Keine Einigkeit über Holocaust-Karikaturen

Der Holocaust-Karikaturen-Wettbewerb in Teheran wird zwar von der Regierung nicht offiziell befürwortet, dennoch ehrt das Kulturministerium die Gewinner des Wettbewerbs. Für Kopfschütteln sorgt auch die Inhaftierung von zwei Künstlern. Positivere Schlagzeilen machen dagegen Vorzeigeregisseur Asghar Farhadi und ein seit über 350 Jahren verstorbener persischer Gelehrter. Ein Kulturspiegel
Das konservative iranische Kulturinstitut Sarcheshmeh hat zum wiederholten Mal in Teheran einen Karikaturen- und Cartoonwettbewerb zum Thema Holocaust ausgerichtet und damit die iranische Regierung vor allem im Ausland in Erklärungsnot gebracht. Im Rahmen der zweiwöchigen Ausstellung, die am 30. Mai endete, wurden 150 Cartoons und Karikaturen von Zeichnern aus über 50 Ländern gezeigt. Unter den Teilnehmenden befanden sich demnach auch Cartoonisten aus dem Iran, Frankreich, Belgien, Marokko und der Türkei. „Die Ausstellung bestätigt weder den Holocaust noch leugnet sie diesen. Vielmehr stellt sich uns die Frage, warum man trotz der Meinungsfreiheit, die es angeblich im Westen geben soll, nicht über dieses Thema reden und forschen kann“, so der Organisator des International Holocaust Cartoon Contest Masoud Shojaei-Tabatabaei gegenüber iranischen Medien. Gegen ihn waren bereits im vergangenen Jahr von 20 verschiedenen Ländern Einreisesperren verhängt worden.
In einem Interview mit der amerikanischen Zeitung The New Yorker hatte sich der iranische Außenminister Javad Zarif jüngst von der umstrittenen Veranstaltung distanziert. Er verteidigte jedoch die Freiheit der Organisatoren, diese durchführen zu dürfen. Der Wettbewerb sei von einer unabhängigen Nichtregierungsorganisation ausgetragen worden. „Die iranische Regierung ist weder an der Ausrichtung eines solchen Wettbewerbs beteiligt noch unterstützt sie ihn.“ Die Einstellung der iranischen Regierung gegenüber den Initiatoren der Cartoon- und Karikaturenausstellung sei zu vergleichen mit der Einstellung der amerikanischen Regierung gegenüber dem Ku-Klux-Klan. „Ist etwa die US-Regierung auch verantwortlich für rassistische Organisationen, die in den USA ihr Unwesen treiben?“, fragte der Außenminister in dem Interview.
Politiker übergibt Preise

Madjid Moulanourouzi, Befürworter der Holocaust-Karikaturen
Madjid Moulanourouzi, Befürworter der Holocaust-Karikaturen

Entgegen dieser Behauptung wurden die Gewinner des Wettbewerbs vom Leiter der „Abteilung bildende Künste“ des iranischen Kulturministeriums ,Madjid Moulanourouzi, mit Preisen ausgezeichnet, was eine Lawine der Kritik ausgelöst hat. Nicht nur iranische Webseiten haben sich mit der Frage beschäftigt, inwieweit die Regierung oder Teile der Regierung am Zustandekommen der Veranstaltung beteiligt sind. Auch im Ausland wird Moulanourouzis Verhalten als Zeichen der Zustimmung der iranischen Staatsmacht verstanden. Der 62jährige Politiker ist zugleich Leiter des Museum für zeitgenössische Kunst in Teheran, dessen Kunstschätze – unter anderem Werke von Francis Bacon, Max Ernst, Wassily Kandinsky, Claude Monet, Pablo Picasso und Andy Warhol – im Herbst diesen Jahres in einer Ausstellung in Berlin zu sehen sein werden. Moulanourouzi ist der Vertragspartner von „Stiftung Preußischer Kulturbesitz“, der Organisatorin der Werkschau.
Über den Holocaust gab es in der Vergangenheit zwischen der von gemäßigten Kräften dominierten Regierung des iranischen Präsidenten Hassan Rouhani und den Hardlinern im Land immer wieder heftigen Streit. Im Jahr 2014 hatte Außenminister Zarif in US-amerikanischen Medien gesagt, der Holocaust sei kein Märchen und niemand wolle ihn leugnen. Das hatten erzkonservative Abgeordnete zum Anlass genommen ihn ins Parlament einzubestellen. In den Jahren zuvor hatten sowohl Irans Revolutionsführer Ayatollah Ali Khamenei wie auch der ehemalige iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad den Holocaust als Mythos bezeichnet.
Musikinstrument als „Schwert“

Der Musiker Mehdi Rajabian und sein Bruder Hossein, Filmemacher, mussten am vergangenen Sonntag eine mehrjährige Haftstrafe antreten. Ein Gericht in Teheran hatte die Rajabian-Brüder aus der Provinzstadt Sari Ende 2015 zu jeweils sechs Jahre Haft wegen „Beleidigung des Glaubens“ und „Propaganda gegen das Regime“ verurteilt. Anfang Januar haben die verurteilten Macher der Webseite Bargmusic eine letzte Chance erhalten, gegen ihre Haftstrafen zu argumentieren. Sie konnten den Richter überzeugen, eine Revision des Urteils zuzulassen. Im Rahmen der Revision wurde die Haftstrafe auf jeweils drei Jahre sowie die Zahlung einer Geldstrafe von umgerechnet 6.600 Dollar reduziert.
Hossein (re.) und Mehdir Rajabian
Hossein (re.) und Mehdir Rajabian

Das Urteil sorgte für Entsetzen – vor allem bei iranischen Musikern im Ausland, wie dem mittlerweile in Köln lebenden Rapper Shahin Najafi und der Frauenband Abjeez, die durch die Musik-Webseite Bargmusic im Iran promotet wurde. Bargmusic war die einzige Internetseite für alternative iranische Musik im islamischen Gottesstaat. Unter iranischen MusikliebhaberInnen war die Plattform äußerst populär, dem Staat ein Dorn im Auge. Das Regime duldet weder Untergrundmusik noch den Austausch darüber. Vor zwei Jahren wurde bargmusic.com von den Behörden vom Netz genommen, die beiden Macher verhaftet und verklagt.
Um die Strafzahlung aufbringen zu können, kündigte Mehdi Rajabian auf seinem Instagram-Account im März an, sein Musikinstrument, den Setar, verkaufen zu wollen. „Mein Setar ist alles, was ich habe. Ich muss mein Instrument, das mich so häufig zum Lachen und zum Weinen gebracht hat, verkaufen. Mein Setar ist nicht nur ein Instrument, sondern das gebrochene Schwert eines besiegten Kriegers“, zitiert ihn die Menschenrechtsplattform Journalism is not a crime.
Poeten-Lexikon ins UNESCO-Weltregister aufgenommen
Die Tazkirah-i Arafat al-Ashiqin wa Arasat al-Arifin, ein biographisches Sammelwerk iranischer Dichter, ist in das UNESCO-Weltregister „Memory of the World“ aufgenommen worden. Dies entschied die 7. Generalversammlung des „Memory of the World“-Komitees für den Raum Asien und Pazifik Ende Mai in Vietnam. Das sechsbändige Werk wurde von dem persischen Gelehrten Taqi ad-Din Mohammad Awhadi Balyani zwischen 1605 und 1627 während der Ära der Safawiden verfasst. Das Lexikon enthält die Kurzbiographien 3.500 iranischer Dichter sowie ausgewählte poetische Werke.
Das UNESCO-Weltregister „Memory of the World“ ist ein weltumspannendes digitales Netzwerk mit ausgewählten herausragenden Dokumenten: wertvollen Buchbeständen, Handschriften, Partituren, Unikaten, Bild-, Ton- und Filmdokumenten. Das Register umfasst über 350 Dokumente aus aller Welt, darunter die 21 Thesen der Solidarnosc, die Kolonialarchive Benins, Senegals und Tansanias, die Sammlung indigener Sprachen in Mexiko, die Archive des Warschauer Ghettos, das älteste noch erhaltene Manuskript des Korans sowie als erste Zeugnisse des Buchdrucks die Göttinger Gutenberg-Bibel und den koreanischen Frühdruck Jikji .
Ziel ist es, dokumentarische Zeugnisse von außergewöhnlichem Wert in Archiven, Bibliotheken und Museen zu sichern und auf neuen informationstechnischen Wegen zugänglich zu machen.
Regisseur Asghar Farhadi von Haus des Kinos geehrt
Der iranische Oscar-Preisträger und Gewinner der Goldenen Palme der diesjährigen Filmfestspiele in Cannes Asghar Farhadi ist am 1. Juni in Teheran vom Verband der Filmschaffenden „Haus den Kinos“ für seinen jüngsten Erfolg beim Festival in Cannes geehrt worden. Der Iran müsse dem Regisseur dankbar für die positiven Schlagzeilen sein, die er erzeugt habe, sagte der Leiter des „Iranischen Kinoverbands“ Hojjatollah Ayyubi in einer Rede vor zahlreichen iranischen SchauspielerInnen und FilmkünstlerInnen.
Farhadi selbst bedankte sich in seiner Rede für die Ehrung und ausdrücklich auch bei den Anwesenden, deren filmische Werke „großen Einfluss“ auf seine Tätigkeit als Filmemacher gehabt hätten. „Der Iran gehört zu den fünf Ländern, in denen die besten Filme entstehen“, so Farhadi. Selbst namhafte Regisseure wie Jim Jarmush hätten den Iran als „Filmparadies“ bezeichnet. Den Vorwurf inländischer KritikerInnen des iranischen Kinos, die Farhadi und seinen Kolleginnen vorhalten, nur Erfolg zu haben, weil sie vom Iran ein düsteres Bild zeichneten, wies Farhadi zurück. „Ich habe als Jury-Mitglied an vielen internationalen Filmfestivals teilgenommen. Ich kann nicht bestätigen, dass eine Jury jemals einen iranischen Film bevorzugt hat, der ein negatives Bild vom Iran gezeichnet hat.“ Wer solche Vorwürfe erhebe, habe die Absicht, dem iranischen Kino zu schaden, so Farhadi weiter.
Am Rande der Ehrung wurden auch die jüngsten Statistiken zum Kinojahr 2015 vorgestellt. Demnach haben im vergangenen Jahr iranische Filme 2.250 Mal an internationalen Festivals teilgenommen. Im Jahr 2014 waren es lediglich 1.500 Teilnahmen. Ausgezeichnet wurden iranische Filme 370 Mal. Im Jahr zuvor belief sich die Zahl der gewonnenen Preise auf 235.
  JASHAR ERFANIAN