Iran in Berlin: Die „Inside Iran“-Konferenz verschaffte Einblicke in die iranische Gesellschaft und das Leben im Exil

Am 11. und 12. November warf die Konferenz „INSIDE IRAN“ in Berlin einen Blick auf die aktuellen politischen und gesellschaftlichen Dynamiken Irans. Die von Transparency for Iran organisierte Veranstaltung brachte Iran-Experten, Wissenschaftler, Journalisten, Menschenrechtsaktivisten und Persönlichkeiten aus Politik und Medien zusammen.
Es gab aufwühlende Momente auf der Tagung „Inside Iran“ – etwa, als die Teilnehmer zu Ehren der Menschen- und Frauenrechtsaktivistin Mehrangiz Kar geschlossen aufstanden und lange applaudierten. Oder als Olaf Böhnke vom Aspen-Institut über Journalistinnen und Journalisten sprach, die aus Angst vor Repressalien ihrer Heimat den Rücken kehren mussten – und dabei von seinen eigenen Emotionen überwältigt wurde.
Und es gab auch komische Momente: Als der im Pariser Exil lebende Karikaturist Mana Neyestani seinen Alltag im Exil mit Wort und Bild nachzeichnete, durfte trotz drastischer Darstellungen auch laut gelacht werden – befreiend bei all dem Ernsten, was auf der Tagung zu besprechen war.
Bereits in ihren Eröffnungsansprachen hatten Ali Samadi, Vorsitzender von TFi und freier Regisseur, und Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, auf die aktuell besonders schlechte Menschenrechtslage im Iran hingewiesen, die sich etwa in der Welle von Verhaftungen von Protestlern, Journalisten und Kulturschaffenden zeige. Thomas Krüger zählte die unangenehmen Nachrichten aus dem Iran aus den vergangenen 30 Jahren auf – von der Unterdrückung der Opposition, dem Iran-Irak-Krieg, dem Atomprogramm bis zu antisemitischen Äußerungen der Machthaber –  und wies auf das hin, was auch Thema der Konferenz sein sollte: Der Iran habe mehr zu bieten als nur Schlechtes, so Krüger: “Einen mehr als hundertjährigen Kampf um soziale und politische Freiheiten, eine moderne Frauenbewegung, eine weltoffene Jugend, eine vitale Zivilgesellschaft und nicht zuletzt die friedliche Grüne Bewegung.“
Krüger lobte die Webseite TFI als unabhängige Nachrichtenquelle über den Iran insbesondere in den Bereichen Politik, Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft, die zu mehr Transparenz über die Geschehnisse im Iran beitrage.
Panel 1: Innerpolitische Dynamiken

Von rechts: Mehrangiz Kar, Tom Koenigs, Markus Lönning, Isabel Schayani, und Omid Nouripour
Von rechts: Mehrangiz Kar, Tom Koenigs, Markus Lönning, Isabel Schayani, und Omid Nouripour

Im ersten Panel der Konferenz sprachen drei ausgewiesene Experten über iranische Innenpolitik: Prof. Ali Ansari, Historiker und Professor an der St. Andrews University in Schottland, Hassan Yussefi Eshkevari, Geistlicher, Schriftsteller, Philosoph und Kritiker innerhalb des iranischen Klerus, sowie Fereydoon Khavand, Wirtschaftsexperte und Dozent an der Pariser Universität.
Die Arbeit der Regierung Ahmadinedschad beruhe auf nationalistischen und populistischen Methoden, so Ansaris Analyse. Sie diene vor allem dem Machterhalt des religiösen Führers Khamenei. Hassan Yussefi Eshkevari analysierte die zwiespältige Rolle des schiitischen Klerus im Iran. Der habe auf der politischen Bühne immer zwei Rollen gespielt: auf der einen Seite habe er die Regierenden legitimiert, auf der anderen aber mit ihnen konkurriert. Eine Tatsache, die man zwischen dem iranischen Präsidenten Ahmadinedschad und dem religiösen Führer des Landes, Ayatollah Khamenei, deutlich beobachten könne. Fereydoon Khavand warf einen sehr präzisen und informativen Blick auf den wirtschaftlichen Rückstand Irans in den letzten 30 Jahren. Er beschrieb, wie die Förderung von Erdöl, das Fundament der iranischen Wirtschaft, in den vergangenen Jahren aufgrund der Sanktionen stark abgenommen hat. In seinem Fazit sagte Khavand, dass die Sanktionen entgegen weit verbreiteter Ansichten, sehr großen negativen Einfluss auf die iranische Wirtschaft hätten. Er sprach sich gegen einen Militärschlag aus und bezeichnete wirtschaftliche Sanktionen als wesentlich effektiver, um den Iran zum Ablenken von seinem Atomprogramm zu zwingen.
Panel 2:  Zivilgesellschaft und Menschenrechte
Mehrangiz Kar, Menschenrechtsaktivistin und Schriftstellerin,  Abdol-Karim Lahidji, Menschenrechtsaktivist und Anwalt, Tom Koenigs, Bundestagsabgeordneter der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Mehran Barati, politischer Analyst und Payam Akhavan, Professor der  Völkerrechte an der McGill University, diskutierten in diesem Teil der Tagung.
Mehrangiz Kar beschrieb in ihrem Vortrag die Frauen als Pionierinnen der Zivilrechtsbewegung. Doch könnten die Aktivistinnen derzeit nicht mehr wie früher arbeiten und verlagerten deshalb ihre Aktivitäten und den Kampf für Zivilrechte in den Untergrund. Der Vortrag von Sohrab Rasaghi, der nicht an der Konfernz teilnehmen konnte, wurde vorgelesen. Darin ging es vor allem um die Wirkung der zivilgesellschaftlichen Institutionen auf den Demokratisierungsprozess. Ohne diese könne keine tragfähige Basis für eine Demokratie geschaffen werden.
In der anschließenden Diskussion betonte Mehran Barati, dass allein die Zahl der sozialen Institutionen kein Indiz für den Fortschritt einer Gesellschaft darstelle. Im Iran gäbe es zwar 170.000 zivilgesellschaftliche Institutionen, doch etwa die Hälfte von ihnen sei islamisch-karitative. Er wies darauf hin, dass die meisten, unabhängigen sozialen Institutionen eine Art Opposition gegen die Regierung bildeten, da die Regierung ihre Aktivitäten verhindere.
Tom Koenigs, Vorsitzender des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, forderte, Zivil- und Menschenrechtsaktivisten sollten die Gewissheit haben, dass das Ausland sie unterstütze und ihnen Asyl gewähre, wenn sie in Gefahr geraten und ihr Leben bedroht sei. Lahidji beschrieb die Islamische Republik als eine „missgebildete Gestalt“. Die Frage der Vereinbarkeit mit islamischem Recht hinge wie ein Damokles-Schwert über allen Forderungen nach Menschen- und Zivilrechten im Iran. Payam Akhavan sprach über die Grüne Bewegung nach den letzten Präsidentschaftswahlen. Alle, die an den Menschenrechtsverletzungen gegenüber den AktivistInnen der Bewegung beteiligt gewesen seien, müssten vor Gericht gestellt werden.
Panel 3: Internet und (Neue) Medien
Pooneh Ghoddoosi moderierte die Podiumsdiskussion mit Dr. Gholam Khiabany (links), Mahmood Enayat (ganz rechts) und Ehsan Norouzi
Pooneh Ghoddoosi moderierte die Podiumsdiskussion mit Dr. Gholam Khiabany (links), Mahmood Enayat (ganz rechts) und Ehsan Norouzi

Teilnehmer des dritten Panel waren Gholam Khiabani, Dozent für „International Communications“ an der Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaften der London Metropolitan Universität, der IT-Experte Mahmoud Enayat, die Journalistinnen Nooshabe Amiri und Pooneh Ghoddoosi, der Karikaturist Mana Neyestani, Ehsan Norouzi, Journalist, Mehdi Mohseni, Journalist und Blogge, Olaf Böhnke, Leiter des Berliner Büros der European Council on Foreign Relations (ECFR), und Marjan Parvand, aus dem Iran stammende Journalistin und Mitarbeiterin der ARD.
Khiabani und Enayat sprachen über die wichtige Rolle des Internets und der Online-Communities für die Grüne Bewegung. Enayat beschrieb die beschränkenden Aktiviäten des Staates als weit über klassische Zensur hinausgehend. Es würden Accounts und Webseiten von Aktivisten gehackt und sogar Provider von Blogs unter Druck gesetzt, deren Inhalte zu zensieren und gewissen Personen oder Gruppen keine Dienstleistungen mehr anzubieten. Nooshabeh Amiri gab in ihrem Vortrag über den Journalismus und die Medienlandschaft im Iran eine sehr informative Momentaufnahme der iranischen Medien. In den Augen der Regierenden im Iran würden aus Journalisten Spione, so Amiri: Man brauche nur realistisch über Geschehnisse zu berichten, und schon riskiere man das eigene Leben.
Der Karikaturist Mana Neyestani, der für verschiedene persischsprachige Online-Magazine zeichnet, präsentierte anhand eigener Cartoons den detaillierten Ablauf eines Tages in seinem Leben. Seine Präsentation war insbesondere nach zwei Konferenztagen mit vielen ernsten politischen Diskussionen ein bewegender und sogar komischer Moment – auch wenn Blut, Gefängnis, Hinrichtungsseile, Folter aus seinen Zeichnungen sprachen.
Im zweiten Teil des Panels beschrieb Pooneh Ghoddoosi von der BBC, wie ausländische Medien, die kaum eigene Quellen im Iran haben, im Internet Bildmaterial für ihre Berichte suchen und finden können. Olaf Böhnke hat in seinem Vortrag über seine Erfahrung mit den JournalistInnen aus dem Iran gesprochen. In der anschließenden Diskussion, an der auch Marjan Parvand teilnahm, haben Ghoddooshi und Parvand darauf hingewiesen, dass insbesondere bei den sogenannten Bürger-Journalisten, seien BBC und ARD darauf angewiesen, jedes Video und jede nicht offizielle Nachricht aus dem Internet von einem Expertenteam verifizieren zu lassen. Dabei könnten kleinste Details entscheidende Rollen spielen: etwa, ob die Bekleidung der Demonstranten zu der angegebenen Jahreszeit passe.
Teilnehmer und Experten äußerten sich sehr zufrieden mit dem Verlauf und den Beiträgen der Konferenz. In zwei Tagen wurde auf der INSIDE IRAN Konferenz ein breites Spektrum an Themen über die Lage im Iran behandelt. Im Anschluss an alle Vorträge gab es eine Podiumsdiskussion und anschließend eine Diskussion mit dem Publikum.