durchsetzen.
Wir bemühen uns, das ehrenamtliche Engagement der BürgerInnen zu professionalisieren und die NGOs und die Institutionen der Zivilgesellschaft in Netzwerken zu verbinden, um die Voraussetzungen für eine nachhaltige Demokratie zu schaffen.
Wie bekommen und halten Sie von hier aus Kontakt zu AktivistInnen der NGOs im Iran?
Kontakt zu AktivistInnen der Zivilgesellschaft hatten wir schon, bevor wir nach Ahmadinedschads Wiederwahl den Iran verlassen haben. Wir verfolgen hier Medienberichte, Weblogs und Online-Magazine und sind so über die jüngsten NGOs und Netzwerke im Iran gut informiert. Über soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter, Telegram und WhatsApp verfolgen wir die aktuellen Aktivitäten, vernetzen uns und halten mit AktivistInnen aus dem Iran Kontakt.
Wie und wo finden dann Ihre Schulungen statt?
Die Schulungen finden häufig online statt, es gibt aber auch andere Formen von Workshops mit guten Ergebnissen.
Was sind die inhaltlichen Schwerpunkte der Schulungen?
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